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Langzeitfolgen für geklonte Affen
"Unklar, ob das ohne Schaden für die Tiere bleibt"

Chinesische Forscher haben erstmals einen Affen nach der "Dolly-Methode" geklont. Nach Ansicht des Direktors des Deutschen Primatenzentrums, Stefan Treue, ist das Verfahren noch unzuverlässig. Die Forscher wüssten noch nicht, ob die entstehenden Tiere wirklich gesund seien, sagte Treue im Dlf.

Stefan Treue im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 24.01.2018
    Das undatierte Bild zeigt in Shanghai Hua Hua, einer der ersten zwei Affen, die nach Dolly-Methode geklont wurden.
    Das undatierte Bild zeigt in Shanghai Hua Hua, einer der ersten zwei Affen, die nach Dolly-Methode geklont wurden. (dpa-Bildfunk / Chinese Academy of Sciences / Qiang Sun and Mu-ming Poo)
    Dirk-Oliver Heckmann: Chinesische Forscher klonen einen Javaneraffen. Wie bewerten Sie das? Ist das ein Durch- oder ein Dammbruch? Das habe ich vor der Sendung Professor Stefan Treue gefragt. Er ist Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen.
    Stefan Treue: Ich würde sagen, es ist ein Durchbruch. Das ist eine technische Studie, vor allem ein wichtiger Schritt in der Methodenentwicklung, hin dazu, identische Tiere einer Tierart, in diesem Fall Javaneraffen zu erzeugen.
    Heckmann: In letzter Zeit gab es ja immer wieder Fälschungsversuche bei Klonexperimenten. Wie sicher sind Sie denn, dass dieses Mal alles korrekt ist?
    Treue: Sicher kann man sich nie sein. Die Wissenschaft setzt im Wesentlichen ja darauf, dass solche Versuche, gerade wenn sie besonders wichtige Durchbrüche sind oder neue Methoden darstellen, in einem anderen Labor repliziert, wiederholt werden. Wenn das gelingt, dann kann man relativ sicher sein, dass es sich nicht um eine Fälschung handelt.
    Ein großer Fortschritt für die Tierversuchsforschung
    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, das ist ein Durchbruch, ein Fortschritt zumindest. Was bezwecken eigentlich die Forscher damit genau?
    Treue: Ein Vorteil von geklonten Tieren ist ja, dass wir auf diese Weise praktisch identische Zwillinge bekommen, und zwar nicht nur zwei Zwillinge, sondern theoretisch, wenn diese Möglichkeit verlässlich funktioniert, eine große Zahl von genetisch identischen Tieren. Damit können Sie Untersuchungen machen, wo es genau darum geht, die genetische Variabilität zwischen den Tieren zu reduzieren. Auch in der Tierversuchsforschung, wo Sie zum Beispiel eine Versuchsgruppe mit einer Kontrollgruppe vergleichen wollen und möglichst wenig Variabilität zwischen den Gruppen haben wollen, da wären solche geklonten Tiere ein großer Fortschritt. In der Nagetierforschung ist das schon weit verbreitet, aber bei Primaten, bei Affen war das bisher nicht möglich.
    Heckmann: Welche Erkenntnisse kann man dann aus diesem Experiment ziehen?
    Treue: Die Studie, die jetzt veröffentlicht wurde, ist ja noch nicht eine wissenschaftliche Fragestellung. Die beantwortet noch keine biologische oder medizinische Frage. Aber sie könnte die Grundlage für neurologische, für immunologische Studien darstellen, bei denen es darum geht, zu verstehen, wie Krankheiten funktionieren oder wie Impfstoffe wirken.
    Mit der Dolly-Methode könnten beliebig viele Tiere geklont werden
    Heckmann: Weil man einfach zwei Exemplare des absolut gleichen Lebewesens hat und dann vergleichen kann?
    Treue: Genau, weil die Variabilität dann gering ist. Das heißt, Sie brauchen weniger Tiere, um sichergehen zu können, dass zum Beispiel Ihr neuer Impfstoff tatsächlich ein Fortschritt gegenüber einer Kontrollgruppe darstellt, in der der Impfstoff nicht eingesetzt wurde.
    Heckmann: Herr Treue, jetzt ist schon im Jahr 1999, habe ich gelesen, ein Laboraffe geklont worden, aber nicht mit dieser Methode Dolly. Was macht jetzt den großen Unterschied?
    Treue: Das ist richtig. Es gab schon einen solchen vergleichbaren Versuch. In diesem vergleichbaren Versuch wurden Embryonalzellen geteilt. Das ist ein bisschen das Verfahren, was auch natürlicherweise stattfindet, wenn Zwillinge entstehen. Das ist aber nicht beliebig skalierbar. Das können Sie nicht auf größere Tierzahlen übertragen, weil Sie so eine Embryonalzelle nur in maximal acht Teile zerteilen können und dann noch lebensfähige Embryonen erhalten können.
    In diesem Fall hier, wo Sie mit dem genetischen Erbgut einer Hautzelle beginnen, können Sie das theoretisch in beliebig viele Eizellen eines Spendertieres übertragen und können damit theoretisch beliebig viele identische Kopien erzeugen.
    Heckmann: Aber auch der Aufwand und die Kosten sind enorm, denn es gab ja sehr, sehr viele fehlgeschlagene Versuche.
    Treue: Sie haben recht und das ist zurzeit noch ein großes Problem. Deswegen geht es hier, glaube ich, eher um eine Darstellung einer Möglichkeit. Wenn es gelingt, mit mehr Untersuchungen diese Verlässlichkeit der Methode zu steigern, dann wird das relevant. Im Moment wäre die Methode so noch nicht praktisch anwendbar.
    Die Durchführung einer Klonierung ist auch in Europa möglich
    Heckmann: Herr Treue, jetzt haben Sie von Fortschritten gesprochen und darüber, was diese Schritte an positiven Folgen ergeben können. Aber dieses Experiment, dieser Versuch, der wirft ja auch ethische Fragen auf und hat ja auch Ethiker mittlerweile schon auf den Plan gerufen. Da stellt sich die Frage, darf der Mensch das. – Darf er es?
    Treue: Ja. Nach gängiger Rechtslage wäre ein Klonen, die Durchführung einer Klonierung auch in Europa möglich, wird ja auch in anderen Tierarten bereits durchgeführt. Ich denke, es gibt zwei ethische Herausforderungen. Die eine haben Sie eben selber angesprochen. Das ist die Frage, ob das Verfahren in seiner momentanen Unzuverlässigkeit nicht vielleicht in der Summe mehr Schaden an Versuchstieren anrichtet, als es Nutzen bringt. Das wäre eine wichtige, auch technisch-wissenschaftliche Frage, die zu klären wäre.
    Der zweite Aspekt ist: Sind die Tiere, die dabei entstehen, wirklich gesund? Das wissen wir noch nicht. Die Tiere in der Studie sind erst wenige Wochen alt. Dann muss natürlich geklärt werden, ob das ohne Schaden für die Tiere bleibt. Da gibt es durchaus Hinweise zum Beispiel aus den Versuchen mit Dolly und den Schafen, dass es da möglicherweise später im Leben zu Problemen bei den Tieren kommen kann.
    Heckmann: Und das wäre ethisch unverantwortlich?
    Treue: Das wäre ethisch bedenklich zumindest. Sie müssen auch da eine Abwägung machen, was passiert mit den Tieren genau. Aber das Leiden, das Sie möglicherweise damit erzeugen, ist natürlich eine ethische Herausforderung. Mit der muss man sich auseinandersetzen und die muss abgewogen werden. Ich glaube, langfristig ist natürlich auch die Frage, steckt da auch der Versuch dahinter, vielleicht so etwas, ich sage mal salopp, wie Mischwesen zwischen Mensch und Tier zu erzeugen. Das wäre nach weit übereinstimmender Meinung ethisch nicht zu vertreten und darum darf es eigentlich nicht gehen.
    Heckmann: Herr Treue, Javaneraffen gehören zu den Primaten-Arten.
    Treue: Richtig.
    "Primaten sind leidensfähiger als die meisten Säugetiere"
    Heckmann: Ist das auch ein besonderes ethisches Problem?
    Treue: Ich glaube, wenn es um das Klonen geht, wenn wir mal die Problematik der technischen Umsetzung der Methode außer Betracht lassen, ist das bei Primaten keine größere ethische Herausforderung als bei anderen Säugetieren. Wir gehen davon aus, dass Primaten leidensfähiger sind als die meisten anderen Säugetiere. Wenn hier Tiere entstehen würden, die leiden durch den Versuch oder durch Nachfolgen des Versuches, dann wäre das natürlich insbesondere bei Primaten auch ein ethisches Problem.
    Heckmann: Jetzt werden sich viele Leute fragen, die uns zuhören und die auch die Berichte gelesen haben, ob dieses Experiment jetzt nicht ein weiterer Schritt ist, möglicherweise hin zum Klonen des Menschen. Das ist ja verboten, das ist klar. Bleibt dieses Verbot richtig?
    Treue: Das Verbot bleibt auf jeden Fall richtig. Da würden wir eine ganz grundsätzliche ethische Grenze überschreiten, die, wie ich eben gesagt habe, eigentlich von der aller-allermeisten Zahl der Forscher auch so gesehen wird. Natürlich ist jede Technik, die man entwickelt, potenziell zu missbrauchen. Auch das Risiko ist hier gegeben. Ich glaube nicht, dass wir uns der Diskussion darüber entziehen können, und ein einfaches Verbot würde in der internationalen Forschungslandschaft sowieso nicht funktionieren. Ich glaube, da sind wir am besten beraten, intensive ethische und gesellschaftliche Diskussionen zu führen und dafür zu sorgen, dass es in diese Richtung, hin zu Mischwesen, Klonen des Menschen und so weiter, nicht geht mit dieser Forschung.
    Heckmann: Aber mit solchen Diskussionen erreicht man nicht unbedingt immer alle. Verbieten kann man alles oder vieles, was es dann aber doch irgendwann gibt. Denken Sie, abschließend gefragt, dass wir in 10, 20 Jahren hier im Deutschlandfunk wieder mit Ihnen möglicherweise über das geglückte Klonen eines Menschen sprechen?
    Treue: Ich hoffe nicht, weil ich das für einen äußerst problematischen Fall hielte. Ich kann das natürlich nicht ausschließen. Das können Sie auch nicht. Ich hoffe aber, dass wir darüber sprechen, welche Möglichkeiten sich ergeben haben, Tierversuche zu verbessern und zu reduzieren und in ihrer Verlässlichkeit zu verbessern. Da würde ich gerne mit Ihnen wieder drüber sprechen.
    Heckmann: Der Direktor des Deutschen Primatenzentrums Professor Stefan Treue war das hier im Deutschlandfunk.