Freitag, 29. März 2024

Archiv


Laschet: Windhundverfahren ist nicht klug

"Das ärgert mich fast schon", sagt der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet angesichts der Diskussion um das Akkreditierungsverfahren für den NSU-Prozess. Deutschland müsse ein Interesse daran haben, dass die internationale Presse über diesen Prozess berichte.

Armin Laschet im Gespräch mit Dirk Müller | 27.03.2013
    Dirk Müller: "Hier wird massiv Vertrauen verspielt", das warnt der Zentralrat der Muslime. "Das ist ein Armutszeugnis für die Justiz", bemerkt Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Und Sigmar Gabriel fordert das Gericht auf, endlich umzudenken. Es geht um den NSU-Prozess, der Mitte April vor dem Oberlandesgericht in München beginnt. Es geht darum, wer als Prozessbeobachter direkt im Gerichtssaal anwesend sein darf beziehungsweise sein kann. Vor wenigen Wochen ist klar geworden, dass der türkische Botschafter keinen Platz reserviert bekommt. Jetzt ist auch noch klar geworden, dass 50 Vertreter der Medien Plätze garantiert bekommen, aber kein einziger Journalist aus der Türkei. Acht der zehn Morde wurden an türkischstämmigen Geschäftsleuten verübt. Ein Mordprozess gegen Beate Zschäpe und die NSU-Terrorzelle, der weltweit auf Interesse stößt.
    Kein Platz also für türkische Journalisten im Gerichtssaal – darüber wollen wir nun sprechen mit Armin Laschet, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und früher Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen!

    Armin Laschet: Guten Morgen!

    Müller: Herr Laschet, gehört sich das so, sich darüber aufzuregen?

    Laschet: Ob sich das gehört? Das ist wieder alles sehr ungeschickt gelaufen. Ich finde, das Gericht sollte einen Weg finden, so etwas schleunigst zu lösen. Dass nun die gesamte Republik, und dass die internationale Öffentlichkeit über diese Frage sich im Moment wieder erregt zeigt, wie wichtig diese Frage ist, und mir wäre das am liebsten, dass man es einfach löst. Also jetzt stundenlang, tagelang über eine solche Frage zu diskutieren, die eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit ist, ärgert mich fast schon. Man hätte fast umgekehrt sagen müssen: Deutschland muss ein Interesse daran haben, dass die internationale Presse, dass die Welt über diesen Prozess berichtet und zeigt, wie in Deutschland mit einem solchen Fall, mit einem solchen Terrorismus umgegangen wird. Dass man gerade den anderen Weg gewählt hat, ist ärgerlich, und ich hoffe, dass das schleunigst gelöst wird.

    Müller: Hat das Gericht korrekt gehandelt?

    Laschet: Wahrscheinlich haben sie juristisch formal korrekt gehandelt, ohne jeden Zweifel. Wahrscheinlich gibt es nach den Regeln, wie im Gericht Presseplätze vergeben werden, Methoden, nach denen man das gemacht hat, und natürlich ist ein Zugriff nach Windhundverfahren, also wer sich als Erstes bewirbt, kriegt den ersten Platz, juristisch sauber. Klug ist es nicht und ich würde anraten, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, dass die Presse aus dem Land, insbesondere aus dem ein Großteil der Opfer mit seiner Staatsangehörigkeit kommt, nämlich aus der Türkei, dass die an diesem Prozess teilnehmen kann. Und wenn es jetzt schon so weit ist, dass beispielsweise die "Bild"-Zeitung der "Hürriyet" einen Platz anbietet, die ja in einer Kooperation stehen, und selbst das nicht erlaubt wird, weil man Plätze nicht tauschen kann, dann nimmt das absurde Züge an, und das Beste wäre, es bald sehr pragmatisch zu lösen.

    Müller: Aber, Herr Laschet, die Frage ist: seit wann sollen deutsche Richter sich nach dem Prinzip der Opportunität ausrichten?

    Laschet: Ja, was heißt nach dem Prinzip der Opportunität? Es gibt unterschiedliche Methoden, wie man über solche Plätze verfügen kann. Die erste Diskussion haben wir ja bereits vor einigen Wochen erlebt, als es um den türkischen Botschafter ging, der sich in die Zuschauerreihen hätte einreihen sollen. Es gibt andere Prozesse, meines Wissens beispielsweise in Winnenden, wo man von vornherein gesagt hat, wir wollen die internationale Öffentlichkeit da beteiligen, und das hätte man auch dort machen sollen.

    Müller: Woran hat das gelegen? Ist das ein bayerisches Spezifikum?

    Laschet: Ich weiß es nicht. Das ist ja keine politische Frage. Ein Gericht entscheidet ja da unabhängig. Insofern hat das nichts mit Bayern zu tun, sondern mit diesem speziellen Oberlandesgericht.

    Müller: Herr Laschet, wir hören einmal, was Karl Huber, Präsident des Oberlandesgerichts in München, gesagt hat.

    O-Ton Karl Huber: "Die Forderung einzelner Medien und Politiker, den Verfahrensverlauf live in einen anderen weiteren Saal zu übertragen, kann aus Rechtsgründen nach deutschem Recht nicht umgesetzt werden. Das ist definitiv."

    Müller: Das war also Karl Huber, der Präsident des Gerichts, der darauf verwies, dass auch die Alternative, die diskutiert wird, nämlich einen separaten Raum noch einmal zu beschallen beziehungsweise mit einem Videosignal dann zu versorgen, dass das auch nicht geht. Handelt er rechtsstaatlich - wir haben das schon mal besprochen - korrekt, oder ist er einfach nur stur?

    Laschet: Nein, in dem Fall glaube ich das. Also das sind hier nun wirkliche Detailfragen der Strafprozessordnung, und dass man bei uns Gerichtsverhandlungen nicht öffentlich übertragen kann, das ist einer der Vorzüge des deutschen Justizwesens. Wir wollen nicht wie in den USA ein Millionenpublikum bei Prozessen dabei haben, wo dann auch vor Gericht nur noch für das Publikum agiert wird und gar nicht mehr im Sinne der Rechtsfindung. Also das ist ja alles in Ordnung.

    Müller: Herr Laschet, es geht ja nicht um Übertragungen in "Phönix" oder wo auch immer. Es geht ja darum, einen Nebenraum zu haben, wo einfach dann andere Journalisten, die jetzt nicht zum Zuge zum Beispiel gekommen sind, dass die dort Platz nehmen und es auch zumindest etwas näher beobachten können, mitbekommen können.

    Laschet: Also dieses Detail, das ist eine juristische Frage, eine formaljuristische Frage, die ich so nicht beurteilen kann, ob das ins deutsche Strafprozessrecht passt. Ich finde schlicht und einfach, man soll sich bemühen, dass man Plätze für die internationale Presse findet. Das ist nicht zu viel verlangt. Der Prozess hat eine große, weit über Deutschland hinausgehende Dimension. Es liegt sogar im deutschen Interesse, dass im Ausland wahrgenommen wird, wie Deutschland mit solchen Fällen umgeht, und insofern wünsche ich mir da etwas mehr Pragmatismus, eine rechtsstaatlich erlaubte Lösung, die in den nächsten Tagen diese unselige Diskussion, zu der jetzt alle möglichen Leute sich äußern und jetzt auch noch ich … - Das ist völlig unangemessen. Das muss pragmatisch gelöst werden und das wünsche ich mir einfach.

    Müller: Also wir können das zumindest schon einmal festhalten, dass das für Sie auch, also das Verfahren beziehungsweise das Ergebnis aus München, politisch fahrlässig ist?

    Laschet: Nein, es ist nicht politisch … - Verstehen Sie, das ist ein juristischer Vorgang.

    Müller: Sie sagen doch, weltweit wird das rezipiert und aufgenommen und kritisiert.

    Laschet: Ja! Aber politisch fahrlässig? Das sind ja keine Politiker, das sind ja Richter und die entscheiden unabhängig. Aber ich würde mir schlicht und einfach wünschen, dass sie jetzt einen Weg finden, dass da vernünftig über diesen Prozess auch von türkischen Medien und internationalen Medien berichtet werden kann. Allein dass jetzt seit Tagen über diese Frage in dieser Weise diskutiert wird, schadet schon wieder dem Prozess, schadet dem Ansehen, schadet nebenbei auch dem Oberlandesgericht, und insofern sollte das schleunigst korrigiert werden.

    Müller: Kann sich ein Richter, kann sich ein Gericht korrigieren, wenn Druck ausgeübt wird von außen?

    Laschet: Ein Gericht kann sich korrigieren, wenn es klug ist und wenn Lösungen gefunden werden müssen, und bei der Teilnahme des türkischen Botschafters sind Wege gefunden worden. Und das Angebot vieler Medienvertreter, zu sagen, wir bieten unsere Plätze an, lasst uns hier einen Weg finden, finde ich, solange der Prozess noch nicht begonnen hat, einen Weg, den das Gericht gehen kann. Das ist kein Druck, das ist eine öffentliche Debatte und die wird während des Prozesses noch sehr häufig auftreten, und da liegt es auch in der Souveränität des Gerichts, in der Unabhängigkeit des Gerichts, wie es mit Anregungen umgeht.

    Müller: Also dementsprechend Fehlentscheidungen gegebenenfalls zu korrigieren. – Wir haben uns das noch notiert: Die SPD-Parteizeitung "Vorwärts" – wir wollen das nicht bewerten – darf dabei sein. Die Agentur "Mandoga Media" als Weil am Rhein darf dabei sein. Die "New York Times" vermutlich nicht, wie es aussieht. Aber die zwei größten Nachrichtenagenturen der Welt, nein, zwei der größten Nachrichtenagenturen der Welt, Pardon, die französische AFP und die amerikanische AP, die müssen auch draußen bleiben. Wir haben jetzt acht Minuten darüber gesprochen. Kopfschütteln nach wie vor?

    Laschet: Ja. Wenn das Prinzip gilt, wer als Erster kommt, malt zuerst, dann könnten noch eine ganze Menge, auch vielleicht unbedeutende Medien, einfach schnell gewesen sein. Deshalb muss man über das Prinzip noch mal nachdenken. Meines Wissens sind auch sieben öffentlich-rechtliche Sender dabei. Wir haben eigentlich noch ein paar mehr in Deutschland. Wenn die sich alle beworben hätten, wären dadurch schon die Plätze belegt. Also dass es hier zu einem klugen, ausgewogenen, der internationalen Öffentlichkeit entsprechenden Verfahren kommt, das würde ich mir wünschen.

    Müller: Und ich hatte das vorhin gesagt: Auch unser Korrespondent Rolf Clement für den Deutschlandfunk hat eine Akkreditierung bekommen.

    Laschet: Ja!

    Müller: Armin Laschet war das, der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und frühere Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Laschet: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht z