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Laschets Lachen im Hochwassergebiet
Warum über den Fauxpas berichtet werden muss

Das Lachen von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet während der Rede des Bundespräsidenten im Hochwassergebiet spaltet die Medien. Soll man darüber berichten oder nicht? Der Vorfall zeige, dass Laschet wichtige Kanzler-Qualifikationen vermissen lasse: Krisen- und Medienkompetenz, meint unsere Kolumnistin.

Von Samira El Ouassil |
Armin Laschet (2. v.l., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, lacht während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) im Hochwassergebiet in Erftstadt ein Pressestatement gibt.
Armin Laschet, Kanzlerkandidat und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, lachte während einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Hochwassergebiet (picture alliance / dpa / Marius Becker)
In Gesprächen mit Journalistinnen und Journalisten unterschiedlichster Medien und verschiedenartigster Blattlinien habe ich festgestellt, dass es eine erstaunliche Uneinigkeit darüber gibt, wie notwendig und wichtig die Abbildung von Laschets Lachen war - beziehungsweise immer noch ist.
Ein Teil ist der Meinung, dass es sich nicht gehört, während einer Naturkatastrophe solch einen Fauxpas groß zu machen. Zudem sei dieses Herumreiten auf einer spontanen Gefühlsregung nicht besonders gehaltvoll und berichterstatterisch wird es mehr als problematisch, wenn man Politikerinnen und Politiker nur noch anhand derartiger Fehltritte bewertet. Wollen wir uns nun ständig über solche Lappalie echauffieren, die nichts mit dem politischen Programm einer Partei zu tun haben?

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Laschets Fauxpas wird im Ausland thematisiert

Diese Befürchtung kann ich vor dem Hintergrund des bisherigen Wahlkampfs tatsächlich verstehen. Beobachter hatten sich in Angelegenheiten festgebissen, die im Vergleich zu den aktuellen katastrophalen Ereignissen nun noch banaler wirken: Lebensläufe und Fußnoten - da scheint nun eine gewisse Vorsicht geboten, damit wir in der medialen Dauerüberhitzung nicht ein unangemessenes Kichern zu einem Staatsakt hochjazzen.
Der Umstand jedoch, dass das Lachen eines Kanzlerkandidaten in Deutschland auch von internationalen Korrespondenten kommentiert und zum Beispiel von der BBC thematisiert wurde, verrät uns doch einiges über den Nachrichtenwert dieser Geste - und dieses große mediale Echo beantwortet vielleicht auch die Frage, warum es sich bei "Laschets Lachen" aus berichterstatterischer Sicht um keine Bagatelle handelt.
Lachen kann eine Übersprungshandlung sein, manche kichern aus Überforderung (ich zum Beispiel), andere aus Ignoranz. Berichtenswert wird es, wenn man Kanzler dieses Landes werden möchte. Denn auch das muss man als Amtsträger eben können: bei Ereignissen, bei denen eine besondere mediale Präsenz abverlangt wird - und insbesondere bei Krisensituationen - die Fassung bewahren und sich beherrschen können.

Frage der grundlegenden Eignung

Vor allem im Kontrast zur stoischen Ruhe und der - man könnte sagen - staatsfraulichen Gefasstheit der noch amtierenden Kanzlerin, rückt solch ein hintergründiges Herumalbern in den Vordergrund, wenn es um die Frage nach der grundlegenden Eignung geht.
Deswegen ist die Auseinandersetzung mit der Politik der Gesten notwendig: weil diese vermitteln, ob eine Person mit dem Ernst der Lage umgehen kann.
Man erinnere sich an Angela Merkel 2013 in Pirna - oder natürlich Gerhard Schröder, der im Wahlkampf 2002 Edmund Stoiber im Elbe-Hochwassergebiet die Show stahl. Es heißt, die Bilder von Schröder in Gummistiefeln hätten die damalige Wahl doch noch herumgerissen.

Laschet lässt Krisen- und Medienkompetenz vermissen

Laschet hat seinen persönlichen Wahlkampf-Gummistiefel-Moment verpatzt. Er vermittelte, wenn auch ungewollt, dass er sich in solch einer Stresssituation und in Anbetracht einer Tragödie dieser Art weder unter Kontrolle hat, noch Demut zeigen kann.
Selbst wenn sein Lachen menschlich natürlich verzeihlich ist, hat er demonstriert, dass er Krisen- und Medienkompetenz vermissen lässt - zwei Qualifikationen, die ein zukünftiger Kanzler zweifellos mitbringen muss.
Samira El Ouassil ist Kommunikationswissenschaftlerin, Schauspielerin und politische Ghostwriterin. 2009 war sie die Kanzlerkandidatin für DIE PARTEI. Seit September 2018 schreibt sie für das Medienkritikmagazin Übermedien die Kolumne "Wochenschau". Mit Gedächtniskünstlerin Christiane Stenger beantwortet sie außerdem im Audible-Podcast "Sag Niemals Nietzsche" Fragen der Philosophie.