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Latino-Barock in New York
Bombast mit Zuckersirup

Einen lateinamerikanischen Meister des Barock will das New Yorker Metropolitan Museum entdeckt haben und zeigt eine Auswahl seiner Werke erstmals außerhalb Mexikos. Das Versprechen der Großartigkeit erfüllt Cristóbal de Villalpando nicht. Doch als Phänomen ist dieser Maler durchaus interessant.

Von Sacha Verna | 30.07.2017
    Das Metropolitan Museum of Art in New York.
    Das Metropolitan Museum of Art in New York zeigt Werke des mexikanischen Barockmalers Cristóbal de Villalpando. (AFP / Stan Honda)
    An wuselnder Dramatik macht das Bild jedem Action-Film aus Hollywood Konkurrenz: Oben badet Jesus wolkenumtobt im Licht, eine blendende Symbiose aus Superheld und Ölfarbe gewordenen Spezialeffekten. Unten dirigiert Moses den wogenden Exodus der Israeliten, überragt vom Stab mit der ehernen Schlange, in der sich die Allmacht Gottes offenbart. Altes und Neues Testament, hell und dunkel, Erlösung und der beschwerliche Weg dorthin: Auf 8,5 mal 4,5 Metern zeigt dieses Gemälde Cristóbal de Villalpando auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
    1683 war der mexikanische Barockmaler 34 Jahre alt und erhielt Aufträge von sämtlichen Kirchenfürsten seines Landes. Das monumentale Werk entstand für die Kathedrale in Puebla und ist wie die übrigen zehn Exponate im Metropolitan Museum zum ersten Mal außerhalb Mexikos zu sehen. Kuratorin Ronda Kasl hält Villalpando, der in Mexico City geboren wurde und starb, für den bedeutendsten spanischen Maler des Spätbarock:
    "Villalpando war sich der europäischen Maltraditionen sehr bewusst. Hauptsächlich, weil viele Maler in Mexiko zu jener Zeit Immigranten aus Spanien, ja sogar Flandern waren. Außerdem hatte er Zugang zu Druckgrafik, unter anderem von Rubens, der ihn sehr beeindruckte. Er kopierte Rubens nicht direkt, aber es ist klar, dass er dessen Arbeiten genau studiert hat."
    Von mexikanischer Originalität keine Spur
    Von Peter Paul Rubens trennt Villalpando nun aber doch mehr als ein Ozean. Eine Sonne mit lachendem Menschengesicht wacht bei ihm über einer Verkündungsszene, während pausbäckige Engelsköpfe wie Seifenblasen Mariä Empfängnis umschweben. Zu oft findet man in diesen Werken die Mischung aus Bombast und Zuckersirup, die die Barockkunst in manchen akademischen Kreisen in Verruf gebracht hat. Von mexikanischer Originalität und lateinamerikanischer Innovation keine Spur.
    Dennoch ist Cristóbal de Villalpando als Phänomen interessant. Zum einen ist auffällig, welch hingebungsvolle Nachahmung die christliche Ikonografie und die künstlerischen Techniken, die sie begleiteten, so fern von ihren Ursprüngen erfuhren. Das zu einem Zeitpunkt, als das Christentum in Mexiko und Christen über Mexiko erst seit 150 Jahren herrschten. Und das in einem Land, das bereits über eine viereinhalb-tausendjährige, eigene Kultur verfügte.
    Zum anderen zeigt diese Ausstellung einmal mehr, wie sehr man sich heute darum bemüht, vom Eurozentrismus der Kunstgeschichte wegzukommen. Seht her, wir haben einen barocken Meister in Lateinamerika entdeckt! So die Botschaft. Sogleich wird Ebenbürtigkeit suggeriert, wo Vergleiche unangebracht sind. In Mexiko kommt die Arche Noah vom Kurs ab, eben weil es Villalpando darüber so barock blitzen und donnern lässt. Dass er selber in seiner Heimat ohne Nachahmer geblieben ist, spricht eher für Mexiko als gegen ihn.
    Metropolitan Museum, New York: "Cristóbal de Villalpando: Mexican Painter of the Baroque". Bis 15. Oktober.