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Laufenberg: "Ich fühle mich unschuldig an den Pranger gestellt"

"Oper macht fünf Millionen Euro Miese" - seit die Kölner Lokalpresse mit dieser Schlagzeile aufmachte, wird über die finanzielle Schieflage des Hauses gestritten. Intendant Uwe Eric Laufenberg spricht von "Falschbehauptungen" und vermisst klare Ansagen der Stadt, welche Sparte wie viel Geld zur Verfügung hat.

Uwe Eric Laufenberg im Gespräch mit Christoph Heinemann | 30.09.2011
    Heinemann: Die Oper gehört, zusammen mit dem Schauspiel, zu den Bühnen der Stadt Köln. Ein Großteil der Verluste der Oper solle, so berichtete die Lokalpresse, nun durch Rücklagen dieser Bühnen ausgeglichen werden. Und das heißt: Wenn die Oper die Rücklagen im großen Stil anzapft, dann geht der andere Teil, das Schauspiel nämlich, leer aus. Eine Produktion, ein Theaterstück von Maxim Gorki, wurde bereits gestrichen.

    Künstlerisch – das bestreitet niemand – stehen beide Häuser hervorragend da, noch, muss man sagen, denn Karin Beier, die Intendantin des Schauspielhauses, wird 2013 nach Hamburg wechseln, und wie lange Opernintendant Uwe-Erik Laufenberg sich die Kölner Verhältnisse antut, das sagt er uns jetzt gleich am Ende des folgenden Interviews, das wir aufgezeichnet haben. Die erste Frage an den Intendanten: Fühlen Sie sich gemobbt?

    Uwe Eric Laufenberg: Ich fühle mich unschuldig an den Pranger gestellt mit Falschbehauptungen "Oper macht fünf Millionen Miese", eine Falschbehauptung auf Seite eins, Titelschlagzeile. Ich habe den Verdacht, dass mir jemand schaden will. Ich frage mich bis heute, will man mir persönlich schaden, oder möchte man der Institution Oper schaden.

    Heinemann: Und wer will schaden?

    Laufenberg: Die Leute, die interessiert daran sind, solche Falschmeldungen in die Welt zu setzen. Das stimmt eben nicht.

    Heinemann: Wer sind denn diese Leute?

    Laufenberg: Ja da sind wir wieder in Verdachtsmomenten. Ob ich mich dazu äußern sollte, das ist die Frage. Ich würde das lieber nicht tun, sondern mich an die Fakten halten, die wirklich da sind.

    Heinemann: Zu den Fakten gehören rote Zahlen. Wie sind die zu erklären?

    Laufenberg: Die Bühnen haben eine Etat-Absenkung von 1,4 Millionen zugunsten der Freien Szene und der Museen verordnet bekommen, haben keinen Tarif-, keinen Preissteigerungsausgleich bekommen, wir haben ein völlig marodes Haus, haben den Plan, ein neues Schauspielhaus zu bauen, aufgegeben und sind in der Interimssituation, jedenfalls was die Oper angeht, und haben überhaupt keine Klärung, welche Sparte wie viel Geld ausgeben muss oder ausgeben darf. Es ist halt so, dass der letzte Wirtschaftsplan, der wirklich vom Rat beschlossen worden ist, 9/10 ist, und dieser Wirtschaftsplan ist noch von dem damaligen geschäftsführenden Intendanten aufgestellt worden, und die Struktur der Bühnen war zu seiner Zeit sehr anders, nämlich da hat ein geschäftsführender Direktor, der wie ein Generalintendant gewirkt hat, im Prinzip entscheiden können, welche Sparte was bekommt, und er hat auch hinterher quasi aufteilen können, wenn irgendwo was fehlt, dann verrechnen wir das da und da. 2009/10 sollte der erste Wirtschaftsplan sein mit drei geschäftsführenden Direktoren, wenn Sie so wollen, und die sollten gleichberechtigt sein, und das macht jetzt die Schwierigkeit aus, dass man die Struktur nicht dem angepasst hat. Ich bin im Mai 2011 zum ersten Mal damit konfrontiert worden, dass in der Spielzeit 9/10 angeblich das Schauspiel zwei Millionen Plus hat, also Geld, was sie zur Verfügung haben, was sie aber nicht ausgegeben haben, und die Oper angeblich zwei Millionen Minus, also Geld, was wir nicht hätten ausgeben dürfen. Und ich habe vor drei Monaten, wie ich dieses zum ersten Mal erfahren habe, die Stadt, die Verwaltungsspitze und alle gebeten, bitte da für Aufklärung zu sorgen, Ordnung herzustellen und ganz klare Anweisungen zu geben, welche Sparte denn nun welches Geld zur Verfügung hat. Das ist nicht passiert, jetzt wird der Streit über die Presse ausgetragen.

    Heinemann: Und in dieser Presse ist immer wieder zu lesen über die gute Frau Beier und den bösen Herrn Laufenberg. Herr Laufenberg, nervt Sie diese Rollenverteilung?

    Laufenberg: Man gewöhnt sich an manches. Allerdings dieses gut und böse, the beauty and the beast, sage ich manchmal, oder die Heilige und der Teufel, wir kommen mit solchen…

    Heinemann: Krieg und Frieden könnte man sagen.

    Laufenberg: Krieg und Frieden können wir es auch nennen, ja.

    Heinemann: Ist ja gerade sehr erfolgreich auf der Kölner Bühne.

    Laufenberg: Hat sehr erfolgreich bei uns Premiere gehabt zur Saisoneröffnung. Man kommt mit diesen Rollenzuteilungen ja nicht dichter an die Tatsachen heran. Das nützt ja nichts. Wenn wir Aufklärung betreiben wollen, müssen wir vielleicht diese Vorkategorisierungen einfach lassen und auf die nackten Fakten gucken.

    Heinemann: Zwei Ausgabeposten werden kritisiert, die Aufführung des "Sonntag" aus Karlheinz Stockhausens Opernzyklus "Licht" und eine Reise des Orchesters oder der Oper nach Shanghai. Hätten Sie bei diesen Ausgaben nicht die Notbremse ziehen müssen?

    Laufenberg: Also "Sonntag" aus "Licht" ist mit einem großen Anteil Fremdmittel finanziert worden, zum Beispiel die Kunststiftung NRW, Kultursekretariat NRW, Ernst von Siemens-Musikstiftung. Bei einer Absage hätte man diese Mittel wieder zurückgeben müssen und hätte trotzdem viele Kosten aus bindenden Verträgen entrichten müssen. Da wäre viel Geld verloren gegangen und man hätte trotzdem viel Geld bezahlen müssen und hätte am Ende nichts gehabt.
    Bei China handelte es sich um ein Gesamtgastspiel mit dem "Ring des Nibelungen" in Shanghai und "Don Giovanni" in Peking. Der Rat hat beschlossen, dass wir als Sicherheit einen Rückgriff auf die Rücklagen machen können, und dieses Gastspiel war eine Investition in die Zukunft und wird sich durch weitere Gastspieleinladungen, die im Moment auch schon ausgesprochen sind, voll refinanzieren. Aber vor allen Dingen muss man natürlich bedenken, dass wir, als die Entscheidungen getroffen wurden, Stockhausen zu machen, den Ring zu planen als Gastspiel, davon ausgegangen sind, dass sie in einer dreijährigen Interimsphase wären. Also wir hätten gar kein Opernhaus gehabt. Deswegen machen wir den Ring nicht zu Hause, sondern eben in China, und deswegen spielen wir nicht im Haus, sondern in den Rheinpark-Hallen – das ist natürlich aufwendig – das große Stockhausen-Werk.

    Heinemann: Weil die Oper obdachlos wird wegen Renovierungsarbeiten.

    Laufenberg: Wegen Renovierung, die ja eigentlich im Sommer 2010 starten sollte. Dann hat man im April 2010 beschlossen, dass man kein neues Schauspielhaus baut. Dadurch sind diese Interimsgeschichten für das Schauspiel gänzlich weg, die spielen wieder weiter im Haus. Wir hatten aber durch Planungen und dadurch, dass unser Haus so marode ist, überhaupt gar keine Möglichkeit, diese Pläne wieder zu ändern. Also insofern war das Zeitfenster, wo man hätte wirklich ändern können, und das, was an Verträgen und allem vorlag, nicht mehr möglich und die Situation hat sich halt durch die Entscheidung, den Neubau nicht zu machen, die ganzen Baumaßnahmen, Renovierungsmaßnahmen haben sich zwei Jahre verschoben, dadurch waren wir in einer Bredouille, wenn Sie so wollen.
    Wie viel jetzt die Absage zum Beispiel des Gorki-Stücks, was Karin Beier ja bekannt gegeben hat, kostet, das ist bisher überhaupt gar nicht gefragt worden. Sicher werden auch Kosten durch Einnahmeverluste entstehen, sicher sind schon Planungen gemacht worden, es gibt bestimmt Verträge, die ausbezahlt werden, aber natürlich, kann man prinzipiell sagen, ist das Schauspiel viel mobiler, die können mobiler disponieren, weil sie nicht so langfristig planen. Aber da habe ich auch eigentlich den Verdacht, will ich sagen, dass die Motivation der Absage nicht nur an den Etat-Mitteln lag.

    Heinemann: Sondern?

    Laufenberg: Es gibt viele Gründe, wenn man ein viel beschäftigter Intendant ist – ich kenne das von mir selber -, wann man sich ein Stück zutraut und wann man sich das nicht zutraut, und vor allen Dingen, wenn man sich sehr viel für die Zukunft vornimmt.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, wir sprechen mit dem Kölner Opernintendanten Uwe-Erik Laufenberg. Herr Laufenberg, Sie haben während einer Pressekonferenz gesagt, Sie hätten weder eine Doktorarbeit abgeschrieben, noch das angestellt, worüber der ehemalige Direktor des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn zu Fall kam. Sie haben da etwas eindeutigere Formulierungen gewählt. Haben Sie sich dadurch nicht angreifbar gemacht?

    Laufenberg: Ich wurde ja angegriffen und ich habe eigentlich nur versucht, diese Verleumdung zu Ende zu denken, wohin kann so was gehen, wenn man etwas völlig Falsches über einen sagt, und habe ausgeschlossen, was man über mich nicht sagen kann, weil. Ich frage mich heute nach wie vor, das habe ich schon gesagt, ob wirklich meine Person gemeint war, oder die Institution Oper überhaupt. Aber es wird mir auch unterstellt, ich hätte einen Gefühls- oder Wutausbruch gehabt. Man kann das im Internet nachhören. Ich bin ausgebildeter Schauspieler. Wutausbrüche, Gefühlsausbrüche sehen bei mir ganz anders aus.

    Heinemann: Bitte jetzt nicht hier!

    Laufenberg: Gut.

    Heinemann: Welchen Einfluss übt die Lokalpresse überhaupt auf die Kulturpolitik einer Stadt oder die Arbeit eines Opernintendanten aus'

    Laufenberg: Ja, die Frage ist nicht einfach. Die Lokalpresse geht die Themen in diesem Fall jedenfalls sehr willkürlich und nicht sachlich abwägend an und die Lokalpresse hier hat auch so was wie eine Monopolstellung, das ist auch klar, und treibt damit die Kommunalpolitik vor sich her. In einer Millionenstadt ist das schon eine sehr missliche Situation, weil in einer Millionenstadt die Gegebenheiten einfach kompliziert und manchmal auch widersprüchlich sind, und das darzulegen, dafür braucht es eine große Sachlichkeit.

    Heinemann: Wünschen Sie sich mehr Unterstützung durch die Kulturpolitik?

    Laufenberg: Die Kulturpolitik, muss ich sagen, unterstützt mich sehr. Das hält mich auch im Moment mit den großen künstlerischen Erfolgen, der Zustimmung des Kölner Publikums und vor allen Dingen auch mit der Zustimmung meiner Mitarbeiter noch bei Laune. Aber ob die Kultur in der Lokalpolitik in Köln die ihr angemessene Bewertung oder Finanzierung erhält, das ist eben offen.

    Heinemann: Herr Laufenberg, Köln ist wie viele Städte hoch verschuldet: Schwimmbäder werden geschlossen, eine U-Bahn muss noch finanziert werden, und das heißt in Köln auch gleich noch ein Stadtarchiv dazu. Wie bringt man große Oper in Zeiten schmilzender Budgets auf die Bühne?

    Laufenberg: Die Oper ist halt ein sehr personenintensives Medium. Es stehen am Abend sehr viele Leute vor auch sehr vielen Leuten, deswegen braucht man ja auch einen großen Zuschauerraum, dass man wenigstens im Ansatz das auch wieder refinanziert. Es sind nicht so sehr die Sachkosten, die hochtreiben, sondern einfach, dass sehr viel Personal unterwegs ist. Und insofern, wenn man sich jetzt für Oper entscheidet und sagt, wir brauchen eine Oper, dann muss man gucken, in welcher Klasse man spielt, und Köln hat ja in den letzten Jahren versucht, in einer anderen Klasse zu spielen, als die Größe der Stadt angemessen wäre. Deswegen hat man mir einen Vertrag gegeben und hat gesagt, man möchte wieder international anschließen, ich habe einen letter of intent, der sagt, man möchte die Oper besser ausstatten. Wir sind weit hinter den Zahlen von Frankfurt und Stuttgart zurück. Frankfurt und Stuttgart sind die einzigen Städte, die auch einen Drei-Sparten-Betrieb haben, und wenn sie das Beispiel nehmen, 31,5 für die Oper in Köln, 40 für die Oper in Frankfurt, insgesamt für die Bühnen 48,8 in Köln, 60 in Frankfurt, in Stuttgart sogar 72, da leistet man sich noch die Sparte Ballett.
    Jetzt kann man sagen, Köln ist viel ärmer als Frankfurt, Köln ist viel ärmer als Stuttgart, reden wir nicht von Berlin, reden wir nicht von Hamburg, reden wir nicht von München, reden wir nicht von Dresden, reden wir nicht von Leipzig. Aber selbst unsere Nachbarstadt Düsseldorf – gut, die hat sich gut entschuldet – hat einen höheren Etat für die Bühnen, sowohl fürs Schauspielhaus wesentlich höher als auch für die Oper wesentlich höher. Köln muss sich da überlegen, wollen sie da noch mitspielen, oder wollen sie es nicht. Und wenn sie es nicht wollen, sage ich immer, ist es vielleicht dann wirklich besser zu überlegen, was lassen wir ganz sein, anstatt dass wir immer am Hungertuch alles schlecht machen. Das, glaube ich, braucht dringend Grundsatzentscheidungen.

    Heinemann: Sie haben eben gesagt, noch fühlten Sie sich ausreichend unterstützt. Werden Sie in Köln bleiben, oder haben Sie die Nase langsam voll?

    Laufenberg: Das entscheidet Köln in den nächsten fünf Wochen.

    Heinemann: Wie?

    Laufenberg: Da ist ja wie in Köln immer gerne alles offen.

    Heinemann: Wo wäre die rote Linie für Sie?

    Laufenberg: Wenn alle Strukturen wegbrechen und man handlungsunfähig wird.

    Heinemann: Kann man das in Geld ausdrücken?

    Laufenberg: Ich habe das gerade gesagt. 31,5 nicht verrückbare Kosten, da ist noch kein Sänger auf der Bühne, noch kein Bühnenbild, kein Dirigent im Graben, also da ist noch nichts für Kunst ausgegeben. Wenn sie das wegstreichen, wie wollen sie es dann machen?

    Heinemann: fragt zum Schluss unseres Gesprächs Uwe-Erik Laufenberg, der Intendant der Kölner Oper. Vielen Dank für Ihren Besuch und auf Wiederhören.

    Laufenberg: Danke.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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