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Lauk: Es gibt keinen Konsens für den Neubau von Kernkraftwerken

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, plädiert dafür, die Entwicklung neuer Generationen von Atomkraftwerken weiter zu betreiben. Zwar wolle ein Großteil der Bevölkerung keine neuen Atomkraftwerke, dennoch müssten man weiter an neuen Techniken zur Nutzung der Kernkraft arbeiten. Dieser Entwicklung dürfe man sich nicht verschließen.

Kurt Lauk im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Kernenergie kann man auf Dauer nur nutzen, wenn eine Mehrheit der Menschen sie akzeptiert. Das ist aber seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall und daran wird sich auch nichts mehr ändern. So hat es der neue Umweltminister, Norbert Röttgen, gegenüber der "Bild"-Zeitung formuliert und damit den Ausstieg aus der Atomkraft für unumkehrbar erklärt. Ist das ein neuer Tonfall, eine neue Tonlage innerhalb der Union? – Wir wollen jetzt darüber mit Kurt Lauk sprechen, mit dem Präsidenten des Wirtschaftsrates der CDU. Guten Tag.

    Kurt Lauk: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Lauk, einverstanden mit der Einschätzung Ihres Ministers in der "Bild"- Zeitung?

    Lauk: Zunächst mal ist es richtig, in Deutschland – und hier muss man betonen in Deutschland; in anderen europäischen Ländern sieht es ja durchaus anders aus, was die öffentliche Akzeptanz angeht – haben wir im Moment keine Mehrheit in der Bevölkerung für den Neubau von Kernkraftwerken. Wir haben nach wie vor einen Konsens, dass die laufenden Kernkraftwerke, die sicher laufen, genutzt werden. Sonst hätten wir sie ja schon abschalten müssen. Insofern ist eigentlich die Frage, wie wir in Zukunft mit der Kernkraft umgehen, nachdem andere Länder um uns herum sich entschlossen haben, neue Kraftwerke zu bauen. Es ist aber mit Sicherheit richtig, was der Minister Röttgen sagt, dass, wenn es keine Akzeptanz in der Bevölkerung gibt, die Politik darauf reagieren muss.

    Barenberg: Sie machen aber eine Einschränkung und sagen, im Moment gäbe es keine Akzeptanz. Das heißt, Sie würden eher dafür plädieren, dafür zu werben, die Akzeptanz für die Atomkraft wieder zu erhöhen?

    Lauk: Wir haben eine grundsätzliche Wahl. Wir müssen entweder die Grundlast – und darum geht es mit den Großkraftwerken – durch Kohle herstellen, die CO2 emittieren und damit das Klima schädigen, oder aber CO2-freundliche Kernkraftwerke, die heute sicher laufen, weiterbeschäftigen. Das ist die Grundsatzfrage. Wir haben also die Wahl zwischen Klimaschutz auf der einen Seite und einer komplizierten Technologie, die wir die letzten 50 Jahre nachgewiesen haben, dass wir sie sicher beherrschen, weiterlaufen zu lassen. Das ist die Wahl.

    Barenberg: Und der Minister hat sich gegen den Klimaschutz ausgesprochen?

    Lauk: Der Minister hat sich mit Sicherheit nicht gegen den Klimaschutz ausgesprochen, sondern festgestellt, dass die Bevölkerung im Moment auf der einen Seite nicht für eine Abschaltung der Kernkraftwerke plädiert – sonst müssten wir das morgen tun.

    Barenberg: Er hat gesagt "auf Dauer", Herr Lauk.

    Lauk: Auf Dauer bedeutet, wir können im Moment keine neuen Kernkraftwerke bauen, und das ist mit Sicherheit richtig, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern.

    Barenberg: Kann man den Atomausstieg zurücknehmen, wurde Röttgen gefragt, und die Antwort war ganz glasklar: "Nein!".

    Lauk: Das ist richtig. Ich sage mal, das würde ja bedeuten, dass wir, wenn wir den Ausstieg zurücknehmen, neu einsteigen in die Kernkraft. Dafür gibt es im Moment überhaupt keinen Konsens. Es gibt aber die Möglichkeit, dass wir bestehende, sicher laufende Kernkraftwerke weiterlaufen lassen, und darum geht es eigentlich, und das hat er im Prinzip nicht abgelehnt.

    Barenberg: Kernkraft ist eine sichere und gleichzeitig die kostengünstigste CO2-freie Energiequelle. Forschung und Entwicklung für eine nächste Generation von Kernkraftwerken dürfen kein Tabu sein. Das haben Sie, Herr Lauk, gesagt, auch gegenüber der "Bild"-Zeitung. Kaum ein Jahr ist das her. Gilt das alles jetzt nicht mehr, was die Position der CDU angeht?

    Lauk: Doch, das gilt. Das gilt nach wie vor. Der Wirtschaftsrat hat sich klar dazu bekannt. Es gibt große Energieversorger in der Bundesrepublik, die sich an neuen Kernkraftwerken in England und in Finnland beteiligen. Es gibt neue Technologien, die in Frankreich gebaut werden. Die Länder um uns herum forschen an der Kernkraft. Wir sollten uns dem im Prinzip nicht verschließen und wenn wir eine neue Generation finden, die noch sicherer ist als die jetzige Generation, sollten wir das neu überlegen und mit der Bevölkerung in einen Diskurs treten, ob die Bereitschaft besteht, diese Technologie auch bei uns zu nutzen, nachdem sie in anderen Ländern wie Finnland, Frankreich und England um uns herum genutzt wird.

    Barenberg: Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab, so heißt es allerdings im Regierungsprogramm der Union. Da sind Sie aber anderer Meinung?

    Lauk: Im Moment gibt es dafür keinen Konsens und die Technologie, die wir dazu brauchen, die ist noch in den Anfängen. Wir müssen warten, was in Finnland mit der neuen Technologie und in Frankreich geschieht, und dann können wir uns über diese Frage neu unterhalten.

    Barenberg: Noch etwas anderes hat der Minister ja durchblicken lassen, nämlich dass er nicht davon ausgeht, dass wir billig Energie bekommen, wenn wir die Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, weiter jedenfalls als derzeit geplant. Das ist ja auch eine etwas andere Position, als man sie zuvor gehört hat, denn da war ja ein Argument für die Verlängerung der Laufzeiten immer, dass man dann billigere Energie der Bevölkerung zur Verfügung stellen könnte. Also auch da eine Abkehr von bisherigen Positionen?

    Lauk: Nein. Durch die verstärkten Auflangen zur Sicherheit, die völlig in Ordnung sind, ist die Kernenergie mittlerweile etwa so teuer wie die Kohle. Das heißt, sie ist nicht mehr die billigste, aber gehört nach wie vor zu den zwei billigsten Energieträgern, die wir haben.

    Barenberg: Herr Lauk, nach Ihrer Einschätzung: Werden wir in 20 Jahren neue Atomkraftwerke in Deutschland haben?

    Lauk: Wir werden in Europa neue Kernkraftwerke haben, das mit Sicherheit, weil die schon im Bau sind. Ob wir in Deutschland dazu kommen, ist im Moment Kaffeesatz lesen. Ich würde mich dazu eigentlich nicht festlegen, würde aber dafür plädieren, dass wir unsere Forschung und Entwicklungen so wie bei allen erneuerbaren Energien wie Solar, Wind etc. wirklich verstärken, und dazu gehört auch das Thema Kernenergie oder Fusionstechnologie.

    Barenberg: Der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU heute Mittag hier im Deutschlandfunk im Gespräch. Vielen Dank, Kurt Lauk.

    Lauk: Gerne, Herr Jasper Barenberg.