Stefan Heinlein: Der Koalitionsgipfel vergangene Woche wahrte nur mühsam den Schein der Gemeinsamkeit. Doch unter der harmonischen Decke brodelt es gewaltig. Inhaltlich wachsen die Differenzen. Vor allem die SPD scheint fest entschlossen, dem Umfragetief durch eine deutliche Abgrenzung von der Union zu entkommen. Das soziale Profil der Partei soll geschärft werden, so das Anliegen der Genossen. "Früher in Rente - Fortsetzung der Altersteilzeit", so ein Beschluss heute Vormittag der SPD-Spitze. Trotz einiger Zustimmung vom Arbeitnehmerflügel der Union droht heftiger Streit innerhalb der Koalition.
Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk. Guten Tag!
Kurt Lauk: Guten Tag!
Heinlein: Herr Lauk, so viel sei verraten: Sie sind Anfang 60, Jahrgang 46. Wie lange wollen Sie arbeiten?
Lauk: Das ist, solange ich gesund bin, open ended, wenn man so schön auf Neudeutsch sagt. Solange es was zu tun gibt, solange man Beitrag leisten kann, solange die Erfahrung gebraucht wird, sehr gerne.
Heinlein: Können Sie dennoch nachvollziehen, dass manche Arbeitnehmer nicht einfach länger, unendlich, bis 67 oder länger arbeiten können, selbst wenn sie wollten?
Lauk: Wir haben ja zunächst mal ein gutes soziales Netz, das insgesamt den Leuten die Möglichkeit gibt, ihren Einsatz zu regulieren. Wir haben sehr vernünftige Unternehmer, die sagen, wenn einer wirklich nicht mehr kann, wir können auf seine Erfahrung nicht verzichten, wir geben ihm eine leichtere Aufgabe, wir halten das etwas flexibler mit der Arbeitszeit. Alles das ist heute möglich, so dass wir diesen Zickzack-Kurs der SPD nicht mitmachen können. Die SPD hat unter Müntefering die Rente mit 67 beschlossen, das in die Koalition hineingetragen und das mit durchgesetzt, und jetzt kommt ein Rückzieher. Das ist ein unverständlicher Zickzack-Kurs.
Hinzu kommt, dass es eine Aktion der SPD wieder mal zu Lasten der nächsten Generation ist. Es geht darum, für die jungen Leute Arbeitsplätze zu schaffen, und wir haben die Situation, dass die Altersteilzeit der Bundesanstalt für Arbeit 1,3 Milliarden im Jahr kostet. Wir könnten den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 0,2 Prozentpunkte senken, was wiederum bedeutet, dass wir 20.000 bis 30.000 zusätzliche reguläre Arbeitsplätze schaffen könnten. Insofern meine ich geht das insgesamt in die falsche Richtung und zeigt durchaus einen Realitätsverlust bei den Sozialdemokraten.
Heinlein: Aber die SPD hat ja genau einen Vorschlag, den Sie gerade genannt haben, aufgegriffen: Altersteilzeit nur, wenn die Unternehmen einen jungen Menschen einstellen für den dann ausscheidenden Mitarbeiter in Altersteilzeit. Damit wäre ja allen Seiten gedient.
Lauk: Die SPD läuft aber völlig an den klaren Erkenntnissen über die demographische Lage in unserer Gesellschaft vorbei. Auf der einen Seite können wir auf die älteren erfahrenen Arbeitnehmer nicht verzichten. Die Betriebe brauchen die dringend. Gleichzeitig laufen wir aufgrund der demographischen Entwicklung in einen Mangel an neuen jungen Leuten als Nachwuchskräfte hinein. Das heißt das eine ist nicht Ersatz des anderen. Wir können beides, wir müssen beides miteinander verbinden, sowohl die erfahrenen Leute im Betrieb halten als auch junge Leute einstellen. Beides ist möglich.
Heinlein: Was ist denn der Grund, dass derzeit so viele Menschen über 55 auf der Straße stehen? Viele Unternehmen scheinen ja ganz bewusst zu verzichten auf die Erfahrung älterer Arbeitnehmer.
Lauk: Das tut vielen Unternehmen mittlerweile weh. Hier nehmen die älteren Menschen die Möglichkeit wahr, die ihnen der Sozialstaat bietet. Das ist allerdings auf Kosten der nächsten Generation. Es muss ja bezahlt werden. Das bezahlen dann die, die in Arbeit sind. Die Betriebe haben das wahrgenommen, weil wir teilweise vor dem Aufschwung, bevor die deutsche Industrie und die Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben, in der Situation waren, dass die Unternehmen auf diese Kräfte verzichtet haben. Wir sind wieder Exportweltmeister. Der Auftrags-Boom ist da. Wir brauchen jeden, der gut ausgebildet ist, gerade auch in der globalisierten Welt und für die Stärke der deutschen Industrie und des Mittelstandes.
Heinlein: Sie sagen "Man braucht jeden". Können Sie sich denn vorstellen, dass es Berufe gibt, wo man Ausnahmen macht, wo man sagt beim besten Willen, der Arbeitnehmer kann nicht bis 67 arbeiten?
Lauk: Das gibt es ja jetzt schon. Ich sage mal da gibt es eine Vielzahl von Beispielen, dass man leicht aus dem aktiven Arbeitsleben hinausgeht. Da gibt es vielfältige Möglichkeiten, die vorgesehen sind. Die bleiben erhalten; die sind damit nicht gefährdet.
Heinlein: Herr Lauk, der Arbeitnehmerflügel Ihrer Partei - die CDA - hat dies ja genau aufgegriffen und hält zumindest den Gedanken einer Teilrente ab 67 für sinnvoll. Könnten sich Union und SPD auf diesen Plan verständigen, vielleicht als Kompromiss in dieser heiklen Frage?
Lauk: Nein. Ich glaube wir sollten hier Kurs halten. Wir sollten hier ganz klaren Kurs halten. Wir haben eine Vielzahl von Gründen. Der demographische Grund ist ein Grund. Das viele Geld, das der nächsten Generation abhanden kommt beziehungsweise von ihr aufgebracht werden muss, ist ein zweiter Grund. Und wir brauchen eigentlich auch Verlässlichkeit in den Rahmenbedingungen. Wir können mit der Industrie, mit unseren Unternehmen keinen Zickzack-Kurs fahren, wie die SPD das möchte.
Heinlein: Gibt es einen Streit zwischen dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel in Ihrer Partei in dieser Frage? Offensichtlich scheint das ja der Fall zu sein.
Lauk: Wir haben verschiedentlich Meinungsunterschiede, die wir dann aber gemeinsam auch lösen können. Wir haben uns damals auf das Modell geeinigt, die Altersteilzeit 2009 auslaufen zu lassen. Dieser Beschluss hat nach wie vor seine sachliche Berechtigung und ich bin sicher, dass wir wieder dahin kommen, dass wir uns an Beschlüsse halten.
Heinlein: Teilen Sie die Auffassung von Christian Wulff? Er sagt ja, die SPD-Pläne für Altersteilzeit seien ein Bruch des Koalitionsvertrages.
Lauk: Das ist eindeutig so! Die ursprüngliche Vereinbarung der Großen Koalition sieht eindeutig vor, dass die staatlich geförderte Altersteilzeit 2009 auslaufen soll. Hier ist der Koalitionsfrieden in Frage gestellt, wenn die SPD diesen Kurs fortsetzt.
Heinlein: Also Schluss mit der Koalition, wenn die SPD auf der Umsetzung dieser Pläne beharrt?
Lauk: Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Die SPD wird sich besinnen müssen, um die vereinbarten Koalitionsvereinbarungen auch mal einzuhalten.
Heinlein: Haben Sie Angst, von der SPD in dieser wichtigen sozialen Frage in die unsoziale Ecke gestellt zu werden?
Lauk: Überhaupt nicht! Die großen sozialen Errungenschaften in dieser Republik sind alle auf Initiative der CDU entstanden. Die kostentreibenden Elemente wurden von der SPD hinzugefügt. Die können wir uns nicht mehr leisten.
Heinlein: Aber viele Rentner wählen die CDU und könnten nun vielleicht mal umdenken, wenn sie die SPD-Pläne genau lesen?
Lauk: Ich spreche mit vielen Rentnern und die Vernunft bei den älteren Arbeitnehmern ist ausgesprochen hoch. Viele wollen auch länger arbeiten. Die haben auch die Verantwortung für die nächste Generation erkannt. Insofern habe ich davor überhaupt keine Angst, wenn ich die Stimmung bei den zukünftigen Rentnern, bei den erfahrenen Arbeitnehmern richtig lese.
Heinlein: Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Lauk, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Lauk: Auf Wiederhören! Danke sehr!
Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk. Guten Tag!
Kurt Lauk: Guten Tag!
Heinlein: Herr Lauk, so viel sei verraten: Sie sind Anfang 60, Jahrgang 46. Wie lange wollen Sie arbeiten?
Lauk: Das ist, solange ich gesund bin, open ended, wenn man so schön auf Neudeutsch sagt. Solange es was zu tun gibt, solange man Beitrag leisten kann, solange die Erfahrung gebraucht wird, sehr gerne.
Heinlein: Können Sie dennoch nachvollziehen, dass manche Arbeitnehmer nicht einfach länger, unendlich, bis 67 oder länger arbeiten können, selbst wenn sie wollten?
Lauk: Wir haben ja zunächst mal ein gutes soziales Netz, das insgesamt den Leuten die Möglichkeit gibt, ihren Einsatz zu regulieren. Wir haben sehr vernünftige Unternehmer, die sagen, wenn einer wirklich nicht mehr kann, wir können auf seine Erfahrung nicht verzichten, wir geben ihm eine leichtere Aufgabe, wir halten das etwas flexibler mit der Arbeitszeit. Alles das ist heute möglich, so dass wir diesen Zickzack-Kurs der SPD nicht mitmachen können. Die SPD hat unter Müntefering die Rente mit 67 beschlossen, das in die Koalition hineingetragen und das mit durchgesetzt, und jetzt kommt ein Rückzieher. Das ist ein unverständlicher Zickzack-Kurs.
Hinzu kommt, dass es eine Aktion der SPD wieder mal zu Lasten der nächsten Generation ist. Es geht darum, für die jungen Leute Arbeitsplätze zu schaffen, und wir haben die Situation, dass die Altersteilzeit der Bundesanstalt für Arbeit 1,3 Milliarden im Jahr kostet. Wir könnten den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 0,2 Prozentpunkte senken, was wiederum bedeutet, dass wir 20.000 bis 30.000 zusätzliche reguläre Arbeitsplätze schaffen könnten. Insofern meine ich geht das insgesamt in die falsche Richtung und zeigt durchaus einen Realitätsverlust bei den Sozialdemokraten.
Heinlein: Aber die SPD hat ja genau einen Vorschlag, den Sie gerade genannt haben, aufgegriffen: Altersteilzeit nur, wenn die Unternehmen einen jungen Menschen einstellen für den dann ausscheidenden Mitarbeiter in Altersteilzeit. Damit wäre ja allen Seiten gedient.
Lauk: Die SPD läuft aber völlig an den klaren Erkenntnissen über die demographische Lage in unserer Gesellschaft vorbei. Auf der einen Seite können wir auf die älteren erfahrenen Arbeitnehmer nicht verzichten. Die Betriebe brauchen die dringend. Gleichzeitig laufen wir aufgrund der demographischen Entwicklung in einen Mangel an neuen jungen Leuten als Nachwuchskräfte hinein. Das heißt das eine ist nicht Ersatz des anderen. Wir können beides, wir müssen beides miteinander verbinden, sowohl die erfahrenen Leute im Betrieb halten als auch junge Leute einstellen. Beides ist möglich.
Heinlein: Was ist denn der Grund, dass derzeit so viele Menschen über 55 auf der Straße stehen? Viele Unternehmen scheinen ja ganz bewusst zu verzichten auf die Erfahrung älterer Arbeitnehmer.
Lauk: Das tut vielen Unternehmen mittlerweile weh. Hier nehmen die älteren Menschen die Möglichkeit wahr, die ihnen der Sozialstaat bietet. Das ist allerdings auf Kosten der nächsten Generation. Es muss ja bezahlt werden. Das bezahlen dann die, die in Arbeit sind. Die Betriebe haben das wahrgenommen, weil wir teilweise vor dem Aufschwung, bevor die deutsche Industrie und die Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben, in der Situation waren, dass die Unternehmen auf diese Kräfte verzichtet haben. Wir sind wieder Exportweltmeister. Der Auftrags-Boom ist da. Wir brauchen jeden, der gut ausgebildet ist, gerade auch in der globalisierten Welt und für die Stärke der deutschen Industrie und des Mittelstandes.
Heinlein: Sie sagen "Man braucht jeden". Können Sie sich denn vorstellen, dass es Berufe gibt, wo man Ausnahmen macht, wo man sagt beim besten Willen, der Arbeitnehmer kann nicht bis 67 arbeiten?
Lauk: Das gibt es ja jetzt schon. Ich sage mal da gibt es eine Vielzahl von Beispielen, dass man leicht aus dem aktiven Arbeitsleben hinausgeht. Da gibt es vielfältige Möglichkeiten, die vorgesehen sind. Die bleiben erhalten; die sind damit nicht gefährdet.
Heinlein: Herr Lauk, der Arbeitnehmerflügel Ihrer Partei - die CDA - hat dies ja genau aufgegriffen und hält zumindest den Gedanken einer Teilrente ab 67 für sinnvoll. Könnten sich Union und SPD auf diesen Plan verständigen, vielleicht als Kompromiss in dieser heiklen Frage?
Lauk: Nein. Ich glaube wir sollten hier Kurs halten. Wir sollten hier ganz klaren Kurs halten. Wir haben eine Vielzahl von Gründen. Der demographische Grund ist ein Grund. Das viele Geld, das der nächsten Generation abhanden kommt beziehungsweise von ihr aufgebracht werden muss, ist ein zweiter Grund. Und wir brauchen eigentlich auch Verlässlichkeit in den Rahmenbedingungen. Wir können mit der Industrie, mit unseren Unternehmen keinen Zickzack-Kurs fahren, wie die SPD das möchte.
Heinlein: Gibt es einen Streit zwischen dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel in Ihrer Partei in dieser Frage? Offensichtlich scheint das ja der Fall zu sein.
Lauk: Wir haben verschiedentlich Meinungsunterschiede, die wir dann aber gemeinsam auch lösen können. Wir haben uns damals auf das Modell geeinigt, die Altersteilzeit 2009 auslaufen zu lassen. Dieser Beschluss hat nach wie vor seine sachliche Berechtigung und ich bin sicher, dass wir wieder dahin kommen, dass wir uns an Beschlüsse halten.
Heinlein: Teilen Sie die Auffassung von Christian Wulff? Er sagt ja, die SPD-Pläne für Altersteilzeit seien ein Bruch des Koalitionsvertrages.
Lauk: Das ist eindeutig so! Die ursprüngliche Vereinbarung der Großen Koalition sieht eindeutig vor, dass die staatlich geförderte Altersteilzeit 2009 auslaufen soll. Hier ist der Koalitionsfrieden in Frage gestellt, wenn die SPD diesen Kurs fortsetzt.
Heinlein: Also Schluss mit der Koalition, wenn die SPD auf der Umsetzung dieser Pläne beharrt?
Lauk: Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Die SPD wird sich besinnen müssen, um die vereinbarten Koalitionsvereinbarungen auch mal einzuhalten.
Heinlein: Haben Sie Angst, von der SPD in dieser wichtigen sozialen Frage in die unsoziale Ecke gestellt zu werden?
Lauk: Überhaupt nicht! Die großen sozialen Errungenschaften in dieser Republik sind alle auf Initiative der CDU entstanden. Die kostentreibenden Elemente wurden von der SPD hinzugefügt. Die können wir uns nicht mehr leisten.
Heinlein: Aber viele Rentner wählen die CDU und könnten nun vielleicht mal umdenken, wenn sie die SPD-Pläne genau lesen?
Lauk: Ich spreche mit vielen Rentnern und die Vernunft bei den älteren Arbeitnehmern ist ausgesprochen hoch. Viele wollen auch länger arbeiten. Die haben auch die Verantwortung für die nächste Generation erkannt. Insofern habe ich davor überhaupt keine Angst, wenn ich die Stimmung bei den zukünftigen Rentnern, bei den erfahrenen Arbeitnehmern richtig lese.
Heinlein: Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Lauk, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Lauk: Auf Wiederhören! Danke sehr!