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Laumann: Kurzarbeit um Auftragseinbrüche zu überbrücken

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von 18 auf 24 Monate begrüßt. Dadurch könnten die Facharbeiter in den Unternehmen gehalten werden, bis die Krise überwunden sei. Für den Staat sei die Kurzarbeitsregelung nicht teurer, als wenn die Menschen sofort entlassen würden, betonte Laumann.

Karl-Josef Laumann mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Steuerausfälle in dreistelliger Milliardenhöhe in den kommenden Jahren, wirtschaftlicher Einbruch von sechs Prozent, das sind die Rahmendaten, die der Wirtschaftskrise hierzulande nun Gestalt geben. Die Bundesregierung stemmt sich dagegen, heute mit einem weiteren Schritt, der schon Ende April verabredet worden ist mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die Regeln für die Kurzarbeit sollen noch einmal ausgeweitet werden. Ursprünglich nur auf sechs Monate angelegt und zwischendurch auf 18 Monate verlängert, soll Kurzarbeitergeld künftig bis zu zwei Jahre gezahlt werden können. Die Wirtschaftspolitik in der Krise auf dem richtigen Kurs? Das will ich in den kommenden Minuten mit dem nordrhein-westfälischen Arbeitsminister besprechen. Am Telefon ist das CDU-Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann. Guten Morgen!

    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen!

    Schulz: Wenn die Kurzarbeit jetzt auf zwei Jahre verlängert werden soll, heißt das, dass die Krise so lange noch dauern wird?

    Laumann: Das heißt das nicht unbedingt, aber wir geben den Firmen damit Sicherheit, dass sie nicht entlassen sollen, sondern uns ist natürlich als Staat viel lieber, dass die Menschen in den Firmen bleiben, dass sie nicht arbeitslos werden, dass die Firmen diese Problematik jetzt über Kurzarbeit überbrücken.

    Schulz: Das Kabinett berät heute über den Nachtragshaushalt 2009 in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr könnte der Bund sogar 90 Milliarden neue Kredite benötigen. Ist denn da Spielraum für solche Subventionen?

    Laumann: Ja, gut, es ist ja keine Subvention. Schauen Sie, ein Mensch, der kurzarbeitet, bekommt ja nicht mehr Geld, als wenn er arbeitslos wäre. Aber es ist doch ein Unterschied, ob man noch zu einer Firma dazugehört. Ich glaube, auch die Qualifikation der Menschen, wenn sie noch zwei Tage in der Woche zum Beispiel arbeiten und drei Tage Kurzarbeit machen, ist doch eine andere, als wenn man einfach ausgemustert wird. Deswegen glaube ich, wir haben ja alle die Erfahrung gemacht, dass wir vor wenigen Monaten noch zu wenig Facharbeiter hatten, und die Firmen denken doch heute so, dass sie sagen, mein Gott, diese Krise, die geht vorbei, aber wir brauchen unsere Fachleute und Fachleute kann man nur halten, wenn man sie auch in die Firma einbindet, wenn man sie nicht einfach freistellt. Deswegen, glaube ich, ist Kurzarbeit das richtige Instrument zur jetzigen Zeit, um Auftragseinbrüche, wie wir sie haben, zu überbrücken.

    Schulz: Umgekehrt argumentiert: Rund drei Milliarden Euro sollen zusätzlich in das Geld für Kurzarbeit fließen. Wenn die Arbeitsplätze dann nach der Kurzarbeit auslaufen, verloren gehen, was ist dann erreicht?

    Laumann: Ja, gut, aber Kurzarbeit ist auf jeden Fall für den Staat keinen einzigen Euro teuerer, als wenn die Leute sofort entlassen werden, denn noch einmal: Ein Kurzarbeiter bekommt ja nicht mehr als das Arbeitslosengeld. Aber Arbeitslosengeld meinetwegen an zwei Tagen in der Woche und drei Tage in der Woche arbeiten ist natürlich auch für die Leute noch ein höheres Gehalt, als wenn sie nur Arbeitslosengeld haben.

    Schulz: Für viele mittelständische Betriebe ist die Kurzarbeit allerdings keine Option. Verstehen Sie es, dass sich der Eindruck breit macht, die Großen sind wichtig, aber die Mittelständler sind der Großen Koalition egal?

    Laumann: Das kann ich aus Sicht des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers überhaupt nicht bestätigen, denn es machen auch viele kleine Firmen, es machen auch viele mittelständische Firmen Kurzarbeit, denn wir haben ja die gesamten Kosten, die mit Kurzarbeit zusammenhängen, als Staat übernommen. Das heißt also, auch eine kleine Firma kann das genauso gut machen wie eine große Firma.

    Schulz: Ich habe die Zahlen gerade schon zitiert. Täuscht der Eindruck, dass die Größenordnung "Milliarde Euro" in Berlin keine beeindruckende Größe mehr ist?

    Laumann: Es ist sicherlich eine beeindruckende Größenordnung, aber hier geht es ja darum, dass wir einen Schutzschirm spannen für Arbeitsverhältnisse, wir einen Schutzschirm spannen für Arbeitnehmer, wir einen Schutzschirm spannen für Beschäftigung, und ich finde, das gehört jetzt in der Krise genauso dazu wie der Schutzschirm für die Banken.

    Schulz: Und wann gilt dann wieder das Wort Ludwig Erhards, das Wort vom Maßhalten?

    Laumann: Ich glaube, dass Kurzarbeit genau das richtige ist, um Maß zu halten, nämlich dass wir sagen, es ist doch besser, dass ein Mensch in der Firma bleibt, in der Betriebsgemeinschaft bleibt, als dass er einfach freigestellt wird.

    Schulz: Wenn wir den Blick lösen von der Kurzarbeit, auch zuwenden auf die Milliarden-Schutzschirme. Wenn der Staat jetzt mit Milliarden in der Wirtschaft so mitmischt, droht dann nicht auch die Akzeptanz des Modells Marktwirtschaft zu bröckeln?

    Laumann: Wir haben ja nicht in Deutschland eine Marktwirtschaft, sondern wir haben eine soziale Marktwirtschaft und zur sozialen Marktwirtschaft gehört auch, dass wir jetzt in dieser Krise, die ja niemand hier zu verantworten hat, sondern die ja auf uns gekommen ist, weil in anderen Ländern eine absolute Marktwirtschaft geherrscht hat, wo ja es keine Regeln gab, dass wir in dieser Situation sagen, wir haben auch einen bestimmten Ordnungsrahmen, wir haben auch einen bestimmten Sozialrahmen in dieser Marktwirtschaft, das entspricht doch gerade dem deutschen Modell.

    Schulz: Und wenn wir jetzt den Blick noch ganz konkret werfen auf das Thema, das heute in Berlin ansteht: Heute läuft die Frist für mögliche Opel-Investoren ab, die sich mit ihrem Konzept bewerben wollen. Gestern hat es Verabredungen gegeben für eine Brückenfinanzierung zwischen Bundesregierung und den Ländern. Können Sie etwas dazu sagen? Wie soll das genau aussehen?

    Laumann: Nein, da kann ich jetzt gar nichts zu sagen, sondern es geht doch darum, dass wir in dieser Krise unsere industriellen Kerne behalten müssen. Wenn wir sie einmal los sind, wenn wir sie nicht mehr haben, stehen sie auch für Beschäftigung nach der Krise nicht zur Verfügung, und die Bundesrepublik Deutschland ist nun mal ein Industrieland. Wir sind ein Land, was exportorientiert ist. Dieser Situation haben wir im Übrigen unseren Wohlstand zu verdanken und ich finde, wir dürfen nach der Krise eben in dieser Frage nicht strukturell geschwächt sein.

    Schulz: Wann rechnen Sie mit Gewissheit für die rund 5000 Opel-Mitarbeiter in Bochum in NRW?

    Laumann: Das kann ich heute Morgen nicht beurteilen.

    Schulz: Und wenn es diese Gewissheit geben sollte, um da weiter zu spekulieren. Dass der Staat Milliarden in ein Unternehmen steckt, das derzeit oder auch in den letzten Jahren keine Waren und Produkte angeboten hat, die die Leute kaufen wollten, wie passt dies dann mit den Maßstäben zusammen, die Sie gerade gezeichnet haben?

    Laumann: Ach wissen Sie, Sie wissen doch ganz genau, dass Opel einer der besten Autobauer mit in Deutschland ist, und Sie wissen, dass das Opel-Netz alleine bei uns in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen über 40.000 Mitarbeiter hat. Da kann man nicht einfach davon reden und sagen, Opel hat keine guten Autos gebaut. Opel gehört zu den Kernelementen der deutschen Wirtschaft, zu Kernelementen des deutschen Automobilbaus, und ich bin schon der Meinung, dass wir auch diese Kernelemente schützen müssen.

    Schulz: Woher nehmen Sie die Informationen? Die Zahlenlage von General Motors Europe ist ja eher bedrückend.

    Laumann: Es ist doch so, dass wir gute Opel-Werke in Deutschland haben, die gute Autos gebaut haben. Wir haben ein gutes Opel-Vertragsnetz und ich finde schon, wenn es eine Möglichkeit gibt, diese über die Krise zu retten, dass das für die Arbeitnehmer, aber auch für die Wirtschaftskraft in Deutschland eine gute Sache ist.

    Schulz: Das heißt, dass Opel auch ohne Investor gerettet werden müsste?

    Laumann: Nein! Man braucht immer einen Investor, denn der Staat kann nicht selber Autos bauen.

    Schulz: Aber dann verstehe ich die Konsequenz nicht, wenn Sie sagen, Opel baue gute Autos und müsse grundsätzlich gestützt werden und die Investorenfrage doch aber offensichtlich mit diesem Ringen verbunden ist. Wie passt das zusammen?

    Laumann: Es ist doch so: Der Staat kann doch nicht selber eine Firma führen, sondern der Staat kann sich bemühen, Investoren für eine Firma zu finden. Der Staat kann auch Investoren ein Stück weit unterstützen, indem er zum Beispiel Bürgschaften gibt. Aber wir haben ja in Deutschland keine Staatswirtschaft, sondern wir haben eine Wirtschaft, in der Unternehmer am Markt agieren. Aber es ist ein ganz normales Mittel der sozialen Marktwirtschaft, dass der Staat zum Beispiel bestimmte Investments auch unterstützt, indem man bestimmte Bürgschaften gibt, und darüber überlegen wir zurzeit in Deutschland, eine unserer wichtigsten Firmen zu retten.

    Schulz: Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen und CDU-Präsidiumsmitglied, heute Morgen in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Laumann: Danke schön! Auf Wiederhören.