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Laumann stimmte gegen Modell der Herzog-Kommisson

Meurer: Gegen das Modell der Herzog-Kommission votiert hat neben Hermann-Josef Arentz von den Sozialausschüssen auch Karl Josef Laumann, der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Herr Laumann, haben Sie sich gestern im Vorstand ziemlich einsam gefühlt? Nur Sie und Kollege Arentz gegen den Rest der Partei?

    Laumann: Ich habe mir natürlich schon gewünscht, dass wir ein paar Stimmen mehr gehabt hätten. Das ist keine angenehme Situation, in der man in solchen Stunden ist. Aber ich sage Ihnen als jemand, der aus der katholischen Soziallehre heraus Politik macht: der Kampf für kleine Leute war oft ein einsamer, aber in der Geschichte eigentlich immer erfolgreich.

    Meurer: Gehen die kleinen Leute vor die Hunde, wie Arentz sagt?

    Laumann: Das will ich nicht sagen. Mir geht es jetzt um eines: die Mehrheit im Bundesvorstand und die Herzog-Kommission haben gesagt, wir steigen bei der Krankenkasse um in ein Prämienmodell. Das bedeutet, dass untere und mittlere Einkommen erheblich stärker belastet werden, als höhere Einkommen. Die Kollegen, die das wollen, sagen, wir machen einen steuerfinanzierten Sozialausgleich. Und was ich fordere ist, dass diese Kollegen sagen, mit welchen steuerpolitischen Instrumenten sie diesen Ausgleich denn machen wollen. Wir reden da über rund 36 Milliarden Euro und ich glaube wenn die jetzt mal gezwungen werden zu sagen, wie sie den Sozialausgleich denn machen wollen und wem sie das Geld für den Sozialausgleich wegnehmen wollen, dass dann das Prämienmodell auch ein stückweit entzaubert wird.

    Meurer: Nun haben sich ja gestern ziemlich viele Befürworter gemeldet. Haben die nicht gesagt, wie das Modell aussehen soll?

    Laumann: Nein. Es ist weder im Bundesvorstand noch in der Herzog-Kommission von irgendjemandem, der ein Prämienmodell will gesagt worden, mit welchen steuerpolitischen Instrumenten man das Geld für den Sozialausgleich herbeischaffen will. Ich finde, die müssten jetzt sagen, wo nehme ich 35 Milliarden im jetzigen Steuersystem weg, wen belaste ich damit, mit welchen Instrumenten, um den Sozialausgleich machen zu können.

    Meurer: Aber das heißt, wenn diese Frage geklärt wäre – und Roman Herzog setzt hier ja auf Wachstum und das Prinzip Hoffnung – dann könnten Sie sich mit dem Prämienmodell und der Kopfpauschale doch anfreunden?

    Laumann: Für diese beiden Prinzipien gebe ich den Sozialausgleich für die sozialen Sicherungssysteme nicht auf. Diejenigen, die diesen Systemwechsel und auch einen Sozialausgleich wollen für die kleinen Leute, müssen jetzt sagen, wie sie ihn finanzieren wollen. Wenn sie das nicht sagen, leisten sie einen Beitrag zur Politikverdrossenheit in Deutschland und zur Unglaubwürdigkeit von Politik.

    Meurer: Norbert Blüm, der frühere Arbeitsminister, geht ja soweit zu sagen, er findet sich in seiner Partei nicht mehr wieder. Wie geht es Ihnen?

    Laumann: Ach nein, ich fühle mich in dieser Partei schon sehr wohl und ich glaube auch, dass die CDU nach wie vor eine breite Volkspartei ist. Da unterscheide ich mich vielleicht ein bisschen von Norbert Blüm, ich sehe, dass die anderen den Sozialausgleich ja wollen. Sie haben es auch in der Herzog-Kommission immer wieder gesagt, wir sehen das Problem der kleinen Einkommen und natürlich muss es dafür einen Sozialausgleich geben, nur ich finde, dass sie jetzt sagen sollen, wie sie ihn finanzieren wollen. Ansonsten muss ich ja annehmen, dass es Lippenbekenntnisse sind.

    Meurer: Frau Merkel spricht von einem Paradigmenwechsel. Ändert sich Ihre Partei jetzt unter Frau Merkels Führung?

    Laumann: Ich glaube nicht, dass sich meine Partei verändert. Es ist klar, das Land verändert sich, die Bevölkerungsstruktur auch und deshalb brauchen wir sicherlich immer wieder andere politische Antworten. Es ist völlig legitim, auch neue Dinge anzupacken. Aber ich bleibe dabei: wir brauchen in einem Land auch einen Sozialausgleich und diejenigen, die ihn über Prämienmodelle mit Steuerausgleich wollen, müssen sagen, wie sie dieses Steuermodell machen wollen. Meine Aufforderung ist einfach und an die Parteiführung der CDU: sagt uns, wo ihr die 36 Milliarden Euro für den Finanzausgleich hernehmen wollt.

    Meurer: Wenn die 36 Milliarden Euro da wären, dann würde eine neue Krankenversicherung nach dem Kopfpauschalenmodell nicht ungerechter sein, als bislang?

    Laumann: Man muss sehen, wo man sie wegnimmt, darauf bin ich ja gespannt. Wenn man sagt, der Arbeitgeberanteil, der ja ausgezahlt werden soll, soll der Steuer unterliegen, dann trifft man gerade die, denen man den Sozialausgleich geben will. Ich bleibe dabei, in den nächsten Tagen und Wochen müssen Angela Merkel, Laurenz Meyer, Friedrich Merz und andere sagen, wie sie diesen Steuerausgleich machen wollen.

    Meurer: Nun wird ja in Regionalkonferenzen darüber diskutiert und vermutlich auch gestritten werden, deswegen noch einmal zurück zum Eingang, dass eine breite Mehrheit im Vorstand gestern für das Herzog-Modell votiert hat. Haben da viele mit ja gestimmt, weil sie gesagt haben, ach ja, wir lassen mal Frau Merkel, es kommt ja doch alles ganz anders?

    Laumann: Ich kann nicht kommentieren, aus welchen Beweggründen die Kolleginnen und Kollegen zugestimmt haben. Ich kann nur sagen: in meiner politischen Laufbahn ist es das erste Mal, dass man einen Systemwechsel beschließt, ohne die Finanzierungsfrage zu lösen. Und das hat mich gestern schon sehr nachdenklich gemacht, vor allem, wenn dann Kollegen zustimmen, die bei jeder anderen Frage sagen: wie wollt ihr es denn bezahlen?

    Meurer: Das war Karl Josef Laumann, der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, vielen Dank für das Gespräch.