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Laurenz Meyer: Die Politik sollte keine Löhne festsetzen

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer, sieht im Postmindestlohn eine Wettbewerbsbehinderung. Er werde der Gesetzesänderung im Bundestag aber dennoch zustimmen. Entscheidend sei, dass der Mindestlohn nicht für Arbeitnehmer gelte, die nur gelegentlich Briefe zustellten, sagte Meyer.

    Elke Durak: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird heute wahrscheinlich etwas weniger geschlossen als sonst einer Änderung eines Gesetzes zustimmen: der Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Über abweichende Meinungen insbesondere aus dem Wirtschaftsflügel der Union zum Postmindestlohn - und um den handelt es sich - ist breit berichtet worden. Einer hat sich bisher ein ganz klein wenig zurückgehalten: der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Laurenz Meyer. Er ist am Telefon. Guten Morgen, Herr Meyer!

    Laurenz Meyer: Guten Morgen!

    Durak: Wie werden Sie denn nun abstimmen?

    Meyer: Ich werde heute Morgen dafür stimmen.

    Durak: Weshalb?

    Meyer: Mein Ziel war, dass ich mich in den letzten Tagen darum bemüht habe, dass die Regelung, die jetzt vorgesehen ist, dass die Arbeitnehmer, die ausschließlich Briefe zustellen, den Mindestlohn bekommen, ins Gesetz kommt. Das bedeutet nämlich, dass für die Firmen, die jetzt ab 1. Januar erst am Anfang des Wettbewerbs stehen und nur gelegentlich Briefe austragen, der Mindestlohn am Anfang nicht gilt, weil sie den am Anfang auch nicht verkraften können.

    Durak: Kritiker sagen, der Wettbewerb wird ausgehebelt durch einen so hohen Mindestlohn und die Deutsche Post bevorzugt.

    Meyer: Ja, das ist sicher richtig. Der Wettbewerb ist behindert durch diesen Posttarifvertrag. Hier ist ganz eindeutig der Punkt eingetreten, dass die Post aus ihrer bisherigen Monopolsituation heraus mit ver.di einen Tarifvertrag gemacht hat, der für ihre Verhältnisse gut ist. Für die anderen, wo bisher Löhne etwa in der Größenordnung von 7 Euro, 7,50 Euro gezahlt werden, ist das sicherlich ein Sprung, den sie nur schwer verkraften können. Das ist sicher hinderlich. Wir haben eine Situation, dass Wettbewerb hier schwerer zu Stande kommt, als wir das eigentlich wollten im Interesse der Verbraucher. Aber wir sind durch das Postgesetz seit zehn Jahren im Kern verpflichtet, für Mindestbedingungen auf diesem Postsektor zu sorgen. Das muss man auch beachten. Wir haben jetzt wenigstens im Gesetz die Bedingungen rechtlich klargestellt, auf die sich alle einstellen können. Das war mein Ziel. Darum habe ich mich bemüht, dass das nicht nur in dem Tarifvertrag steht, und das ist jetzt auch gelungen.

    Durak: Es gibt Kollegen von Ihnen, Herr Meyer, die sagen, sie stimmen mit Bauchschmerzen zu und nur um die Kanzlerin, die Bundesvorsitzende der CDU zu stützen. Tun Sie das auch deshalb?

    Meyer: Das gibt es sicher, aber ich glaube nicht, dass das der entscheidende Punkt ist. Der entscheidende Punkt ist wirklich, dass wir hier eine Sondersituation haben aus dem Postgesetz heraus, die uns seit zehn Jahren verpflichtet, dort für Regelungen zu sorgen. Wir haben im Übrigen das Dilemma als CDU-Abgeordnete, dass wir immer die Grundposition vertreten haben, dass die Lohnhöhe als solche eigentlich nur Sache der Tarifpartner ist. Die Politik soll sich nicht anmaßen, für die Zukunft Löhne festzusetzen. Das müssen die Tarifpartner machen. Wir müssen allerdings feststellen, dass hier im Postbereich die Tarifpartner - und insofern kann ich die Kritik einiger Kollegen gut nachvollziehen -, dass hier die Tarifpartner diese Lohnfestsetzung ein bisschen dazu missbraucht haben, die Wettbewerbssituation für die Zukunft im Interesse der Post zu beeinflussen.

    Durak: Die SPD ist richtig begeistert, glaube ich, denn sie will gesetzliche Regelungen für Zeit- und Leiharbeiter einführen und die Mindestlöhne auf weitere Branchen ausweiten, hat der Fraktionsvorsitzende Peter Struck gestern gesagt. Was werden Sie dem entgegenhalten, oder werden Sie mitziehen?

    Meyer: Die SPD hat - und das sieht man hier im Postbereich - immer das Augenmerk nahezu ausschließlich auf die, die heute schon Arbeit haben. Da kann ich die Begeisterung nicht ganz nachvollziehen. Es ist ganz sicher in Zukunft etwa im Postbereich schwieriger, für Leute, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit kommen, in den neuen Unternehmen Arbeitsplätze zu finden. Insofern kann ich das auch für zukünftige Branchen der SPD nur sagen: Wir müssen immer daran denken, dass wir einerseits für die, die heute Arbeit haben, die Situation verbessern, aber andererseits auch die Bedingungen aufrecht erhalten, dass Menschen, die heute noch arbeitslos sind, auch in Zukunft Arbeit finden können. In diesem Widerspruch müssen wir Politik machen, immer auch an die denken, die heute noch Arbeit suchen.

    Durak: Und was heißt das jetzt für den Mindestlohn? Werden Sie weitere Branchen mit einbeziehen?

    Meyer: Da wo es gegen ausländische Konkurrenz gilt, dafür zu sorgen, dass hier keine Dumpinglöhne Platz greifen, etwa wenn jetzt die Arbeitnehmerfreizügigkeit in den kommenden Jahren kommt, da wird man sicherlich Regelungen treffen müssen. Aber wir haben ja eine ganz klare Verabredung, dass das insbesondere für die Branchen gilt, in denen die Tarifbindung höher als 50 Prozent ist. Für die anderen Branchen muss man gucken, inwieweit man eine Absicherung nach unten braucht, denn Mindestlöhne oder Löhne von drei oder vier Euro, die will auch keiner von uns vertreten. Das ist nicht angemessen.

    Durak: Sie haben darauf verwiesen, die Politik soll sich im Prinzip zurückhalten. Aber droht hier nicht doch die schleichende Aushebelung der Tarifautonomie auf lange Sicht und von Branche zu Branche?

    Meyer: Das muss man sehen. Das muss man als Gefahr immer im Auge haben. Deswegen werden wir auch sehr vorsichtig und mit spitzen Fingern an dieses Thema heran gehen. Wir wollen nicht die Tarifpartner ersetzen. Wir wollen nicht, dass in Zukunft in Deutschland Löhne festgesetzt werden vom Gesetzgeber. Es ist so, dass in all den Bereichen, die hier mit zu niedrigen Löhnen beklagt worden sind, etwa bei den Friseuren in Teilen Ostdeutschlands, dass da die Gewerkschaften ja die Verträge mit unterschrieben haben. Bei solchen Situationen, wo Tarifverträge existieren, wollen wir auch in Zukunft nicht von der Politik her die Tarifverträge durch politische Entscheidungen ersetzen.

    Durak: Herr Meyer, lassen Sie uns noch kurz über Geld sprechen, wenn möglich, über Managergehälter. Ich habe heute in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen, dass die Justizministerin auch durchaus mit Unterstützung aus der Union gesetzliche Anreize für niedrigere Managervergütungen schaffen will. Es geht um mehr Transparenz. Gehören Sie zu denjenigen in der Union, die das unterstützen würden?

    Meyer: Wir wollen, dass die Aufsichtsräte hier ihre Verpflichtungen wahrnehmen. Zum Beispiel was die Bundeskanzlerin gesagt hat, dass sehr viele Menschen in Deutschland - dazu gehöre ich auch - kein Verständnis dafür haben, wenn ein Manager in seinem Unternehmen nicht erfolgreich war, Fehler gemacht hat, dann ausscheiden muss und dafür noch hohe Abfindungen kriegt, das können die allerwenigsten nachvollziehen. Ich denke mal, dass die Unternehmen hier, die Aufsichtsräte überlegen sollten, ob man nicht Vorstandsverträge in solchen Fällen anders konstruieren muss. Die Eigentümer und die Aufsichtsräte letztlich auch mit den Gewerkschaften zusammen in den Aufsichtsräten, die haben über die Verträge der Vorstände zu entscheiden. Das hat nicht der Gesetzgeber zu tun. Wir müssen auch sehen, dass wir uns hier bei erfolgreichen Managern nun wirklich nicht von irgendwelchen Neidgeschichten leiten lassen sollten. Ich höre heute Morgen in den Nachrichten, dass in England ein neuer Nationaltrainer gewählt worden ist, ein Italiener, der also da sechs, acht oder zehn Millionen Euro verdient. An der Stelle macht sich niemand Gedanken darüber, ob das wohl zu viel ist. Wenn ein erfolgreicher Manager da ist, der viele Tausend Arbeitsplätze schafft, dann kann der aus meiner Sicht so viel verdienen, wie die Eigentümer das eben wollen. Das ist nicht meine Geschichte. Diese Dinge, glaube ich ,werden auch den allerwenigsten wirklich störend aufstoßen.

    Durak: Soll es dafür Gesetze geben, dies zu ändern?

    Meyer: Nein, das glaube ich nicht. Die Lohnhöhe in diesen Bereichen werden wir sicherlich nicht per Gesetz festlegen wollen. Das kommt mit mir auf keinen Fall in Frage.

    Durak: War es richtig, Herr Meyer, dass Frau Merkel gegenüber den Arbeitgebern so deutlich geworden ist?

    Meyer: Ich finde, dass Frau Merkel bei den Arbeitgebern und bei den Gewerkschaften immer dann deutlich werden sollte, wenn es darum geht, für die Zukunft Bedingungen zu schaffen, dass in Deutschland das Gefühl vorherrscht, erstens es geht gerecht zu, und zweitens wir tun alles, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, um mehr Menschen in Brot zu bringen und insgesamt die Bedingungen für Deutschland zu verändern. Wir müssen doch sehen: Wir wollen wieder an die Spitze in Europa. Wir wollen, dass unsere Kinder auch in Zukunft in den Zukunftsbereichen Arbeitsplätze finden. Dazu muss noch vieles verändert werden in Deutschland.

    Durak: Das heißt das Gegrummel in der Unionsfraktion, in der CDU gegenüber dem Mindestlohn und auch gegenüber der Managerschelte, über das berichtet wurde, ist nicht so groß?

    Meyer: Wir müssen auch hier mal sehen, dass alles schön auf dem Teppich bleibt. Da gibt es unterschiedliche Strömungen. Die CDU ist eine ganz breite Volkspartei, und wenn man da mal grummelt, dann ist das sicher gut, damit die Bundeskanzlerin auch von der Stimmungslage in der Union weiß. Sie ist ja immer in der Fraktion und kriegt das deshalb hautnah mit. Ich glaube schon, dass sie das auch berücksichtigt, wenn sie ihre Entscheidungen trifft.