Bettina Klein: Die Bundesregierung will die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtern. Dafür soll ein gesetzlicher Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren für alle im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüsse geschaffen werden. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat die Pläne heute Vormittag der Presse vorgestellt.
Am Telefon begrüße ich Memet Kilic. Er ist der integrationspolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und damit ein Vertreter der Opposition. Guten Tag, Herr Kilic!
Memet Kilic: Guten Tag. Ich grüße Sie!
Klein: Wir haben gerade den Ansatz der CDU-Ministerin gehört. Ein Plan, den Sie voll und ganz unterstützen?
Kilic: Der Ansatz ist begrüßenswert. Die Bundesregierung hat aber nur ein Problem: Sie haben lauter nette Ankündigungen, die zu Kommissionen verwiesen werden. Was am Ende rauskommt - wir haben diese Erfahrung bereits gemacht -, ist eine restriktive Regelung mit lauter Ausnahmen. Wenn dieses Vorhaben auch so münden wird, haben wir und unsere Migranten ein Problem damit.
Klein: Was meinen Sie mit "restriktiver Regelung"? Wie ich es verstanden habe, soll die Anerkennung ja gerade erleichtert werden.
Kilic: Ja, das ist eine Absicht. Wir haben solche Absichten auf anderen Feldern schon erlebt. Man wollte ja auch zum Beispiel ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger einführen. Dafür hat man einen Prüfungsantrag vorgesehen damals in der Koalitionsvereinbarung; daraus wurde in vier Jahren nichts. Jetzt gibt es auch eine wunderbare Absicht, diese Absicht unterstützen wir. Selbstverständlich müssen die Qualifikationen, die im Ausland erworben sind, auch in einem Verfahren anerkannt werden. Dieses sollte nicht länger als sechs Monate andauern. Das ist auch unser Wunsch. Aber wie es bei Juristen oder wie bei Medizinern aussehen wird, werden wir gemeinsam sehen. Sie können sicher sein, dass unsere Länder irgendwie noch Meldungen geben werden: Das geht nicht, dies geht nicht, bei Aussiedlern dürfen wir das und bei Drittstaatlern dies nicht, wir können diejenigen den EU-Staatlern nicht gleichstellen. All diese Diskussionen werden wir leider erleben, weil die Union nette Ankündigungen braucht, aber keine Realisierung, keine Erleichterung für die Migrantinnen und Migranten.
Klein: Herr Kilic, wir werden natürlich abwarten müssen, was dann am Ende steht. Aber es wurde ja auch schon gerade angedeutet, es geht ja noch darum, Kriterien zu entwickeln. Das heißt, der Prozess ist gerade am Anfang. Welche Kriterien müssten denn entwickelt werden nach Ihrer Meinung, wenn es um die Anerkennung geht?
Kilic: Kriterien sollten folgende sein: Es gibt bestimmte Berufsfelder, wo dann klar ist, welche Inhalte in welchen Ländern abgearbeitet worden sind. Wenn die vergleichbar sind, müssen die dann sofort anerkennbar sein. Es gibt bestimmte Berufsfelder wie Juristen zum Beispiel, dort muss man schauen, inwieweit anerkennungsfähig ein im Ausland erworbenes Diplom ist, aber man muss auch diesen Menschen einen Rechtsanspruch einräumen, dass sie in einem Verfahren ihre Anerkennung nachholen können oder bestimmte Felder und Unterrichtsfelder noch nachholen können. Dies fehlt leider momentan und dies sind unsere Kriterien.
Ein weiteres Kriterium ist Transparenz. Momentan gibt es überhaupt keine Transparenz, weder auf der gesetzlichen Ebene, noch in der Praxis. Man weiß nicht, wie lange ein Antrag bearbeitet wird. Wir sind auch der Ansicht wie die Bundesregierung, dass diese Anerkennungsverfahren nicht länger als sechs Monate dauern sollten, damit die Bewerber eine Möglichkeit haben.
Klein: Die Transparenz ist sozusagen ja ein Ziel. Das wurde ja auch gerade im Beitrag deutlich. Bisher sei das Verfahren relativ undurchschaubar und unklar. Welche Gruppen sind denn besonders betroffen davon, welche Zuwanderer aus welchen Staaten?
Kilic: Die Zuwanderer aus Drittstaaten, sozusagen aus Nicht-EU-Staaten, sind besonders betroffen. Wir stellen fest, dass in der Praxis für Aussiedlerinnen und Aussiedler Ausnahmeregelungen geschaffen worden sind. Wir freuen uns natürlich für Aussiedlerinnen und Aussiedler, aber es leuchtet auch nicht ein, wenn die Menschen nur aufgrund dieses Status eine Erleichterung bekommen, aber die anderen, die zum Beispiel aus Iran oder Syrien oder aus der Türkei kommen, keine sogenannten Anerkennungsverfahren erleben dürfen. Die einfachen Handwerksberufe, selbst die haben Schwierigkeiten hier anerkannt zu werden, und besonders schwierig ist es auch für die Ärzte, obwohl wir einen Ärztemangel haben. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der Praxis: Ein Kosovo-Albaner, der ein guter Arzt war, hat sich bemüht, seinen Beruf hier anerkennen zu lassen. Er war bereit, bestimmte Fächer nachzuholen. Das war ihm nicht möglich. Wir haben aus dem Innenministerium von Baden-Württemberg eine Nachricht bekommen, er würde es ein bisschen leichter bekommen, wenn seine Ehegattin Deutsche wäre. Das ist doch kein fachliches Kriterium, Entschuldigung. Das ist nur sozusagen eine familiäre Angelegenheit. Diese Dinge sind unklar momentan in der Republik.
Klein: Herr Kilic, lassen Sie bitte noch mal nachfragen. Es muss doch aber gewährleistet sein, dass die Universitätsabschlüsse zum Beispiel, die Schulabschlüsse in irgendeiner Weise vergleichbar, kompatibel mit den Standards in Deutschland sind, und da gibt es doch sicherlich weltweit betrachtet riesengroße Unterschiede, auf die dann Rücksicht genommen werden muss.
Kilic: Auf jeden Fall. Ich bin auch der Meinung, aber die Menschen müssen wenigstens einen Anspruch darauf haben, dass sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Wenn am Ende dieses Anerkennungsverfahrens ein Bundesamt, ein zentral gelegtes Bundesamt - zum Beispiel Anerkennung für Bildungsabschlüsse in Bonn, da gab es so etwas für die universitären Angelegenheiten -, sagt, gut, wir können ihnen drei Jahre, also sechs Semester anerkennen und zwei Semester müssen sie noch nachholen oder sie müssen folgende Prüfung noch ablegen, das ist völlig in Ordnung. Also es ist nicht unser Anspruch, dass wir sagen, gleichgültig welche Qualität eine Ausbildung oder ein Universitätsabschluss hat, muss hier direkt anerkannt werden, aber die Migranten, die Zuwanderer müssen einen Anspruch unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, unabhängig von ihrer Nationalität oder Ehegattenposition hier einen Anspruch auf Anerkennung haben.
Klein: Abschließend, Herr Kilic, stellt sich die Frage, um wie viele Personen es eigentlich geht. Die Ministerin haben wir gerade gehört, die sagt, sie gehe davon aus, dass es Hunderttausende sind, deren Abschluss hier nicht anerkannt wird und das eigentlich nicht so sein müsste. Gibt es überhaupt gesicherte Zahlen?
Kilic: Gesicherte Zahlen sind nicht bekannt. Das sind womöglich die Menschen, die bei Arbeitsämtern ihre Qualifikationen irgendwie angegeben haben, um einen Nebenjob zu bekommen. Aber viele geben diese Qualifikation überhaupt nicht an, weil die sowieso nicht anerkannt werden und auch von Arbeitsämtern bei der Arbeitssuche nicht eingespeichert werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Zahl schon ungefähr 300.000 sein könnte.
Am Telefon begrüße ich Memet Kilic. Er ist der integrationspolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und damit ein Vertreter der Opposition. Guten Tag, Herr Kilic!
Memet Kilic: Guten Tag. Ich grüße Sie!
Klein: Wir haben gerade den Ansatz der CDU-Ministerin gehört. Ein Plan, den Sie voll und ganz unterstützen?
Kilic: Der Ansatz ist begrüßenswert. Die Bundesregierung hat aber nur ein Problem: Sie haben lauter nette Ankündigungen, die zu Kommissionen verwiesen werden. Was am Ende rauskommt - wir haben diese Erfahrung bereits gemacht -, ist eine restriktive Regelung mit lauter Ausnahmen. Wenn dieses Vorhaben auch so münden wird, haben wir und unsere Migranten ein Problem damit.
Klein: Was meinen Sie mit "restriktiver Regelung"? Wie ich es verstanden habe, soll die Anerkennung ja gerade erleichtert werden.
Kilic: Ja, das ist eine Absicht. Wir haben solche Absichten auf anderen Feldern schon erlebt. Man wollte ja auch zum Beispiel ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger einführen. Dafür hat man einen Prüfungsantrag vorgesehen damals in der Koalitionsvereinbarung; daraus wurde in vier Jahren nichts. Jetzt gibt es auch eine wunderbare Absicht, diese Absicht unterstützen wir. Selbstverständlich müssen die Qualifikationen, die im Ausland erworben sind, auch in einem Verfahren anerkannt werden. Dieses sollte nicht länger als sechs Monate andauern. Das ist auch unser Wunsch. Aber wie es bei Juristen oder wie bei Medizinern aussehen wird, werden wir gemeinsam sehen. Sie können sicher sein, dass unsere Länder irgendwie noch Meldungen geben werden: Das geht nicht, dies geht nicht, bei Aussiedlern dürfen wir das und bei Drittstaatlern dies nicht, wir können diejenigen den EU-Staatlern nicht gleichstellen. All diese Diskussionen werden wir leider erleben, weil die Union nette Ankündigungen braucht, aber keine Realisierung, keine Erleichterung für die Migrantinnen und Migranten.
Klein: Herr Kilic, wir werden natürlich abwarten müssen, was dann am Ende steht. Aber es wurde ja auch schon gerade angedeutet, es geht ja noch darum, Kriterien zu entwickeln. Das heißt, der Prozess ist gerade am Anfang. Welche Kriterien müssten denn entwickelt werden nach Ihrer Meinung, wenn es um die Anerkennung geht?
Kilic: Kriterien sollten folgende sein: Es gibt bestimmte Berufsfelder, wo dann klar ist, welche Inhalte in welchen Ländern abgearbeitet worden sind. Wenn die vergleichbar sind, müssen die dann sofort anerkennbar sein. Es gibt bestimmte Berufsfelder wie Juristen zum Beispiel, dort muss man schauen, inwieweit anerkennungsfähig ein im Ausland erworbenes Diplom ist, aber man muss auch diesen Menschen einen Rechtsanspruch einräumen, dass sie in einem Verfahren ihre Anerkennung nachholen können oder bestimmte Felder und Unterrichtsfelder noch nachholen können. Dies fehlt leider momentan und dies sind unsere Kriterien.
Ein weiteres Kriterium ist Transparenz. Momentan gibt es überhaupt keine Transparenz, weder auf der gesetzlichen Ebene, noch in der Praxis. Man weiß nicht, wie lange ein Antrag bearbeitet wird. Wir sind auch der Ansicht wie die Bundesregierung, dass diese Anerkennungsverfahren nicht länger als sechs Monate dauern sollten, damit die Bewerber eine Möglichkeit haben.
Klein: Die Transparenz ist sozusagen ja ein Ziel. Das wurde ja auch gerade im Beitrag deutlich. Bisher sei das Verfahren relativ undurchschaubar und unklar. Welche Gruppen sind denn besonders betroffen davon, welche Zuwanderer aus welchen Staaten?
Kilic: Die Zuwanderer aus Drittstaaten, sozusagen aus Nicht-EU-Staaten, sind besonders betroffen. Wir stellen fest, dass in der Praxis für Aussiedlerinnen und Aussiedler Ausnahmeregelungen geschaffen worden sind. Wir freuen uns natürlich für Aussiedlerinnen und Aussiedler, aber es leuchtet auch nicht ein, wenn die Menschen nur aufgrund dieses Status eine Erleichterung bekommen, aber die anderen, die zum Beispiel aus Iran oder Syrien oder aus der Türkei kommen, keine sogenannten Anerkennungsverfahren erleben dürfen. Die einfachen Handwerksberufe, selbst die haben Schwierigkeiten hier anerkannt zu werden, und besonders schwierig ist es auch für die Ärzte, obwohl wir einen Ärztemangel haben. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der Praxis: Ein Kosovo-Albaner, der ein guter Arzt war, hat sich bemüht, seinen Beruf hier anerkennen zu lassen. Er war bereit, bestimmte Fächer nachzuholen. Das war ihm nicht möglich. Wir haben aus dem Innenministerium von Baden-Württemberg eine Nachricht bekommen, er würde es ein bisschen leichter bekommen, wenn seine Ehegattin Deutsche wäre. Das ist doch kein fachliches Kriterium, Entschuldigung. Das ist nur sozusagen eine familiäre Angelegenheit. Diese Dinge sind unklar momentan in der Republik.
Klein: Herr Kilic, lassen Sie bitte noch mal nachfragen. Es muss doch aber gewährleistet sein, dass die Universitätsabschlüsse zum Beispiel, die Schulabschlüsse in irgendeiner Weise vergleichbar, kompatibel mit den Standards in Deutschland sind, und da gibt es doch sicherlich weltweit betrachtet riesengroße Unterschiede, auf die dann Rücksicht genommen werden muss.
Kilic: Auf jeden Fall. Ich bin auch der Meinung, aber die Menschen müssen wenigstens einen Anspruch darauf haben, dass sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Wenn am Ende dieses Anerkennungsverfahrens ein Bundesamt, ein zentral gelegtes Bundesamt - zum Beispiel Anerkennung für Bildungsabschlüsse in Bonn, da gab es so etwas für die universitären Angelegenheiten -, sagt, gut, wir können ihnen drei Jahre, also sechs Semester anerkennen und zwei Semester müssen sie noch nachholen oder sie müssen folgende Prüfung noch ablegen, das ist völlig in Ordnung. Also es ist nicht unser Anspruch, dass wir sagen, gleichgültig welche Qualität eine Ausbildung oder ein Universitätsabschluss hat, muss hier direkt anerkannt werden, aber die Migranten, die Zuwanderer müssen einen Anspruch unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, unabhängig von ihrer Nationalität oder Ehegattenposition hier einen Anspruch auf Anerkennung haben.
Klein: Abschließend, Herr Kilic, stellt sich die Frage, um wie viele Personen es eigentlich geht. Die Ministerin haben wir gerade gehört, die sagt, sie gehe davon aus, dass es Hunderttausende sind, deren Abschluss hier nicht anerkannt wird und das eigentlich nicht so sein müsste. Gibt es überhaupt gesicherte Zahlen?
Kilic: Gesicherte Zahlen sind nicht bekannt. Das sind womöglich die Menschen, die bei Arbeitsämtern ihre Qualifikationen irgendwie angegeben haben, um einen Nebenjob zu bekommen. Aber viele geben diese Qualifikation überhaupt nicht an, weil die sowieso nicht anerkannt werden und auch von Arbeitsämtern bei der Arbeitssuche nicht eingespeichert werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Zahl schon ungefähr 300.000 sein könnte.