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Leben der Mönche
Bildungsreisen der Benediktiner

Schon seit dem frühen Mittelalter reisten die Benediktinermönche nach Italien, um an den führenden Universitäten zu studieren und in Rom zu den Gräbern der Aposteln zu pilgern. In der Barockzeit wurden daraus dann große Bildungsreisen.

Von Alfried Schmitz | 03.09.2014
    Eine Benediktiner-Kutte
    Zuweilen schätzte man in Rom die deutschen Sprachkenntnisse der Mönche aus Sankt Gallen und setzte sie gerne ein, wenn sich zu bestimmen Anlässen wieder einmal besonders viele ausländische Pilger in der Heiligen Stadt befanden. (picture alliance / dpa / Erwin Elsner)
    "Das war eine Zeit, in der fähige Mönche nach Rom geschickt wurden", sagt der Kirchen-Historiker Peter Erhart, der das Reiseverhalten wissenschaftlich analysiert hat. Die Mönche hätten dabei Recht studiert und das Doktorat erworben. Andererseits nutzten die Mönche diese Zeit nach Erharts Worten, um eine Art "Grand Tour" zu machen - ähnlich wie weltliche Adelige, um Kultur, Land und Leute kennenzulernen.
    Für die Mönche waren solche Reisen nach Rom willkommene Abwechslungen vom tristen Klosterleben, das nach der strengen Regel der Benediktiner aus orare und laborare bestand, aus Beten und Arbeiten. Die Mönche, die von ihren Äbten nach Italien geschickt wurden, waren meist zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie mussten gesund und kräftig genug sein, um die Reisestrapazen auf dieser weiten Strecke zu überstehen.
    Aus Sicherheitsgründen machten sie sich immer zu zweit auf den weiten Weg, der sie zu Fuß über die Alpenpässe und schließlich mit Pferd und Wagen ins ferne Rom führte. Eine weitere wichtige Voraussetzung war, dass sie gefestigt im Glauben waren, denn die italienischen Städte lockten mit vielen Versuchungen.
    Die Verlockungen Roms
    Erhart sagt, die Mönche hätten sich ähnlich wie weltliche Touristen Palazzi angeschaut und in Rom verschiedene Arten von Festen miterlebt. "Da gab es die Quarantore, ein großes Fest während der Fastenzeit, da gab es Prozessionen, Büßerprozessionen und Pferderennen auf der Via del Corso. Der Karneval von Rom war ebenso bedeutend, wie der von Venedig."
    Auf ihrem Weg nach Rom, der einen ganzen Monat ihrer Reisezeit in Anspruch nahm, kamen die Mönche durch die Herzogtümer Piacenza, Parma und Modena, deren Städte und Sehenswürdigkeiten zum Verweilen und Betrachten einluden. Auch Bologna war eine Reiseetappe. Die Universitätsstadt gehörte damals, im 18. Jahrhundert, noch zum Territorium des Kirchenstaates.
    Dort boten sich den Mönchen aus Sankt Gallen Landsleute als Fremdenführer an. Geschäftstüchtige Schweizer Gardisten, die sich ihren Sold aufbessern wollten. Mit ihnen konnten die Mönche aus der Schweiz in ihrer Muttersprache parlieren. Mit anderen Mönchen immerhin auf Latein.
    Aber in Rom, dem Nabel der katholischen Welt, sah es mitunter anders aus, berichtet Erhart: "Wenn Sie in Rom, wie so oft, mal wieder bei einem Kardinal zu Gast waren, konnte es ihnen passieren, dass der sie zurecht weist und sagt, er möchte lieber auf Italienisch mit ihnen konversieren und sie sollen bitte drauf schauen, in dieser Zeit Italienisch zu lernen."
    Mönche als Beichtväter
    Doch zuweilen schätzte man in Rom die deutschen Sprachkenntnisse der Mönche aus Sankt Gallen und setzte sie gerne ein, wenn sich zu bestimmen Anlässen wieder einmal besonders viele ausländische Pilger in der Heiligen Stadt befanden. Besonders während des Jubeljahres 1700 hätten die Mönche in Rom als Beichtväter agiert, erzählt Erhart.
    "Die Tagebücher enthalten teilweise auch genaue Wiedergaben aus dem Beichtstuhl, wo man römisches Zusammenleben pur miterleben kann, mit allen Schattierungen dieser Zeit. Es wird natürlich auch ständig von Mord und Totschlag berichtet. Es war eine Zeit, in der hunderttausende von Pilgern die Stadt überschwemmten, und da gab es natürlich auch Spannungen."
    Die Äbte gaben ihren nach Rom gesandten Mönchen bestens vorbereitete Reiseführer mit auf den Weg, die ihnen wichtige Informationen und Ratschläge geben sollten. Und sie bekamen lange Einkaufslisten, denn die Auslandsreisen dienten auch dazu, Bücher und Notenwerke zu kaufen, die für die Arbeit und die Lehre im Kloster dringend gebraucht wurden.
    Und auch einige religiöse Souvenirs sollten später an die Reise nach Rom erinnern. So kann man in der Stiftsbibliothek von Sankt Gallen heute noch eine Bildkopie der Heiligen Cäcilie bewundern, die von den Reisemönchen damals in Rom gekauft wurde.
    Seltenes Vergnügen
    Allzu viele Mönche kamen übrigens nicht in den Genuss einer solchen Romreise. Nur alle zehn, 15 oder 20 Jahre schickte einer der jeweiligen Sankt Galler Äbte zwei seiner ausgewählten Mönche ins ferne Rom. Einen spannenden Reisebericht durften sie ihren Klosterbrüdern nach ihrer Rückkehr allerdings nicht liefern, wie der Historiker Erhart weiß:
    "In der Regel des Heiligen Benedikt gibt es einen Passus, der es den Mönchen verbietet, alles, was sie außerhalb des Klosters gehört und gesehen haben, weiterzuerzählen." In der Barockzeit hätten sie die Möglichkeit gehabt, ihre Erfahrungen dem Tagebuch anzuvertrauen, das nur in die Hände des Abtes kam. "Aber ansonsten war es den Mönchen nicht erlaubt, ihre Erfahrungen mit ihren Mitbrüdern zu teilen, um nicht falsche Sehnsüchte nach der weiten Welt zu wecken."