Sandra Schulz: 14 Menschen sind ums Leben gekommen beim Großbrand in der Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt. Und seit gestern Abend wissen wir: eine Gasverpuffung war Ursache für die Katastrophe, womit noch nichts gesagt ist über Verantwortung oder Konsequenzen. Darüber wird jetzt natürlich diskutiert. Mitgehört hat Caritas-Präsident Peter Neher, den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Peter Neher: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Der Freiburger Caritas-Verband ist ja Träger der betroffenen Behindertenwerkstatt. Die Frage ist jetzt noch offen, warum es zur Gasexplosion kam. Können Sie dazu heute Morgen mehr sagen?
Neher: Dazu kann ich nicht mehr sagen, als was ich gestern auch in der Pressekonferenz mitbekommen habe. Ich denke, das ist jetzt erst mal schon eine Entlastung, dass man die Ursache weiß. Die weiteren Ermittlungen sind hier sicher noch mal zu führen. Aber ich bin sehr, sehr dankbar und sehr, sehr froh, dass jedenfalls das Sicherheitskonzept, die Evakuierungsmaßnahmen, dass das alles offenbar ganz hervorragend geklappt hat, um eine noch viel schlimmere Katastrophe zu verhindern. Ich glaube, das ist jetzt einfach mal wichtig und die Ursache ist festgestellt. Die weiteren möglichen Hintergründe dazu müssen jetzt erst noch erkundet werden.
Schulz: Trotzdem läuft die Diskussion um die Sicherheitsvorkehrungen, um die Brandschutzbestimmungen, gestern natürlich auch, bevor auf der Pressekonferenz Einzelheiten bekannt geworden sind. Wie sehen Sie diese Diskussion?
Neher: Nun gut, diese Diskussion ist natürlich verständlich angesichts einer solchen Katastrophe. Aber da kann man nur sagen, dass tatsächlich die Brandschutzverordnung, die ja für alle Werkstätten gilt und für öffentliche Gebäude, dass die gerade auch in den Caritas-Werkstätten in hohem Maße auch durchgeführt wurden, regelmäßig überprüft werden, und es gehört eigentlich zu den Standards dazu, dass jährliche Evakuierungsübungen auch durchgeführt werden. Also ich glaube, von daher kann man die Diskussion gut aufgreifen und deutlich machen, was hier an präventiven Maßnahmen und an Sicherheitsstandards eigentlich die Regel ist.
Schulz: Wie genau werden denn die Mitarbeiter in diesen Behindertenwerkstätten und auch die behinderten Menschen auf solche Fälle vorbereitet?
Neher: Ich denke, das gehört zu den normalen Übungen, dass hier dann auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die betroffenen Menschen mit Behinderung eingebunden sind in diese jährlichen Evakuierungsübungen, und das scheint ja auch in diesem Fall ganz hervorragend geklappt zu haben. Wenn nur elf Menschen mit Behinderung dann letztlich von der Feuerwehr gerettet werden mussten, dann heißt das ja, dass die 97 anderen das aus eigener Kraft konnten, weil die entsprechenden Einrichtungen da waren und auch die Begleitung so war, dass das möglich war, dass selbst Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sich selber aus dieser Situation retten konnten.
Schulz: Einen konkreten Vorschlag hat es gestern gegeben, den würde ich gerne noch ansprechen. Die Deutsche Hospizstiftung fordert Sprinkleranlagen. Ist das nicht ein sinnvoller Vorschlag?
Neher: Ich bin natürlich kein Techniker. Aber ich denke, zunächst muss man jetzt mal wirklich die Situation genau prüfen. Und mit so vorschnellen Vorschlägen, da sollte man sich zurückhalten. Ich denke, das ist jetzt nicht die Zeit zu solchen Überlegungen, bevor die gesamten Umstände genau definiert und geklärt sind.
Schulz: Da würde ich gerne anknüpfen. Es ist klar, dass wir auch über die Sicherheit diskutieren müssen und die Vorbeugung jetzt nach diesem Unglück. Aber wenn wir einen Schritt zurückmachen und ein bisschen allgemeiner fragen. Lässt sich das sagen? Was heißt dieses Unglück für die Arbeit solcher Einrichtungen?
Neher: Ich denke, zunächst mal ist einfach der Schrecken und der Schock sehr, sehr tief, dass so etwas überhaupt passieren konnte, weil gerade solche Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind ja nie nur Arbeitsplatz. Die sind Lebensraum für diese Menschen. Und ich glaube, wir müssen einfach gucken, dass das menschlich Ermessliche ausgeschlossen wird, was zu einer Katastrophe führen kann. Aber bei aller tiefen Betroffenheit und bei allem Schrecken gibt es einfach Unglücke. Es gibt Situationen, die wir uns nicht erklären können. Man muss mit solchen Erklärungen natürlich vorsichtig sein, bevor man genaue Ursachen kennt. Aber wir dürfen eben nicht vergessen, dass bei allen technischen Möglichkeiten und bei allen Überlegungen, die man anstellen kann, immer ein Restrisiko wie im gesamten menschlichen Leben bleibt, ob das eine andere Werkstätte ist, oder ein Industriebetrieb. Ich glaube letztlich, Unglücke dieser furchtbaren Art, die sind immer auch Teil des menschlichen Lebens. Wir haben die Aufgabe, das uns mögliche zu tun, dass das verhindert wird. Aber Leben ist immer mit Risiko behaftet und grundsätzlich wird man so was nie komplett ausschließen können.
Schulz: Sie sprechen es gerade an: 100-prozentige Sicherheit, das wissen wir alle, die gibt es nicht. Offenbar scheint es da ja trotzdem so ein Gefälle zu geben oder die Frage, wie hoch ist der Preis für die Normalität, eben auch für behinderte Menschen, die dieses Stück Normalität in solchen Werkstätten erleben. Muss dieser Preis neu austariert werden?
Neher: Das würde ich so nicht sagen und ich kann auch hier nicht von einem Gefälle reden, denn ich glaube, dass gerade diese Werkstätten für Menschen mit Behinderung ganz, ganz wichtig sind, weil das oft mehrfach behinderte Menschen sind, die ansonsten keine Möglichkeit hätten, am normalen Arbeitsleben teilzunehmen. Und ich glaube, die Gesellschaft hat die Aufgabe, auch solchen Menschen Arbeits- und Lebensräume zu schaffen und das Mögliche dafür zu tun, dass das in einer großen Sicherheit und mit einer Lebensqualität geschieht. Und ich glaube, dass das, was an Arbeit konkret geleistet wird in den über 700 Werkstätten bundesweit für Menschen mit Behinderung, dass das ein ganz herausragendes Zeichen ist der Arbeit, dass Menschen mit Behinderung am Leben teilhaben können und dass sie gleichwertige, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind. Und ich glaube, das ist notwendig und dafür haben wir alles zu tun, dass das auch in Zukunft in gleichem Maße möglich ist.
Schulz: Sie werden sicherlich jetzt künftig auch auf Eltern stoßen, die zweifeln, die vielleicht zögern, ob sie ihr Kind in so eine oder ähnliche Einrichtungen geben. Was sagen Sie denen?
Neher: Denen kann man sagen, dass das Unglück kein Beispiel ist, dass grundsätzlich Werkstätten für Menschen mit Behinderung gefährdeter sind als alles andere, was es im menschlichen Leben gibt, und dass das, was an Sicherheitsmaßnahmen in den Werkstätten vorhanden ist, ein hohes Maß ist, das oft bei Weitem das übersteigt, was jemand an Sicherheitsmaßnahmen zuhause hat. Von daher kann man guten Gewissens gerade auch Eltern nach wie vor empfehlen und raten, dass ihre Kinder dort gut aufgehoben sind und dass die Verantwortlichen wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft alles tun werden, dass sie dort einen guten Lebens- und Arbeitsraum vorfinden.
Schulz: Caritas-Präsident Peter Neher hier heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.
Neher: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Neher: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Der Freiburger Caritas-Verband ist ja Träger der betroffenen Behindertenwerkstatt. Die Frage ist jetzt noch offen, warum es zur Gasexplosion kam. Können Sie dazu heute Morgen mehr sagen?
Neher: Dazu kann ich nicht mehr sagen, als was ich gestern auch in der Pressekonferenz mitbekommen habe. Ich denke, das ist jetzt erst mal schon eine Entlastung, dass man die Ursache weiß. Die weiteren Ermittlungen sind hier sicher noch mal zu führen. Aber ich bin sehr, sehr dankbar und sehr, sehr froh, dass jedenfalls das Sicherheitskonzept, die Evakuierungsmaßnahmen, dass das alles offenbar ganz hervorragend geklappt hat, um eine noch viel schlimmere Katastrophe zu verhindern. Ich glaube, das ist jetzt einfach mal wichtig und die Ursache ist festgestellt. Die weiteren möglichen Hintergründe dazu müssen jetzt erst noch erkundet werden.
Schulz: Trotzdem läuft die Diskussion um die Sicherheitsvorkehrungen, um die Brandschutzbestimmungen, gestern natürlich auch, bevor auf der Pressekonferenz Einzelheiten bekannt geworden sind. Wie sehen Sie diese Diskussion?
Neher: Nun gut, diese Diskussion ist natürlich verständlich angesichts einer solchen Katastrophe. Aber da kann man nur sagen, dass tatsächlich die Brandschutzverordnung, die ja für alle Werkstätten gilt und für öffentliche Gebäude, dass die gerade auch in den Caritas-Werkstätten in hohem Maße auch durchgeführt wurden, regelmäßig überprüft werden, und es gehört eigentlich zu den Standards dazu, dass jährliche Evakuierungsübungen auch durchgeführt werden. Also ich glaube, von daher kann man die Diskussion gut aufgreifen und deutlich machen, was hier an präventiven Maßnahmen und an Sicherheitsstandards eigentlich die Regel ist.
Schulz: Wie genau werden denn die Mitarbeiter in diesen Behindertenwerkstätten und auch die behinderten Menschen auf solche Fälle vorbereitet?
Neher: Ich denke, das gehört zu den normalen Übungen, dass hier dann auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die betroffenen Menschen mit Behinderung eingebunden sind in diese jährlichen Evakuierungsübungen, und das scheint ja auch in diesem Fall ganz hervorragend geklappt zu haben. Wenn nur elf Menschen mit Behinderung dann letztlich von der Feuerwehr gerettet werden mussten, dann heißt das ja, dass die 97 anderen das aus eigener Kraft konnten, weil die entsprechenden Einrichtungen da waren und auch die Begleitung so war, dass das möglich war, dass selbst Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sich selber aus dieser Situation retten konnten.
Schulz: Einen konkreten Vorschlag hat es gestern gegeben, den würde ich gerne noch ansprechen. Die Deutsche Hospizstiftung fordert Sprinkleranlagen. Ist das nicht ein sinnvoller Vorschlag?
Neher: Ich bin natürlich kein Techniker. Aber ich denke, zunächst muss man jetzt mal wirklich die Situation genau prüfen. Und mit so vorschnellen Vorschlägen, da sollte man sich zurückhalten. Ich denke, das ist jetzt nicht die Zeit zu solchen Überlegungen, bevor die gesamten Umstände genau definiert und geklärt sind.
Schulz: Da würde ich gerne anknüpfen. Es ist klar, dass wir auch über die Sicherheit diskutieren müssen und die Vorbeugung jetzt nach diesem Unglück. Aber wenn wir einen Schritt zurückmachen und ein bisschen allgemeiner fragen. Lässt sich das sagen? Was heißt dieses Unglück für die Arbeit solcher Einrichtungen?
Neher: Ich denke, zunächst mal ist einfach der Schrecken und der Schock sehr, sehr tief, dass so etwas überhaupt passieren konnte, weil gerade solche Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind ja nie nur Arbeitsplatz. Die sind Lebensraum für diese Menschen. Und ich glaube, wir müssen einfach gucken, dass das menschlich Ermessliche ausgeschlossen wird, was zu einer Katastrophe führen kann. Aber bei aller tiefen Betroffenheit und bei allem Schrecken gibt es einfach Unglücke. Es gibt Situationen, die wir uns nicht erklären können. Man muss mit solchen Erklärungen natürlich vorsichtig sein, bevor man genaue Ursachen kennt. Aber wir dürfen eben nicht vergessen, dass bei allen technischen Möglichkeiten und bei allen Überlegungen, die man anstellen kann, immer ein Restrisiko wie im gesamten menschlichen Leben bleibt, ob das eine andere Werkstätte ist, oder ein Industriebetrieb. Ich glaube letztlich, Unglücke dieser furchtbaren Art, die sind immer auch Teil des menschlichen Lebens. Wir haben die Aufgabe, das uns mögliche zu tun, dass das verhindert wird. Aber Leben ist immer mit Risiko behaftet und grundsätzlich wird man so was nie komplett ausschließen können.
Schulz: Sie sprechen es gerade an: 100-prozentige Sicherheit, das wissen wir alle, die gibt es nicht. Offenbar scheint es da ja trotzdem so ein Gefälle zu geben oder die Frage, wie hoch ist der Preis für die Normalität, eben auch für behinderte Menschen, die dieses Stück Normalität in solchen Werkstätten erleben. Muss dieser Preis neu austariert werden?
Neher: Das würde ich so nicht sagen und ich kann auch hier nicht von einem Gefälle reden, denn ich glaube, dass gerade diese Werkstätten für Menschen mit Behinderung ganz, ganz wichtig sind, weil das oft mehrfach behinderte Menschen sind, die ansonsten keine Möglichkeit hätten, am normalen Arbeitsleben teilzunehmen. Und ich glaube, die Gesellschaft hat die Aufgabe, auch solchen Menschen Arbeits- und Lebensräume zu schaffen und das Mögliche dafür zu tun, dass das in einer großen Sicherheit und mit einer Lebensqualität geschieht. Und ich glaube, dass das, was an Arbeit konkret geleistet wird in den über 700 Werkstätten bundesweit für Menschen mit Behinderung, dass das ein ganz herausragendes Zeichen ist der Arbeit, dass Menschen mit Behinderung am Leben teilhaben können und dass sie gleichwertige, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind. Und ich glaube, das ist notwendig und dafür haben wir alles zu tun, dass das auch in Zukunft in gleichem Maße möglich ist.
Schulz: Sie werden sicherlich jetzt künftig auch auf Eltern stoßen, die zweifeln, die vielleicht zögern, ob sie ihr Kind in so eine oder ähnliche Einrichtungen geben. Was sagen Sie denen?
Neher: Denen kann man sagen, dass das Unglück kein Beispiel ist, dass grundsätzlich Werkstätten für Menschen mit Behinderung gefährdeter sind als alles andere, was es im menschlichen Leben gibt, und dass das, was an Sicherheitsmaßnahmen in den Werkstätten vorhanden ist, ein hohes Maß ist, das oft bei Weitem das übersteigt, was jemand an Sicherheitsmaßnahmen zuhause hat. Von daher kann man guten Gewissens gerade auch Eltern nach wie vor empfehlen und raten, dass ihre Kinder dort gut aufgehoben sind und dass die Verantwortlichen wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft alles tun werden, dass sie dort einen guten Lebens- und Arbeitsraum vorfinden.
Schulz: Caritas-Präsident Peter Neher hier heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.
Neher: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.