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Lebensmittel
Für regionale Produkte fehlt die klare gesetzliche Regelung

In den Regalen der Supermärkte sind immer mehr Produkte zu finden, die als regional deklariert sind. Die Bereitschaft der Verbraucher, für solche Waren auch mehr Geld auszugeben, werde aber oft auch ausgenutzt, sagt Günter Hetzke aus der Dlf-Wirtschaftsredaktion. Denn der Begriff "regional" sei gesetzlich überhaupt nicht definiert.

Günter Hetzke im Gespräch mit Christiane Kaess | 29.08.2018
    Das neue weiß-blaue Logo "Regionalfenster" ist unten links auf einer Butterpackung aus Bayern abgebildet.
    Das neue Logo "Regionalfenster" ist beispielsweise auf Butterpackungen zu finden. (picture alliance / dpa/ Wolfgang Krumm)
    Christiane Kaess: Wem Klimaschutz beim Einkauf wichtig ist, der kann immerhin in einem ersten Schritt auf regionale Produkte zurückgreifen, die mehr und mehr im Handel zu finden sind. Günter Hetzke aus unserer Wirtschaftsredaktion, ist das eine gute Idee?
    Günter Hetzke: Also, zumindest aus Sicht des Handels ist das ein geradezu hervorragendes Marketingkonzept, das da einführt wurde. Es gibt mittlerweile umfangreiche Untersuchungen dazu. Und die kommen einhellig zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Verbraucher diese Angebote gut findet. Wenn das auf den Waren prangt, dass die Lebensmittel aus der Region kommen, dann hat das inzwischen einen stärkeren Effekt bei der Kaufentscheidung als ein Biosiegel zum Beispiel oder andere Botschaften, wie "Wir fördern Bauern in Entwicklungsländern".
    Kaess: Was versprechen sich die Verbraucher davon?
    Hetzke: Da gibt es gleich mehrere Erwartungshaltungen, die damit verbunden werden. Zum einen der kurze Weg, dass die Ware nicht um die halbe Welt gekarrt wurde, also tatsächlich der Gedanke Klima- und Umweltschutz. Aber vor allem ist das Kaufmotiv, dass eben der Erzeuger vor Ort und die regionale Wirtschaft gestärkt wird. Und dafür sind viele Verbraucher sogar bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen als bei herkömmlicher Ware. Das haben die Handelskonzerne und Supermärkte natürlich bemerkt. Deshalb ja auch der Boom von regionalen Produkten.
    "Der gute Glaube wird ausgenutzt"
    Kaess: Und werden die Erwartungen der Verbraucher erfüllt? Ist das "mehr an Geld" gut angelegt?
    Hetzke: Nein, leider oft nicht. Und das hat gleich mehrere Gründe. Zum einen ist der Begriff "Region" oder "regional" gesetzlich überhaupt nicht definiert und wird häufig entsprechend großzügig ausgelegt. Die Erhebungen zeigen, die Verbraucher vermuten zwanzig, dreißig Kilometer, als Maximum einen Umkreis von 100 Kilometer. Untersuchungen der Verbraucherzentralen zeigen, das ist oft Illusion, der Radius und damit der Fahrweg ist weitaus größer. Das können schon mal locker mehr als 200 Kilometer sein. Dann werden Produkte zwar in einer Region hergestellt, aber in einer ganz anderen verpackt. Wieder gibt es lange Fahrtwege. Und es wird auch oft die Erwartung, der gute Glaube schlicht ausgenutzt.
    Kaess: Wodurch wird die Erwartung ausgenutzt?
    Hetzke: Ein Beispiel: Die Verbraucherzentralen haben Heidehonig gefunden, der zwar in der Lüneburger Heide abgefüllt wurde, aber hinten auf dem Etikett steht drauf: Honig aus mehreren EU-Ländern. Regional ist das nicht. Auch beliebt: Eine große Handelskette nennt ihre Eigenmarke "Küstengold" mit Leuchtturm und Deich als Logo. Aber das hat mit einer Herstellung an der Küste gar nichts zu tun. Das ist einfach ein Name. Bei dieser Eigenmarke wird aber mit der Vorstellung oder der Phantasie der Kunden gespielt. Hat nur eben mit Regionalität gar nichts zu tun.
    Kaess: Wie kann sich denn der Verbraucher nun schützen, dass er nicht über den Tisch gezogen wird?
    Hetzke: Vereinzelt ist auf der Ware ein Logo, also eine Grafik zu finden, die "regionales Fenster" genannt wird. Das ist der Begriff "regional" rechts und links jeweils mit einem Fensterflügel versehen. Und da stehen stets gut sichtbar genaue Angaben drauf. Leider ist diese sinnvolle Kennzeichnung freiwillig und deshalb nicht so oft zu finden. Und solange der Gesetzgeber hier nichts unternimmt, bleibt der Blick aufs Kleingedruckte wichtig: Wo kommt das Produkt genau her, wo wurde es verpackt?