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Lebensmittel
Morphine in Brötchen und Kuchen?

Schon vor mehr als 5000 Jahren nutzten Menschen Schlafmohn gegen Schmerzen und Schlaflosigkeit. Heute kommt die Saat vor allem in Backwaren zum Einsatz. Obwohl der Morphingehalt der Mohnsaat durch verschiedene Verarbeitungsschritte stark sinkt, werden bei Importwaren aus dem Ausland weiterhin hohe Werte festgestellt.

Von Susanne Kuhlmann | 12.08.2016
    Provinz Nangarhar
    Ein Feld mit Mohn in der afghanischen Provinz Nangarhar. (imago/Imagespic Agency)
    Mohnsamen enthalten keine Morphine, können also keinen Opiumrausch hervorrufen. Allerdings durchziehen mit morphinhaltigem Milchsaft gefüllte Leitungsbahnen Stängel und Blätter der Pflanze und das Gehäuse der Frucht.
    Das Chemische Veterinär- und Untersuchungsamt Sigmaringen in Baden-Württemberg befasst sich seit einigen Jahren schwerpunktmäßig mit der Kontrolle von Back- und Speisemohn. Inge Eversberg über die Ergebnisse:
    "Es zeigt sich immer wieder, dass sich weiterhin Mohn mit hohen bzw. sehr hohen Morphingehalten im Handel bzw. im Verkehr befindet. Die letzten aktuellen Fälle gehen auf Importwaren aus Australien zurück."
    Ob Opiumalkaloid in den Mohnsaat gelangt, hängt vom Ernteverfahren ab
    Außerdem sind Tschechien und die Türkei, Österreich und Ungarn Lieferländer für Mohn. Kontrolliert wird bei Importeuren und Rohstoffhändlern, in Bäckereien, Konditoreien und Supermärkten. 15 bis 25 Prozent der Proben, die das Chemische Veterinär- und Untersuchungsamt Sigmaringen in den vergangenen Jahren genommen hat, waren zu beanstanden.
    Kann mit einem Mohnbrötchen Morphin auf den Frühstückstisch kommen? Es hängt unter anderem vom Ernteverfahren ab, ob das Opiumalkaloid in die Mohnsaat gelangt, erläutert Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks.
    "Es ist so, dass der Morphingehalt vor allem aus anderen Pflanzenteilen stammt und dementsprechend bei der Ernte und anschließenden Waschung bereits deutlich in diesem frühen Stadium reduziert werden kann."
    Beim maschinellen Ernten kann es passieren, dass morphinhaltiger Milchsaft in Kontakt mit Mohnsamen kommt. Waschen vermindert den Morphingehalt ebenso wie weitere Verarbeitungsschritte.
    "Auch durch ein Erhitzen der Mohnsaat, etwa beim Backen, kann man den Morphingehalt nochmal deutlich reduzieren. Man geht hier davon aus, dass etwa 80 bis 90 Prozent Reduktion möglich sind. Erhitzt wird die Mohnsaat letztlich beim Bäcker…"
    … und der hat seit einigen Jahren kaum noch das Problem, dass der Morphingehalt stark schwankt, erläutert Inge Eversberg vom Chemischen Veterinär- und Untersuchungsamt Sigmaringen.
    "Geänderte Erntetechniken, der Anbau alkaloidarmer Mohnsorten und die thermische Vorbehandlung von höher belasteten Mohnsamen führen wohl dazu, dass sich insgesamt die Belastungssituation in den letzten Jahren gebessert hat."
    EU-Kommission fordert Höchstmengen für Opiumalkaloide
    Wie andere Lebensmittel auch darf Mohnsaat die Gesundheit nicht gefährden und muss vorm Verarbeiten auf Rückstände von Schwermetallen und Pflanzenbehandlungsmitteln untersucht werden. Im Hinblick auf den Morphingehalt gibt es keine gesetzlichen Anforderungen. Die EU-Kommission überlegt aber zurzeit, Höchstmengen für Opiumalkaloide einzuführen. Daniel Schneider vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks:
    "Man diskutiert derzeit einen Grenzwert von 100 bis 150 Milligramm Morphin pro Kilogramm Mohn. Derzeit gehen wir davon aus, dass der jetzt diskutierte Wert für das Bäckerhandwerk gut einzuhalten ist. Es ist nämlich so, dass unsere Einkaufsgenossenschaften schon heute auf freiwilliger Basis, also ohne den gesetzlichen Grenzwert, darauf achten, dass die Mohnsaaten einen Morphingehalt von 30 Milligramm pro Kilogramm nicht überschreiten. Hinzu kommt auch, dass der Mohn ausschließlich zum Backen verkauft wird an unsere Bäcker, so dass eine anderweitige Verwendung verhindert werden kann."
    Wer im Supermarkt Mohn kauft, um selbst damit zu backen oder zu kochen, sollte die erwähnten Hinweise auch befolgen, rät Silke Noll von der Verbraucherzentrale Bayern.
    "Vor dem Gebrauch sollte der Mohn gewaschen werden und auch vor dem Verzehr durch Backen oder Kochen erhitzt werden, denn diese Verarbeitungsschritte zerstören mögliche Rückstände weitestgehend. Manchmal gibt es den Mohn auch bereits gedämpft oder gemahlen zu kaufen. Außerdem gibt es noch bereits fertige Mohnzubereitungen im Handel zu kaufen. Hierbei ist der Mohn bereits gewaschen und wird nur noch gebacken."