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Leere Lehrstühle

Eine Professorenstelle zu besetzen, dass dauert an der Uni Hohenheim im Durchschnitt nur sechs Monate, in Tübingen mindestens ein Jahr, an anderen Hochschulen sind drei Semester üblich. Allerdings gibt es immer wieder Berufungen, die viel länger dauern. Jetzt brennt es bei den Erziehungswissenschaftlern in Heidelberg. Kathrin Rabus und Frederik Spang erleben das hautnah mit. Seit dem Jahr 2000 warten sie auf einen neue Sozialpädagogik-Professorin oder einen Professor:

Von Anette Lennartz | 16.03.2004
    Die Stimmung unter den Studenten ist ziemlich schlecht, weil sie nicht wissen, wie sieht es aus, wenn sie in die Prüfungssituation kommen. Wir befürchten, dass hier eine starke Abwanderung stattfindet.

    Auch Prorektorin Prof. Silke Leopold sieht in den ständig wechselnden Lehrbeauftragten dort keinen ausreichenden Ersatz. Lehrbeauftragte haben keine Zeit für die Beratung und Betreuung der Studierenden, sie werden dafür auch nicht bezahlt.

    Das bedeutet für die Studierenden, auch wenn die Seminare stattfinden, einen großen Verlust und eine große Einschränkung in ihrem Studium. Ich kann verstehen, dass die Studierenden da auch opunnieren.

    Das Kultusministerium lehnte die erste Kandidatenliste der Uni ab, weil die Bewerber keine Schulpraxis vorweisen konnten. Nach erneuter Ausschreibung legte man die Liste wiederum auf Eis wegen der laufenden Evaluation in den erziehungswissenschaftlichen Studiengängen im Land. Es könnte sich ja daraus ergeben, dass dieses Fach nicht gebraucht würde. Nur Evaluation hin oder her, die Stelle ist unstrittig. Solange sie besetzt war, wählten 75% der Studierenden das Fach im Schwerpunkt. Seit 2001 ist es noch wichtiger geworden, denn seitdem sind alle 2000 Lehramtsstudenten verpflichtet worden, zusätzlich Erziehungswissenschaften zu belegen. Es gab keine Personalaufstockung.
    Die Situation an diesem Seminar ist keine Ausnahme. Es gibt sogar Stellen, die noch länger vakant sind.

    Das sind oft lange Zeiten, und das ist natürlich etwas, was für die Universitäten sehr problematisch ist. Wenn das in Fächern passiert, die sehr klein sind, dann ist da gar kein Lehrpersonal vorhanden. Dann kann eine Abwärtsspirale einsetzen, dass die Studierenden dann die Universität wechseln, dann sind noch weniger Studierende da und dann heißt es "es sind ja so wenige da, dann brauchen wir auch diese Lehrperson gar nicht mehr".

    Bei der Romanistik in Tübingen wartete man neun bis zehn Semester auf die Berufung. In Freiburg wurden bei den Psychologen drei Lehrstühle fast gleichzeitig frei, die Berufung zog sich über Jahre. Und die Juristen in Heidelberg hatten über etliche Semester hinweg sechs Stellen, das bedeutet ein Viertel aller Lehrstühle, nicht besetzt, so dass ihr exzellenter Ruf auf der Kippe stand. Die Ursachen sind natürlich nicht immer gleich. Mal liegt es an den Hochschulgremien, mal pokern die Bewerber und sagen ab. Allerdings verzögern im Moment die Evaluierung und die laufenden Umstrukturierungen an den Unis oft rasche Wiederbesetzungen. Natürlich hat das Kultusministerium Recht, wenn es mit Bedacht ausgewählte Professoren einstellt, denn die sitzen dann 20 Jahre auf ihrem Stuhl. Aber, so fragt Prorektorin Leopold, warum vertraut Stuttgart nicht mehr auf die Hochschulen, lässt sie entscheiden Schließlich hat man sie doch ausdrücklich in die Autonomie entlassen.

    Die Autonomie ist an zwei Punkten bisher eingeschränkt. Das eine sind die Berufungen und das andere die Studiengänge, die zwar an den Universitäten erarbeitet werden, aber dann vom Ministerium genehmigt werden müssen. So lange diese beiden Punkte nicht wirklich autonom von den Universitäten geregelt werden können, meinetwegen auch mit Akkreditierungen und Blick von außen auf diese Studiengänge, so lange kann man von einer Autonomie der Studiengänge nicht sprechen

    Es gibt Hoffnung. Mitte März sollen im Kabinett die Entwürfe zum neuen Hochschulrahmengesetz diskutiert werden, vielleicht bekommen die Hochschulen dann auch in Berufungsfragen mehr Kompetenzen.