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Legal und menschenunwürdig

Foxconn steht erneut in der Kritik: Die Firma vermietet ganze Produktionslinien in Tschechien an Subunternehmer. Diese müssen sich dann nicht an die Foxconn Lohnstandards halten, der Mindestlohn wird untergraben und der Betriebsrat ist ausgehebelt. Doch das alle ist legal - nach EU-Recht.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Es ist ein riesiger Komplex, zwei Kilometer außerhalb der Altstadt: Wie eine Stadt in der Stadt erstrecken sich gewaltige Firmenhallen vor den Toren der Stadt Pardubice, etwa eine Stunde entfernt von Prag. Am Gebäude prangt der Schriftzug der Firma Foxconn, ringsum ist das Werk mit einem mannshohen Zaun geschützt. Besuche in der Fabrik sind nicht üblich; wer wissen will, wie es in den Hallen aussieht, muss mit Tomas Formanek sprechen, dem Betriebsrat. Er schildert die Fabrik als eine Hochsicherheitszone, in der lange Fließbänder stehen, daran ein Arbeiter neben dem anderen.

    "Einer steckt die Kabel zusammen, ein zweiter baut Prozessor und Arbeitsspeicher ein, ein dritter verschraubt Festplatte und CD-ROM, ein vierter macht wieder was anderes. Das ist eine der Möglichkeiten. Es gibt aber auch die Produkte, die ein Arbeiter vom Anfang bis zum Ende allein zusammenbaut, das hängt ganz vom Produkt ab."

    Computer bauen sie hier, Server, Router und Tintenpatronen, fast das ganze Spektrum an moderner Computertechnik. Seit mehr als zehn Jahren schon gibt es das Foxconn-Werk in Pardubice, von hier aus werden Kunden in Europa, Afrika und im Nahen Osten bedient. 3800 Angestellte hat Foxconn in Tschechien, hinzu kommen nach Schätzung von Beobachtern noch einmal mehr als 1000 externe Mitarbeiter. Die meisten arbeiten am Band. Was sie dort erwartet, weiß Katerina Kotrla. Sie arbeitet in einer Beratungsstelle für Ausländer, die in Tschechien Probleme haben und Hilfe brauchen.

    "Von zehn Leuten, die zu uns in die Beratung kommen, sind acht bei Foxconn oder haben früher einmal dort gearbeitet. Viele beschweren sich, dass die Arbeitsvorgaben gewaltig erhöht worden sind. Früher mussten sie zum Beispiel 80 Produkte pro Stunde fertigstellen, jetzt sind es 120. Die Leute kommen nach zwölf Stunden nach Hause und können sich nur noch hinlegen."

    Offiziell sind bei Foxconn rund 18 Prozent der Beschäftigten Ausländer, viele von ihnen aus Vietnam oder der Mongolei, andere aus Bulgarien und Rumänien. Die Zahl dürfte aber weitaus höher sein als in den offiziellen Angaben – wegen eines Modells, mit dem Foxconn die Gesetze austrickst: Wenn die Firma Leiharbeiter anstellen würde, müsste sie die nach tschechischem Gesetz genauso bezahlen wie die Stamm-Belegschaft. Also vermietet Foxconn ganze Produktionslinien an Subunternehmer. Die bringen ihre eigenen Angestellten mit – und für die gelten die Foxconn-Standards dann nicht mehr. Betriebsrat Tomas Formanek:

    "Das funktioniert so: Der Zulieferer mietet eine Produktionslinie in der Fabrikhalle. Das Material, mit dem gearbeitet wird, stammt von Foxconn, aber die Mitarbeiter und die ganzen Verträge macht der externe Zulieferer. Uns als Gewerkschaft gefällt das natürlich nicht. Im letzten Jahr kam eine Kontrolle; dort hieß es, dass diese Praxis an der Grenze des Gesetzes sei – das heißt aber eben, es ist gerade noch so in Ordnung."

    Bei Foxconn selbst versteht man den Wirbel nicht. Man halte alle geltenden tschechischen Gesetze und EU-Regeln ein, sagt Unternehmens-Sprecher Petr Solil:

    "Bei Foxconn finden regelmäßig Kontrollen der Arbeitssicherheit statt, bei denen in den vergangenen Wochen keinerlei Fehlverhalten von Seiten der Firma festgestellt worden ist. Im Jahr 2013 wurden wir 26-mal kontrolliert, jedes Mal ohne Beanstandungen."

    Wie Foxconn in Tschechien produziert, ist wohl tatsächlich legal – der Streit entspinnt sich darum, ob es auch eine würdige Arbeit sei. Acht oder zwölf Stunden lang sind die Schichten, die Bezahlung für die Arbeiter am Band liegt bei etwa 550 Euro bei der Stammbelegschaft und etwa 350 Euro für deren externe Kollegen – das liegt weit unter dem tschechischen Durchschnittslohn. Dazu kommt, dass Ausländer oft in unwürdigen Unterkünften leben, zu fünft auf einem Zimmer und in Schmutz und Schimmel. Dahinter steckt ein Problem, das nicht nur mit Foxconn zu tun hat – es liegt in den tschechischen Ausländergesetzen, klagen Menschenrechtsverbände. Wer 60 Tage keine Arbeit hat, verliert automatisch seine Aufenthaltsgenehmigung; das mache die Menschen erpressbar. Pavel Duba vom Prager Verband für Integration und Migration:

    "Offiziell leben eine halbe Million Ausländer in Tschechien, dazu kommen noch einmal 100.000 Menschen, die illegal hier sind. Nicht alle leben natürlich in prekären Verhältnissen, aber einige 10.000 betrifft das auf jeden Fall. In Tschechien haben wir mehr Migranten als in Polen, Ungarn und der Slowakei zusammen – deshalb sind die Probleme hier natürlich verbreiteter."