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Legendäre Modeschöpferin
Vor 50 Jahren starb Coco Chanel

Aus einfachsten Verhältnissen kommend, hat Coco Chanel ein weltbekanntes Modehaus und eine ikonische Luxusmarke geschaffen. Die Biografie der stahlharten Unternehmerin, High-Society-Lady und Antisemitin gibt weiterhin Rätsel auf. Am 10. Januar 1971 starb sie - natürlich in Paris.

Von Beatrix Novy | 10.01.2021
    Ein Schwarzweiß-Foto zeigt die französische Modemacherin Gabrielle Coco Chanel im Profil in schwarzen Kleid mit Halsketten und Zigarette im Mund
    Gabrielle "Coco" Chanel 1935 (picture-alliance/ dpa/ dpaweb / Man Ray Trust/)
    Chanel. Eine hundertjährige Tradition, eine Weltfirma, die sich im Wettbewerb globalisierter Luxuskonzerne bisher gut gehalten hat. Bis heute gehört Chanel nur sich selbst, statt, wie etwa Dior und 70 andere, zum Konglomerat um Louis Vuitton. Dabei macht Chanel es ebenso wie die anderen: in der Zeit des kongenialen Karl Lagerfeld ist die Zahl der einst exklusiven Chanel-Boutiquen von einigen wenigen auf etwa 300 gestiegen. Und der Vorführung neuer Kollektionen hört man das ehrwürdige Alter der Firma schon lange nicht mehr an.
    Entfesselte Märkte, der Bedeutungsschwund der Haute Couture, der Aufstieg der toxischen Fast Fashion Industrie, das alles erlebte Coco Chanel nicht mehr. Sie starb am 10. Januar 1971 in Paris, im Hotel Ritz, wo sie ihren festen Wohnsitz hatte. Dort schmückt man sich heute mit der Suite Coco Chanel:
    "Das ist ein großes Wohnzimmer im Stil, den Coco Chanel gerne hatte. Also, sie hatte sehr gerne eine Mischung von chinesisch oder orientalisch und französischem 18. Jahrhundert."

    Ihre Herkunft aus schlichten Verhältnissen verschleierte sie

    Eigentlich erstaunlich für die Erfinderin des kleinen Schwarzen, des minimal aber perfekt designten Kleids für jede Gelegenheit. Doch ein Sinn für das Schwelgerische war da, er äußerte sich im auffallenden Modeschmuck, den Chanel populär und sogar salonfähig machte. Statt Diamantringen und Goldcolliers trugen auch die oberen Zehntausend ihre Mehrfachketten, ihre riesigen Ohrringe und breiten Armreifen.
    Und wie sollte sie nicht schwelgen wollen, die 1883 in Saumur geborene Gabrielle Chanel, Tochter eines glücklosen Jahrmarktverkäufers und einer Lohnwäscherin, die fünf Kinder durchbringen musste? Sie selbst verschleierte diese bescheidene Herkunft lebenslang zäh, mit diversen hübscheren und widersprüchlichen Erzählungen. Aus der immer neu gestrickten Legende ragen Fakten heraus. Der Tod der Mutter, der Vater, der sich verdrückte, die Unterbringung im Internat, wo sie nähen lernte. Frühe Fotos von ihr und ihrer jungen Tante Adrienne zeigen zwei selbstbewusste Schönheiten, die es verstehen, sich gut anzuziehen. Die mit dem herben entschlossenen Gesicht, das ist Gabrielle. Noch steht sie hinter dem Tresen eines Ausstattungsgeschäfts im Städtchen Moulins. Dort bessert Gabrielle ihre Einkünfte als Gastsängerin in einem Café auf. Ein populärer Schlager trägt ihr den Namen Coco ein, das zweite C im später weltbekannten Logo: Coco Chanel.
    Ein Parfümflakon, auf dessen Schild steht Chanel Nummer fünf
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    Damenmode als raffinierte Kunst

    Vermögende Männer bahnten Coco Chanel den Weg für ihr großes Talent. 1909 eröffnete sie ein Hutatelier in Paris, Boutiquen in Deauville und Biarritz folgten, bald musste ihr niemand mehr unter die Arme greifen. Ihre Entwürfe bequemer, korsettfreier, klar designter, kurz moderner Damenmode, waren raffinierte Kunstwerke, aber nicht, wie oft behauptet, revolutionär. Reformtendenzen und Gegenmodelle zur hochgeschnürten überdekorierten Damenkluft gab es vorher schon. Auch ein Pariser Couturier nahm den neuen Stil für sich in Anspruch. Es half ihm nichts: Coco war es, die in Mode war: "C’était moi, qui était à la mode."
    Weder der Erste Weltkrieg noch die große Depression gefährdeten Chanels Expansion. Tweed-Kostüm, Umhängetäschchen mit Kette, Chanel No.5 wurden Klassiker, die Stars der jeweiligen Epoche ihre Werbeträger: Marlene Dietrich, Jackie Kennedy, Audrey Hepburn.
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    Hamburg war ihm zu klein – schon früh wusste Karl Lagerfeld, dass er nach Frankreich wollte. Noch als Schüler gewann er seinen ersten Modewettbewerb und begann eine einzigartige Karriere in der Modewelt. "Chanel" machte er wieder groß – und hielt sich selbst auch mit provokanten Sprüchen im Gespräch.
    Und zeitlebens pochte die begnadete Unternehmerin Coco Chanel auf die Weiblichkeit der Mode. Nur feminine Frauen seien stark, behauptete sie: "Ich bin gegen die Hose, außer auf dem Land. Hosen machen nicht jünger, das verändert nicht das Gesicht, wissen Sie."

    Tiefe Kratzer am Ruhm

    Auf ein ungetrübtes Nachleben als Nationalheilige durfte Coco Chanel nicht hoffen. Ihre Versuche, die jüdischen Brüder Wertheimer, zu 90 Prozent Teilhaber des Chanel‑Parfümzweigs, aus dem lukrativen Geschäft zu drängen, sogar mit Hilfe der deutschen Besatzer, zeigen rüde Gewissenlosigkeit. Ihr Verhältnis mit einem Besatzungsoffizier und Spionagevorwürfe machten sie nach dem Krieg in Frankreich unmöglich. Erst 1953 kehrte sie aus der Schweiz zurück, ausgerechnet mit Hilfe eines der Wertheimer-Brüder, der wenig später die Firma übernahm. Seither führt die Familie Wertheimer das unabhängige Unternehmen Chanel.