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Lehren aus dem Dreißigjährigen Krieg
Historiker: Lösung für Syrien-Konflikt möglich

Auf der Suche nach einer Friedenslösung im Dreißigjährigen Krieg habe man die theologische Wahrheitsfrage komplett ausgeklammert, sagte der Historiker Michael Rohrschneider im Dlf. Der Transfer einer konfessionellen Fragestellung auf eine politische Ebene wäre ein Ansatzpunkt, den man auch in Syrien verfolgen könnte.

Michael Rohrschneider im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm und zwei weitere in schwarz gekleidete Frauen laufen durch eine Straße mit zerstörten Häusern.
    Die syrische Stadt Duma im April 2018. Der Historiker Michael Rohrschneider sieht Parallelen zwischen dem Konflikt im Nahen Osten und dem Dreißigjährigen Krieg - eine Friedenslösung hält er für möglich. (AFP/LOUAI BESHARA)
    Wie kann man für Syrien und den Nahen Osten zu einem dauerhaften Frieden kommen? Die Hilflosigkeit angesichts dieser Frage hat in den vergangenen Jahren immer mehr Analysten, Politikwissenschaftler und Historiker an die verheerenden Kriege des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) denken lassen. Über diese Renaissance des Gedenkens sprach Benedikt Schulz mit dem Frühe-Neuzeit-Historiker Michael Rohrschneider, Leiter des Zentrums für historische Friedensforschung an der Universität Bonn.
    Auch auswärtige Mächte haben ihre konkreten Interessen
    Zur These vom Vorbild des Dreißigjährigen Kriegs für die Spannungen im Nahen Osten zwischen Schiiten, Sunniten, Aleviten:
    "Es gibt kein Schwarz und Weiß, sondern ein sowohl als auch. Je länger die Konfliktlagen im Nahen und Mittleren Osten andauern, umso größere Parallelen gibt es. Wir haben zum einen das Problem, dass sich konfessionelle oder religiöse Fragestellungen ganz konkret mit politischen Problemen verquicken und zudem noch internationale Dimensionen aufweisen. Denn sowohl im Dreißigjährigen Krieg als auch aktuell im Konflikt in Syrien ist ja die Lage dadurch geprägt, dass auch auswärtige Mächte ihre konkreten Interessen haben. (...) Man hat diesen konfessionellen Gordischen Knoten im Westfälischen Frieden, also die schiere Unlösbarkeit des konfessionellen Konflikts dadurch gelöst, dass man ein sogenanntes Normaljahr etabliert hat: Alles was am 1.1.1624 katholisch war, bleibt katholisch und alles, was damals evangelisch war, bleibt evangelisch. Eine solche Lösung ist meines Erachtens auf den Konflikt in Syrien nicht übertragbar. Da sieht man auch ganz konkret die Grenzen der Vergleichbarkeit."
    "Das Ganze eben auf eine politische Ebene transferiert"
    "Man hat das damals gelöst, in dem man sozusagen die theologische Wahrheitsfrage komplett ausgeklammert hat, das heißt, es wurde nicht definiert, wer hat Recht, Katholiken, Protestanten - die ja ihrerseits wieder gewissermaßen zerstritten waren, noch in die Anhänger Luthers und Calvins. Wer mag entscheiden, wer recht hat theologisch? Wer an den rechten Gott und wer an den falschen Gott glaubt? Das hat man bewusst nicht gemacht, denn da kam man zu keiner Lösung. Sondern man hat das Ganze eben auf eine politische Ebene transferiert (...) Da kann man sagen, das wäre mit Sicherheit ein Ansatzpunkt, den man auch weiter in Syrien verfolgen könnte - also den Transfer einer konfessionellen Fragestellung auf eine politische Ebene und dann ist, denke ich mal, auch eine Lösung möglich."
    Demonstration des Schreckensregiments gab es damals nicht
    Zur Verbreitung von Gewalt und Terrorismus:
    "Ich will gar nicht verhehlen, dass es auch gezielte Übergriffe gegen die konfessionelle Gegenpartei gegeben hat, immer wieder auch, aber nicht mit diesem Anspruch - wie wir das beispielsweise aktuell auch sehen, wenn es um diese Hinrichtungspraktiken geht - der Welt hier zu zeigen, welches Schreckensregiment man hier ausübt. Das war überhaupt nicht der Fall."
    Nicht-staatliche Akteure wie Kurden und IS sind beteiligt
    Zur Frage, ob der Kalte Krieg nicht die passendere Analogie wäre:
    "Damit würde man aber die Konfliktlage im Nahen Osten versimplifizieren. Es ist ja keine reine Auseinandersetzung zwischen zwei Blöcken. Sondern die Blöcke verschieben sich ja wechselseitig. Wir haben einen konfessionellen Block, der dann auch durch die Großmächte in dieser Region - Iran und Saudi-Arabien - geprägt wird. Wir haben sozusagen die alten Kontrahenten aus dem Kalten Krieg - die USA und Russland, die natürlich da auch Position beziehen in der Region, aber dann haben wir natürlich auch Akteure nicht-staatlicher Provenienz. Denken Sie beispielsweise an die Kurden oder an den sogenannten Islamischen Staat, die ja so mit dieser klassischen Staatenpolitik und klassischen Staaten-Kriegen eigentlich gar nichts als nicht-staatliche Akteure zu tun haben. All das würde tatsächlich diese Lage etwas, diese Konfliktlage, die wir da aktuell vorliegen haben, etwas versimplifizieren."