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Lehrermangel
Droht in Deutschland der Bildungsnotstand?

Tausende Lehrer fehlen an den Schulen in Deutschland. Unionsfraktionschef Volker Kauder spricht von "Notstand" und "Gefahr". Zuständig für die Schulen sind die Bundesländer. Von dort kommt zum Teil Widerspruch und wenig Selbstkritik.

Von Christiane Habermalz | 28.08.2018
    Piktogramm eines Lehrers an einer Schultafel
    Aktuell sollen in den Bundesländern 10.000 Lehrer fehlen (imago/Ikon Images)
    Droht in Deutschland ein Bildungsnotstand? Unionsfraktionschef Volker Kauder sieht das so, mit seiner Warnung vor dramatischen Konsequenzen aus dem Lehrermangel hat der CDU-Politiker die Bildungspolitiker in Bund und Ländern aufgeschreckt. "Der Beginn des Schuljahres in vielen Bundesländern hat gezeigt, dass unser Land in Gefahr ist, langsam in einen Bildungsnotstand hineinzulaufen", hatte Kauder gesagt, und dabei auch die Bundesländer kritisiert, denen er vorwarf, den Lehrermangel verschlafen zu haben.
    Der deutsche Lehrerverband hatte bereits in der vergangenen Woche vor katastrophalen Zuständen zu Beginn des Schuljahres gewarnt. Aktuell würden in den Ländern 10.000 Lehrerstellen fehlen, weitere 30.000 seien notdürftig mit Quereinsteigern, Lehramtsstudenten oder zurückgeholten Pensionären besetzt.
    Die Zustände seien hausgemacht, attestierte Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter-Meidinger gegenüber "Zeit Online" der Politik. Es bringe langfristig wenig, dass die Bundesländer sich jetzt in ihrer Not gegenseitig die Lehrer abwerben: "Meines Erachtens liegt der schwarze Peter diesmal relativ eindeutig bei der Politik. Denn man hätte den Geburtenanstieg, den wir in Deutschland seit sechs, sieben Jahren wissen, natürlich voraussehen müssen, die Prognosen hätten das berücksichtigen müssen, man hätte mehr Lehrer ausbilden können. Jetzt ist es zu spät. Bis ein Lehrer fertig wird, dauert es fünf bis sieben Jahre!"
    Länder verteidigen teilweise ihre Bildungspolitik
    In den Bundesländern weist man die Kritik zum Teil weit von sich. In Bayern gebe es keinen Lehrermangel, sagte Kultusminister Bernd Sibler, und Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, CDU, fand Kauders Aussage wenig konstruktiv: Negatives an die Wand zu malen. helfe niemandem und man tue ja schon, was man könne.
    Helmut Holter, Bildungsminister von Thüringen und amtierender Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, gab sich dagegen durchaus selbstkritisch. "Man muss deutlich sagen, wer gute Bildung will, der muss in Bildung investieren und natürlich auch perspektivisch schauen, wie sich die Schülerzahlen entwickeln", sagte Holter gegenüber unserem Hauptstadtstudio. Leider werde in den Ländern meistens oft viel zu kurzfristig Bildungspolitik gedacht und gemacht.
    "Das ist ein riesengroßer Fehler, der in Deutschland gemacht wird, dass in Legislaturperioden gedacht wird. Gerade in der Bildungspolitik wird deutlich, dass wir über Legislaturperioden und damit über Landtagswahlen und Bundestagswahlen hinausdenken müssen", sagte Holter.
    Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Birke Bull-Bischoff, gab Volker Kauder zwar Recht bei seiner Bestandsaufnahme der Lage an den Schulen in Deutschland, fand aber: "Das ist schön beschämend für ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland, und Volker Kauder möchte man sagen: selbstgemachtes Leid."
    Hat der Bund zu wenig getan?
    Schließlich sei die CDU es gewesen, die sich jahrelang gegen die Aufhebung des Kooperationsverbotes und damit gegen ein stärkeres Engagement des Bundes im Schulbereich gesperrt hätte. Und auch Margit Stumpp, Bildungspolitikerin bei den Grünen erklärte: "Volker Kauder kritisiert zu Recht den Bildungsnotstand. Die Union hält diesen jedoch aufrecht, weil sie sich immer noch an das Kooperationsverbot klammert.
    "Da zeigt sich ein großer Handlungsbedarf, und ja, ich glaube, dass wir als Bund auch mit überlegen müssen, wie wir das lösen können", sagt auch Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD. Er verweist auf den Digitalpakt und das Bund-Länder-Sanierungsprogramm für Schulbauten als wichtige erste Schritte der Bundespolitik. In erste Linie seien aber die Länder in der Pflicht - etwa in der Frage, wie man mehr und gezieltere Anreize in der Lehrerausbildung setze. Bildung sei eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Wer sich im Übrigen nicht zu der Debatte äußerte, war Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Alles was zu sagen sei, habe Volker Kauder schon gesagt, hieß es aus ihrem Ministerium. Für weitere Stellungnahmen war sie nicht zu erreichen.