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Leistungsschutzrecht reloaded
Verlage wollen Geld für ihre Inhalte

Seit Jahren sinken bei den meisten Zeitungsverlagen nicht nur die Auflagen, sondern auch die Werbeeinnahmen - während Google, Facebook & Co. mit Werbung riesige Umsätze machen. Doch daran wollen die Verlage stärker beteiligt werden. Der Blick nach Australien macht ihnen Hoffnung.

Von Christoph Sterz | 23.04.2020
Auf einem Handy-Display erscheint das Logo von Google News.
Google macht riesige Werbeumsätze - auch mit den Inhalten von Zeitungsverlagen (imago/ Rafael Henrique)
Josh Frydenberg ist ein Mann, den außerhalb von Australien bisher die wenigsten kannten. Aber jetzt kennen ihn mindestens Google, Facebook und Medieninteressierte, weil der australische Finanzminister angekündigt hat, dass die Online-Riesen aus den USA demnächst eine Art Nutzungsgebühr zahlen sollen an australische Medienhäuser - dafür, dass deren Inhalte zum Beispiel als kurze Textschnipsel und Überschriften in der Google-Suche angezeigt werden oder in der Facebook-Timeline.
"Wir sind uns der Herausforderung sehr bewusst. Wir haben es zu tun mit einigen der wertvollsten und mächtigsten Unternehmen der Welt. Und da, wo es bisher versucht wurde, diese Tech-Riesen dazu zu bringen, für Inhalte zu bezahlen, hat es nicht geklappt - in Frankreich, Spanien und anderen Ländern. Wir glauben trotzdem, dass es den Kampf wert ist."
Werbeeinnahmen weiterleiten
Wie genau dieser Kampf aussehen wird, dürfte Ende Juli feststehen, wenn die australische Regierung einen Entwurf für verbindliche Regeln vorlegt. Der feste Plan ist es aber ganz offensichtlich, einen Teil der Werbe-Einnahmen von Google, Facebook & Co. an die Zeitungsverlage und andere Medienunternehmen weiterzuleiten.
Und die Zeitungsverleger haben konkrete Hoffnungen, dass sich nicht nur in Australien etwas ändert. Vor einem Jahr hat die EU eine Reform des Urheberrechts auf den Weg gebracht. Darin enthalten ist auch das sogenannte Leistungsschutzrecht; darin steht, dass Plattformen nur "einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge aus einer Presseveröffentlichung" kostenlos nutzen dürfen; und für mehr eine Erlaubnis brauchen und gegebenenfalls Geld bezahlen müssen. Diese Richtlinie muss nun in nationale Gesetze umgesetzt werden.
Alexander von Schmettow, Sprecher des BDZV, des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger: "Das ist die Hoffnung, dass es letztendlich zu einer Umsetzung in nationales Recht kommt, die dann auch tatsächlich wieder einen fairen Wettbewerb herstellt und wieder für einen besseren Ausgleich zwischen den Urheberrechte-Inhabern auf der einen Seite und den Internetplattformen auf der anderen Seite sorgt."
Vorbild Frankreich?
Die Verleger haben diese Hoffnung auch, weil Frankreich die EU-Richtlinie schon umgesetzt hat. Google hatte daraufhin angekündigt, dem Gesetz zu folgen und bei Verlagsinhalten nur noch "sehr kurze Auszüge anzuzeigen", also Überschriften und Links – und nicht mal mehr kurze Texte, die den Links mehr Aussagekraft verleihen.
Der französischen Kartellbehörde passte dieses Vorgehen nicht. Vor kurzem forderte es Google auf, sich mit den Verlagen zu einigen und eine Nutzungsgebühr auszuhandeln. Wenn das so käme, wäre das eine große Überraschung. Denn auch wenn Google mit den Behörden nach eigener Auskunft zusammenarbeiten will. Es hat sich bisher sehr beständig geweigert, Geld an die Verlage zu zahlen - zum Beispiel in Deutschland, wo es mehrere Jahre lang ein Leistungsschutzrecht gab. Eingenommen haben die Verlage in Deutschland dadurch weniger als eine Million Euro für den Zeitraum 2014 bis 2019. Sie mussten stattdessen ordentlich draufzahlen, denn die Verwaltungskosten lagen mehr als 16-mal so hoch.
Google stärker besteuern
Beobachter wie der Mediensoziologe Volker Grassmuck sind deshalb wenig hoffnungsfroh, dass die Verlage Geld von Google bekommen, egal ob in Australien, Frankreich oder Deutschland. Grassmuck beschäftigt sich unter anderem für die netzpolitische Organisation "Digitale Gesellschaft" mit dem Leistungsschutzrecht. Er kann das Anliegen der Verlage grundsätzlich nachvollziehen. Grassmuck findet die Strategie der Verlage allerdings wenig sinnvoll und plädiert für einen anderen Weg:
"Ein naheliegender ist es, die Plattformen Steuern zahlen zu lassen gemäß der Wertschöpfung, die sie in einem Land erzielen. Ich glaube, mit einer solchen Besteuerung wäre hier ein großer Topf möglich, mit dem auch der leidenden Presse und dem Journalismus unter die Arme gegriffen werden kann."
Streit um Textlängen
Derweil läuft auch in Deutschland die Umsetzung des EU-Urheberrechts. Das Justizministerium hat dafür einen ersten Entwurf vorgelegt. Der deutschen Bundesregierung bleibt noch ein gutes Jahr für ein entsprechendes Gesetz. Doch auch beim aktuellen Verfahren zeigt sich für Grassmuck die Sinnlosigkeit des Leistungsschutzrechts, weil es zum Beispiel wieder um die Frage geht, wie lang eigentlich "sehr kurze Auszüge" eines Textes sein dürfen.
"Jetzt haben wir aktuell den Streit um die Anzahl der Wörter, die zulässig sind, und es ist von acht Wörtern die Rede. Auch das wieder ein aberwitziger Streit um eine magische Zahl. Natürlich: Wir alle sind fasziniert von der Macht der Zahlen und Politiker ganz besonders. Ich fürchte, das wird uns noch in eine Weile beschäftigen. Und letztendlich wird sich herausstellen, dass es ein Irrweg war, eine Totgeburt von Anfang an. Und dass all die Energie in bessere, sinnvollere Lösungen hätte fließen können."
Die deutschen Verlage pochen nichtsdestotrotz weiter darauf, über das entsprechende Gesetz an den Werbeeinnahmen von Google beteiligt zu werden – gerne auch mit Rückenwind aus Frankreich und Australien.