Donnerstag, 18. April 2024

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Leistungsschutzrecht "schwächt den IT-Standort Deutschland"

Das geplante Leistungsschutzrecht wird nach Ansicht des Grünen-Politikers Konstantin von Notz im Netz "die Monopolisierungstendenzen eher stärken". Denn wenn zukünftig Suchmaschinenbetreiber mit den Verlagen Lizenzvereinbarungen aushandeln müssen, könnten nur die Großen überleben, was Googles Position stärken würde.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 01.03.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Seit Monaten bereits zieht der Suchmaschinenbetreiber Google eine Anzeigenkampagne durch, die ein riesiges Budget haben muss – Titel: "Verteidige Dein Netz". Hintergrund war der Plan der Koalition, ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Verlage einzuführen. Das soll mit der Praxis Schluss machen, dass die Anbieter von Internetseiten Inhalte verbreiten, für deren Herstellung Presseverlage viel Geld ausgeben. Google behauptet, die Freiheit des Netzes sei damit in Gefahr, heute steht das entsprechende Gesetz auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

    Am Telefon begrüße ich Konstantin von Notz, er ist netzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen!

    Konstantin von Notz: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr von Notz, Sie sind ja gegen das Gesetz. Sind Sie also dafür, dass weiterhin ganze Artikelsammlungen ohne Lizenz, ohne Bezahlung im Internet verbreitet werden?

    von Notz: Nein! Wir sind dagegen, dass ein Gesetz kommt, das niemandem hilft. Und wenn Sie sich angucken, wer sich alles gegen dieses Gesetz ausspricht, dann kann man in der Tat den Eindruck gewinnen, dass es niemandem hilft und es tatsächlich nur um die Abarbeitung eines Punktes aus dem Koalitionsvertrag geht.

    Heckmann: Aber das Gesetz soll doch jetzt verhindern und dazu beitragen, dass in Zukunft ganze Artikel beispielsweise einfach genommen werden von anderen Internetseiten und die verbreitet werden, ohne dafür auch nur einen Pfennig zu bezahlen.

    von Notz: Es ist völlig ungeklärt, was dieses Gesetz machen wird. Man hat in der letzten Kurve noch unbestimmte Rechtsbegriffe in dieses Gesetz geschrieben, die kleinsten Teile. Keiner kann Ihnen sagen, was kleinste Teile bedeutet. Deswegen wird dieses Gesetz dazu führen, dass Juristen, Anwälte und Richter klären müssen über Jahre, was kleinste Teile sind, und das wird zu einer enormen Verunsicherung führen, schwächt den IT-Standort Deutschland und hilft keinem derjenigen, die sich was davon versprochen haben. Deswegen ist auch der Verband der deutschen Journalisten und der freien Schreiber gegen dieses Gesetz.

    Heckmann: Man könnte aber auch von einer salomonischen Lösung sprechen, denn Sie haben es ja gerade eben erwähnt und im Beitrag klang es ja auch schon an: Der Gesetzentwurf weist eine entscheidende Änderung auf. Kurze Textauszüge, sogenannte Snippets, dürfen in Zukunft angezeigt werden, ohne dass Lizenzen fällig werden. Da könnte man doch auch sagen, alle Seiten können zufrieden sein.

    von Notz: Ja aber genau so ist es nicht. Alle Seiten sind unzufrieden, weil eben niemand begreift und versteht, was unter diesen kleinsten Teilen zu verstehen ist. Der Kollege Höferlin hat ja eben in dem Beitrag gesagt, nun sollen sich die Beteiligten mal einigen. Das kennen wir aus dem Urheberrechtsbereich: seit Jahren streitet die GEMA mit YouTube darüber, wie nun irgendwelche Videos bei YouTube zu vergüten sind – mit dem Ergebnis, dass eine ganze Reihe von YouTube-Videos nicht angeguckt werden können in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern, und genau diese Verharkung und Konstellation des nicht Weiterkommens droht jetzt durch dieses Gesetz.

    Heckmann: Matthias Döpfner, der Vorstandschef des Axel Springer Verlags, der hat ja in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gesagt, dass die Presse ernsthaft in Gefahr sei ohne ein solches Leistungsschutzgesetz. Wo ist aber eigentlich das Problem für die Presseverlage, denn durch solche Suchmaschinenseiten wie Google News werden ja jede Menge Nutzer auf die Internetseiten von Tageszeitungen gelenkt?

    von Notz: Das ist in der Tat die Hauptwidersprüchlichkeit in dem Gesetzesvorhaben, dass auf der einen Seite die Suchmaschinen gebraucht werden, um sogenannten Traffic auf die Seiten zu bringen, damit überhaupt Menschen auf die Seite von der FAZ und meinetwegen "Bild" oder whatever kommen, um dort zu lesen und auch Werbung anzugucken, und auf der anderen Seite will man eben nicht, dass die Suchmaschinen genau diese Leistung einfach so erbringen.

    Das ist ein Grundwiderspruch und er wird eben durch dieses Gesetz gänzlich schlecht aufgelöst, weil es ein Widerspruch ist, der im Grunde nicht richtig aufzulösen ist. Es gibt heute schon technische Möglichkeiten. Wenn Sie als Verlag nicht wollen, dass eine Suchmaschine Ihre Inhalte auflistet nach der Suche, dann können Sie diese Texte markieren und aus der Suche praktisch rausnehmen. Deswegen gibt es eigentlich gar keinen Bedarf für ein solches Gesetz.

    Heckmann: Ein Gesetz zu kritisieren, das ist natürlich ein vornehmes Recht der Opposition. Wie würden Sie denn die Rechte von Urhebern oder von Vermittlern solcher Informationen schützen, wie würden Sie das regeln?

    von Notz: Na ja, die Frage ist eben, ob sozusagen diese Denke, dieses Modell, dieser Ansatz im Internet funktionieren kann, in einem globalen Internet, in dem man davon lebt, dass man gefunden wird mit den Inhalten, die man hat. Ich persönlich würde mir wünschen, dass man Geschäftsmodelle entwickelt, die im Netz funktionieren. Es gibt ja auch zahlreiche Verlage, die daran arbeiten, sowie es auch eine ganze Reihe von Verlagen gibt, die sagen, wir brauchen dieses Leistungsschutzrecht nicht. Insofern ist dieser Ansatz zu sagen, wir nehmen ein Leistungsschutzrecht, um sozusagen unser altes Geschäftsmodell zu schützen, eigentlich im 21. Jahrhundert, im Internet-Zeitalter etwas aus der Zeit gefallen.

    Heckmann: Das heißt, es bleibt nichts anderes übrig, als die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun?

    von Notz: Es wird ja im Netz schon Geld verdient und die Branche ist im Umbruch. Wenn sie jetzt hier einen Ansatz präsentieren würden, die schwarz-gelbe Koalition, wie Journalistinnen und Journalisten, die tatsächlich immer schlechter bezahlt werden, mehr Geld bekommen würden, dann könnte man ja über Vorschläge diskutieren. Tatsächlich wird dieses Gesetz am Ende des Tages dazu führen, dass die großen Verlage gestärkt werden, die kleinen geschwächt, …

    Heckmann: Inwiefern, wieso?

    von Notz: …, weil wenn das erst mal geklärt ist, was kleinste Teile sind, also irgendwie in fünf Jahren, dann werden nur die großen in der Lage sein, diese Lizenzvereinbarungen, um die es am Ende des Tages geht, mit den großen Suchmaschinen auszuhandeln und kleine Verlage werden das sozusagen gar nicht leisten können und auch für die Suchmaschinen selbst total uninteressant sein. Deswegen wird das die Monopolisierungstendenzen eher stärken.

    Übrigens lustigerweise genauso auf Seiten der Suchmaschinen, denn eine Suchmaschine, das kostet einen enormen technischen Aufwand, so etwas hinzubekommen, schon bestimmte Artikel aus der Suche herauszunehmen, und kleine Suchmaschinenbetreiber sagen, sobald dieses Gesetz da ist, werden wir sofort unsere Dienste einstellen, und das führt dann bizarrerweise dazu, dass man Googles Position stärkt, was ja eigentlich auch nicht gewollt sein kann. Man wünscht sich ja eigentlich mehr Wettbewerb und nicht weniger.

    Heckmann: Ganz kurz in einem Satz noch, Herr von Notz. Es gibt Widerstand von allen möglichen Seiten, auch innerhalb der Koalition. Rechnen Sie mit einer Mehrheit für das Gesetz heute?

    von Notz: Ich befürchte, dass es eine Mehrheit gibt, aber wir werden alles versuchen, dass dieses Gesetz heute nicht verabschiedet wird.

    Heckmann: Konstantin von Notz war das, netzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Danke Ihnen für das Gespräch.

    von Notz: Danke Ihnen, Herr Heckmann.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.