Elke Durak: Weshalb lehnen die Fraktionsgeschäftsführer von SPD und Union ein Gutachten über mögliche Stasiverstrickungen des Parlaments in früheren Jahrzehnten ab? Im Osten wie im Westen unseres Landes gäbe es starke Tendenzen, die DDR zu verharmlosen, sagt die Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen Marianne Birthler, und es mangele an Kenntnissen und an ausreichender Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur generell. Ich habe mit ihr vor der Sendung gesprochen und zunächst gefragt, weshalb sie ein solches Gutachten zum Beispiel für notwendig hielte.
Marianne Birthler: Ja, ich weiß gar nicht, ob dabei ein Gutachten herauskommen soll. Also ich fände es erfreulich, wenn der Bundestag auch Aufarbeitung in eigener Sache betriebe, das heißt, sich mit der Frage auch beschäftigte, wie weit Stasi, SED oder auch andere Institutionen versucht haben, auf die Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen, wie weit das gelungen ist, welche Ziele verfolgt wurden. Das ist teilweise ein Stasithema, aber nicht nur. Und das würde ich genauso, wie es seinerzeit so eine ARD-Studie gegeben hat, durchaus begrüßen.
Durak: Sie sagten, es ist nicht nur ein Stasithema. Welches Thema ist es denn noch?
Birthler: Natürlich ist es nicht nur ein Stasithema. Die SED hat versucht auf die Bundesrepublik Deutschland, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Der FDGB hat Aktivitäten entwickelt, die FDJ hat das getan. Also wenn man wirklich genauer über dieses Stück deutscher Geschichte Bescheid wissen will, dann muss man die Stasi zwar mit einbeziehen, darf sich aber nicht darauf konzentrieren, und schon gar nicht nur auf die Frage, wer IM war und wer nicht. Mindestens so interessant ist es doch herauszubekommen, was hat die Staatssicherheit besonders interessiert, was haben sie versucht, womit hatten sie Erfolg, womit aber auch nicht. Das sind genau so interessante Geschichten wie diese einseitige Verengung darauf, wer war denn nun IM.
Durak: Wer sollte sich denn heute damit beschäftigen, wer soll wissen wollen oder müssen, wie das DDR-System funktioniert hat und Menschen verbogen hat?
Birthler: Ich glaube, dass es für unsere ganze Gesellschaft eine Chance ist, auch für die Gegenwart und für die Zukunft, wenn wir erst einmal die Geschichte der DDR auch als ein Stück gesamtdeutscher Geschichte ansehen. Wenn wir wissen, wie Diktaturen funktionieren, wie sich Menschen unter den Bedingungen einer Diktatur verhalten, können wir daraus eine ganze Menge lernen auch für die Gegenwart und für die Zukunft. Deswegen liegt uns daran, dieses ja im Moment wachsende Interesse, das es ja gibt in Ost und in West, auch zu befriedigen, indem es adäquate Angebote gibt.
Wir stellen fest, dass die Nachfrage eher wächst als abnimmt, sowohl von jungen Leuten in Ost ebenso wie in West, aber es gibt nicht hinreichend Angebote. Es gibt eine Schulbuchanalyse zum Beispiel, und die Untersuchung hinsichtlich die Frage, wie dort die DDR im Allgemeinen und die Stasi im Besonderen dargestellt wird, ist einigermaßen niederschmetternd. Ebenso sieht es aus mit der Lehre an Universitäten. Dort aber wird die künftige Elite unseres Landes gebildet, und wenn die nichts von der DDR hören, werden sie das auch später nicht parat haben.
Durak: Sie haben die Schulbücher angesprochen, Sie haben die Lehre angesprochen, die Forschung angesprochen, in der über das System DDR - und dazu gehört ja sehr viel, Sie haben es angedeutet - geforscht wird zwar, aber Sie beklagen eine unzureichende Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur. Betrifft das beispielsweise auch Medien?
Birthler: Ja und Nein. Vieles, was in der Öffentlichkeit bekannt ist über die DDR, ist natürlich auch in der Vergangenheit über die Medien vermittelt worden. Ich erinnere an den 50. Jahrestag des 17. Juni und viele andere Gelegenheiten, wo die Medien, auch die elektronischen Medien Wissen, aber auch Auseinandersetzung vermittelt haben. Aber das ist wirklich noch nicht genug.
Durak: Es wird auch oft davon gesprochen, dass die DDR verharmlost wird. Im Osten, da haben wir schon oft und oft und oft darüber gesprochen über die Gründe, aber auch im Westen. Haben Sie Beispiele und Gründe?
Birthler: Ja, ich glaube, das ist so eine Mischung aus Desinteresse, die DDR wird wahrgenommen als so ein Stück Regionalgeschichte im Osten, das die Bundesbürger nicht wirklich betrifft, das ist der eine Grund. Der andere mag sein, dass auch in der Vergangenheit noch zu DDR-Zeiten es ja auch im Westen Tendenzen gab, die DDR in einem relativ milden Licht zu zeichnen. Ich erinnere an den Satz von Günter Grass, dass die DDR eine kommode Diktatur sei. Also da, glaube ich, gibt es noch ein bisschen Nachholbedarf, und vielleicht resultiert manche Zurückhaltung, heute sich mit dem Thema zu beschäftigen, daraus, dass man auch früher die Dinge nicht genau genug wahrgenommen hat.
Durak: Welche Möglichkeiten bietet Ihre Behörde, so etwas zu beenden, also eine Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, mit der SED-Diktatur zu fördern sozusagen? Welche Möglichkeiten haben Sie und nutzen Sie?
Birthler: Wir nutze direkte und indirekte Möglichkeiten. Indirekt, indem wir für ganz unterschiedliche Projekte Publikationen, Radiofeatures, Filme, Unterlagen zur Verfügung stellen. Die werden auch sehr oft in Anspruch genommen. Wir betreiben aber auch selber aktiv Aufklärungsarbeit durch eine Wanderausstellung, die eigens für westdeutsche Städte konzipiert wurde, dadurch, dass wir eine Internetpräsentation haben, dass wir publizieren, dass wir Veranstaltungsreihen in unseren Regionalstellen und in Berlin machen, und vor allen Dingen auch dadurch, dass wir Angebote für Schulen machen, zum einen Materialien entwickeln für den Unterricht, zum anderen auch Lehrerfortbildung anbieten, übrigens auch Journalistenseminare in regelmäßigen Abständen für Journalistennachwuchs, die dann, wenn sie eine Woche bei uns waren, doch sehr beeindruckt sind und sich fragen, warum sie sich bis dahin noch nicht dafür interessiert haben.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Marianne Birthler: Ja, ich weiß gar nicht, ob dabei ein Gutachten herauskommen soll. Also ich fände es erfreulich, wenn der Bundestag auch Aufarbeitung in eigener Sache betriebe, das heißt, sich mit der Frage auch beschäftigte, wie weit Stasi, SED oder auch andere Institutionen versucht haben, auf die Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen, wie weit das gelungen ist, welche Ziele verfolgt wurden. Das ist teilweise ein Stasithema, aber nicht nur. Und das würde ich genauso, wie es seinerzeit so eine ARD-Studie gegeben hat, durchaus begrüßen.
Durak: Sie sagten, es ist nicht nur ein Stasithema. Welches Thema ist es denn noch?
Birthler: Natürlich ist es nicht nur ein Stasithema. Die SED hat versucht auf die Bundesrepublik Deutschland, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Der FDGB hat Aktivitäten entwickelt, die FDJ hat das getan. Also wenn man wirklich genauer über dieses Stück deutscher Geschichte Bescheid wissen will, dann muss man die Stasi zwar mit einbeziehen, darf sich aber nicht darauf konzentrieren, und schon gar nicht nur auf die Frage, wer IM war und wer nicht. Mindestens so interessant ist es doch herauszubekommen, was hat die Staatssicherheit besonders interessiert, was haben sie versucht, womit hatten sie Erfolg, womit aber auch nicht. Das sind genau so interessante Geschichten wie diese einseitige Verengung darauf, wer war denn nun IM.
Durak: Wer sollte sich denn heute damit beschäftigen, wer soll wissen wollen oder müssen, wie das DDR-System funktioniert hat und Menschen verbogen hat?
Birthler: Ich glaube, dass es für unsere ganze Gesellschaft eine Chance ist, auch für die Gegenwart und für die Zukunft, wenn wir erst einmal die Geschichte der DDR auch als ein Stück gesamtdeutscher Geschichte ansehen. Wenn wir wissen, wie Diktaturen funktionieren, wie sich Menschen unter den Bedingungen einer Diktatur verhalten, können wir daraus eine ganze Menge lernen auch für die Gegenwart und für die Zukunft. Deswegen liegt uns daran, dieses ja im Moment wachsende Interesse, das es ja gibt in Ost und in West, auch zu befriedigen, indem es adäquate Angebote gibt.
Wir stellen fest, dass die Nachfrage eher wächst als abnimmt, sowohl von jungen Leuten in Ost ebenso wie in West, aber es gibt nicht hinreichend Angebote. Es gibt eine Schulbuchanalyse zum Beispiel, und die Untersuchung hinsichtlich die Frage, wie dort die DDR im Allgemeinen und die Stasi im Besonderen dargestellt wird, ist einigermaßen niederschmetternd. Ebenso sieht es aus mit der Lehre an Universitäten. Dort aber wird die künftige Elite unseres Landes gebildet, und wenn die nichts von der DDR hören, werden sie das auch später nicht parat haben.
Durak: Sie haben die Schulbücher angesprochen, Sie haben die Lehre angesprochen, die Forschung angesprochen, in der über das System DDR - und dazu gehört ja sehr viel, Sie haben es angedeutet - geforscht wird zwar, aber Sie beklagen eine unzureichende Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur. Betrifft das beispielsweise auch Medien?
Birthler: Ja und Nein. Vieles, was in der Öffentlichkeit bekannt ist über die DDR, ist natürlich auch in der Vergangenheit über die Medien vermittelt worden. Ich erinnere an den 50. Jahrestag des 17. Juni und viele andere Gelegenheiten, wo die Medien, auch die elektronischen Medien Wissen, aber auch Auseinandersetzung vermittelt haben. Aber das ist wirklich noch nicht genug.
Durak: Es wird auch oft davon gesprochen, dass die DDR verharmlost wird. Im Osten, da haben wir schon oft und oft und oft darüber gesprochen über die Gründe, aber auch im Westen. Haben Sie Beispiele und Gründe?
Birthler: Ja, ich glaube, das ist so eine Mischung aus Desinteresse, die DDR wird wahrgenommen als so ein Stück Regionalgeschichte im Osten, das die Bundesbürger nicht wirklich betrifft, das ist der eine Grund. Der andere mag sein, dass auch in der Vergangenheit noch zu DDR-Zeiten es ja auch im Westen Tendenzen gab, die DDR in einem relativ milden Licht zu zeichnen. Ich erinnere an den Satz von Günter Grass, dass die DDR eine kommode Diktatur sei. Also da, glaube ich, gibt es noch ein bisschen Nachholbedarf, und vielleicht resultiert manche Zurückhaltung, heute sich mit dem Thema zu beschäftigen, daraus, dass man auch früher die Dinge nicht genau genug wahrgenommen hat.
Durak: Welche Möglichkeiten bietet Ihre Behörde, so etwas zu beenden, also eine Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, mit der SED-Diktatur zu fördern sozusagen? Welche Möglichkeiten haben Sie und nutzen Sie?
Birthler: Wir nutze direkte und indirekte Möglichkeiten. Indirekt, indem wir für ganz unterschiedliche Projekte Publikationen, Radiofeatures, Filme, Unterlagen zur Verfügung stellen. Die werden auch sehr oft in Anspruch genommen. Wir betreiben aber auch selber aktiv Aufklärungsarbeit durch eine Wanderausstellung, die eigens für westdeutsche Städte konzipiert wurde, dadurch, dass wir eine Internetpräsentation haben, dass wir publizieren, dass wir Veranstaltungsreihen in unseren Regionalstellen und in Berlin machen, und vor allen Dingen auch dadurch, dass wir Angebote für Schulen machen, zum einen Materialien entwickeln für den Unterricht, zum anderen auch Lehrerfortbildung anbieten, übrigens auch Journalistenseminare in regelmäßigen Abständen für Journalistennachwuchs, die dann, wenn sie eine Woche bei uns waren, doch sehr beeindruckt sind und sich fragen, warum sie sich bis dahin noch nicht dafür interessiert haben.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.