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Lernlabor in Frankfurt
Interaktives Lernen mit Anne Frank

Am Beispiel des Schicksals von Anne Frank sollen die Folgen von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung erklärt werden. Dazu wendet sich ein neues interaktives Lernlabor in Frankfurt am Main besonders an Jugendgruppen.

Von Ludger Fittkau | 30.07.2018
    Die Gruppe aus dem Schüler- und Studentencafé Müller in Frankfurt am Main wird gleich am Eingang zum neuen Lernlabor in der Bildungsstätte Anne Frank mit einen kleinen Videofilm empfangen. Es ist eine schnell geschnittene Collage gedanklicher Assoziationen rund um das Thema Diskriminierung. Anne Frank findet erst einmal nur kurz Erwähnung. Die Bildungsstätte liegt nur wenige hundert Meter von ihrem Geburtshaus entfernt.
    Deborah Krieg, die Kuratorin des neuen Lernlabors, möchte von der Gruppe wissen, was sie vom Einführungsfilm halten. Die 25 Jahre alte Politikstudentin Vivi antwortet:
    "Ja, heute weiß jeder, was Anne Frank geschrieben hat, aber damals hat es niemanden interessiert. Ich habe so ein bisschen den Bezug zu heute, dass man sich heute vielleicht mehr zuhören sollte oder bestimmten Stimmen ein Gewicht zu geben, die einfach noch nicht so gut gehört werden."
    Das neue Lernlabor in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main bietet zum einen Stationen, an denen man viel über die Geschichte der berühmten Tagebuchschreiberin und der anderen Versteckten im Amsterdamer Hinterhaus erfahren kann. Weitere Lernstationen regen an zur Auseinandersetzung mit eigenen Ressentiments, mit Diskriminierung und Rassismus früher und heute . Gerade die "Social Media"- Kommunikation im Internet fordert die Jugendpädagogik aktuell besonders heraus.
    Mit dem Tablet-PC durch den Lernort
    Darauf reagiert auch das Lern-Labor.
    "Wir haben eine Station zur Hate-Speech. Gerade ganz aktuell in den sozialen Medien aufgekommen. Wo fängt Hate Speech eigentlich an oder wann fallen Sachen tatsächlich noch unter den Mantel der Meinungsfreiheit?",
    erklärt der Ethnologie-Student Markus Erich, der heute der Gruppe als Begleiter durch das Lernlabor zur Verfügung steht. Er drückt allen Besuchern ein sogenanntes "digitales Tool" in die Hand, das wie ein kleiner Tablet-PC aussieht und mit dem man eigenhändig an den jeweiligen Stationen eine Menge Fotos, Audios oder auch Zeichentrickfilme aufrufen kann.
    "Ach, wie abgefahren!" Meura Farucha probiert ihr Tool begeistert an der Station aus, wo ein sogenanntes "Virtuelles Hinterhaus" das Anne-Frank-Versteck in Amsterdam erfahrbar machen soll. Als sie das Gerät an einen Kontaktpunkt auf dem Gebäudeplan hält, tauchen auf dem Bildschirm Fotos eines Wohn- und Schlafraumes auf: "Das ist jetzt wie ein VR-Raum- virtueller Realitätsraum. Ich kann mich jetzt hier umgucken und da steht ein Schreibtisch da, der gar nicht da ist."
    Meura Farucha bewegt ihr digitales Tool hin und her, immer weitere Details des Amsterdamer Hinterhaus-Verstecks werden sichtbar.
    Technische Spielerei mit vielen interaktiven Elementen - das ist das zentrale Kennzeichen des neuen Lernlabors in der Anne-Frank-Bildungsstätte im Frankfurter Norden. Doch die Technik überdeckt die Inhalte nicht. Drei Jahre hat man am Konzept für die Ausstellung getüftelt, berichtet Kuratorin Deborah Krieg:
    "Es war eine partizipative Konzeption. Das heißt, wir haben uns nicht hingesetzt und haben gesagt, wir wissen, wie es geht. Sondern wir wollen vor allen Dingen jugendliche Perspektiven hören, immer wieder als Korrektiv haben."
    "Sachen besprechen, die einen bewegen"
    Die 19 Jahre alte Emily Fillmann, die gerade ihr Abitur gemacht hat, nimmt sich die Zeit für eine Zeichentrickgeschichte, in der über die Reise einer jungen Frau ohne Ausweispapiere durch das heutige Europa erzählt wird. Das "digitale Tool" wird dabei immer wieder eingesetzt, um den Reiseverlauf zu verändern:
    "Ich finde es eigentlich ganz gut, es hat jetzt ein bisschen gedauert, vor allem, weil man viel lesen muss, aber man findet sich dann auch ein. Ich halte mich hier lieber ein bisschen länger auf, eine Viertelstunde, als hier einfach nur so durch zu schlendern."
    Von der Geschichte der Anne Frank und ihrer Familie bis zur Auseinandersetzung mit Diskriminierungserfahrungen heute liefert das Lernlabor reichlich Stoff zum weiterdiskutieren. Die Bildungsstätte bietet Besuchergruppen gleich vor Ort auch die Möglichkeit dazu, so Lernlabor-Kuratorin Deborah Krieg:
    "Der Besuch im Lernlabor ist auch so angelegt, dass es immer eine Phase geben wird, in der man all die Sachen besprechen kann, die einen auch bewegen."
    Bis zu vier Stunden können lang können die Aufenthalte im neuen Lernlabor dauern. Langweilig wird das trotzdem nicht, findet die Gruppe aus dem Schülercafé Müller:
    "Ich glaube, ich könnte hier tatsächlich vier oder fünf Stunden verbringen."
    "Das ist schon superspannend."