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Lesbische Frauen in Tunesien
"Meine Familie weiß das nicht"

Sie werden weggesperrt, beleidigt oder erpresst: lesbische Frauen in Tunesien. Dennoch gibt es einige unter ihnen, die sich nicht länger verstecken wollen, sondern für ihre Rechte kämpfen - unter anderem mit einem Festival für feministische Kunst mitten in Tunis.

Von Jens Borchers |
    Zwei Frauen gehen in Tunis an einer blauen Wand vorbei
    Die NGO "Chouf" setzt sich für die Rechte von Frauen in Tunesien ein (dpa / Andreas Gebert)
    Bochra Triki ist Ende 20, voller Energie und hat mit diesem Festival Chouftouhonna ein klares Ziel:
    "Das ist auch etwas, was wir erreichen wollen: Raum für Frauen zurückzuerobern, auch den öffentlichen Raum."
    Es geht um Sichtbarkeit. Darum sich nicht mehr zu verstecken. Denn nach wie vor steht Homosexualität in Tunesien unter Strafe: Bis zu drei Jahre Gefängnis. Bochra Triki riskiert also dauernd, im Knast zu landen. Sie ist Französisch-Dozentin an einer Universität im Süden Tunesiens. Dort wissen einige, dass sie lesbisch ist:
    "Mein Abteilungsleiter weiß es. Er will gelassen damit umgehen, macht aber immer mal wieder kleine Witze darüber. Es ist immer noch so: Man redet gar nicht drüber oder zieht es ins Lächerliche."
    Neben Bochra Triki sitzt eine junge Frau, ebenfalls lesbisch. Sie ist nach einem üblen Erlebnis in einem öffentlichen Park zur Frauen-Organisation "Chouf" gekommen:
    "Ich war mit einer Freundin im Park. Wir haben uns umarmt und geküsst. So ein Typ hat Fotos von uns gemacht, kam dann zu mir und sagte: Wenn ich Sex mit ihm hätte, würde er die Fotos nicht ins Netz stellen."
    Das Gefühl, nicht allein zu sein
    Danach begann die junge Frau, sich nach Hilfe umzusehen. Sie fand "Chouf".
    "Da habe ich gesehen, dass ich nicht alleine bin. Dass es Anwälte, Psychologen und eben einfach Aktivisten gibt, die sind wie ich und die mischen sich ein."
    "Chouf" - das lässt sich vielleicht am besten mit "Schau!" übersetzen, im Sinne von hinsehen, wahrnehmen. Denn darum geht es den Frauen. Bochra Triki hat das in der eigenen Familie erlebt:
    "Mein Vater hat früher sehr oft ziemlich abfällige Bemerkungen über Homosexuelle gemacht. Aber seit ich bei 'Chouf' mitmache, seit er unsere Internetseite verfolgt, sieht, was wir tun und auch sieht, was uns passiert – seitdem hat sich viel geändert."
    Bochra Triki geht in die Öffentlichkeit, mit vollem Namen, mit dem Willen, die Situation für lesbische Frauen und für Frauen überhaupt in Tunesien zu verändern. Ihre Kollegin arbeitet mit, will aber ihren Namen nicht sagen.
    "Meine Familie weiß das nicht. Sie wissen, dass ich mich für Frauen einsetze. Aber wenn ich zuhause Papiere vorbereite, die etwas mit Schwulen und Lesben zu tun haben, dann passe ich auf, dass ich keine Spuren hinterlasse."
    Sie fühlt sich gleich doppelt unter gesellschaftlichem Druck: Sie ist nicht nur Feministin, sondern auch lesbisch. Das ist im tunesischen Alltag alles andere als eine komfortable Position, sagt sie.
    Es tut sich etwas
    Und dennoch: Es tut sich etwas, wenn auch nur in kleinen Schrittchen. Chouftouhonna, das Festival für feministische Kunst, gab es bereits zweimal - in einem kleinen Touristenort, außerhalb der Hauptstadt. Diesmal aber kommt Chouftouhonna nach Tunis. Mitten ins Zentrum. Dorthin, wo es alle sehen können.