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Lesebuch für lange Abende vor dem Kamin
Eine Liebeserklärung an die Esche

Die beste Baumart von allen ist die Esche. Diese Überzeugung vertritt zumindest Robert Penn in seinem Buch "Der Mann, der einen Baum fällte und alles über Holz lernte". Und er lässt dort dem Baum die Anerkennung zukommen, die ihm seiner Ansicht nach bislang verwehrt wurde.

Von Joachim Budde |
    Blick auf den Stamm und in die Baumkrone einer alten Esche.
    Robert Penn verarbeitete das Holz seiner perfekten Esche auf 44 verschiedene Weisen (picture-alliance/ Horst Ossinger)
    So hat sie beispielsweise nie die Schlagzeilen nach sich gezogen, nie den Applaus gehört und nie die Aufmerksamkeit der Dichter erregt, die der Eiche stets zuteilwurden. Sie galt nie als Holz der Könige; aus ihr stellte man keine Palastmöbel her, baute keine himmelhohen Kathedralen und keine Schiffe Ihrer Majestät.
    Doch angesichts ihrer unzähligen und immens wichtigen Verwendungsarten in der Vergangenheit fragte ich mich, ob die Esche nicht vielleicht der Baum ist, mit dem der Mensch über die Jahrtausende hinweg die vertrauteste und innigste Beziehung gepflegt hat.
    Axtgriffe, Wagenräder, Schneeschuhe, Skier, Schlitten, Tennisschläger – die Liste, der Dinge, die man aus Eschenholz fertigen kann, ist wirklich ellenlang. Eschen liefern zudem ein besonders gutes Feuerholz.
    Die Suche nach der perfekten Esche
    Die Esche ist eine der größten Gaben, die die Natur dem Menschen in den gemäßigten Regionen unseres Planeten im Laufe der Menschheitsgeschichte schenkte – und wir wollen sie nur verheizen?
    Eben nicht, dachte sich der britische Journalist und Autor. Und startete ein episches Projekt. Wochenlang sprach er mit Förstern, strich durch Wälder auf der Suche nach dem perfekten Eschenbaum – und fand ihn:
    "Ein schöner Baum. Erstmals versetzte mir der Gedanke daran, die Esche zu fällen, einen Stich."
    Robert Penn kletterte in die Krone, verbrachte eine Nacht an ihren Wurzeln und bat die Esche um Erlaubnis, ehe er sie fällen und in Bretter und Stücke zersägen ließ. Am Ende der zwei Jahre hatte er ihr Holz auf 44 verschiedenen Weisen verarbeiten lassen.
    Spannende und humorvolle Einblicke in die Kunst des Holzhandwerks
    Jeder dieser Gegenstände sprach für sich vom Geschick und Idealismus der Kunsthandwerker und Handwerker, die sie geschaffen hatten. Das Wissen dieser Menschen deutete auf eine Zeit hin, zu der das Verhältnis zwischen Mensch und Natur noch etwas sensibler und enger war.
    Genau das ist das Schöne an diesem Buch: Vor jedem Verarbeitungsschritt erweitert Robert Penn sein Wissen über dieses tolle Holz. Der Erzählfluss mäandert wunderbar langsam durch den Stoff, er berührt sozialgeschichtliche Aspekte und legt fast vergessene Handwerke und ihr Spezialwissen frei.
    Wenn seine Begeisterung und Faszination mit ihm durchzugehen drohen, schafft Robert Penn es, sie mittels typisch britischer Selbstironie wieder einzufangen. Ein Beispiel: Als er die kleinen Äste zum Verfeuern nach Hause brachte, trat seine Frau mit einer Tasse Kaffee vor die Tür:
    "Wie schön", sagte sie lächelnd. "Mein kleiner Neandertaler-Ehemann schleppt Brennholz heran, damit sein Stamm im Winter nicht erfriert."
    Zielgruppe des Buches sind Leute, die wissen, dass Holz nicht im Baumarkt wächst, und erfahren wollen, wie es dort hingelangt. Es gab eine Zeit ohne Kunststoffe. Schon damals haben die Menschen tolle Dinge hergestellt, nur eben aus Holz und etwas aufwändiger.
    Robert Penn: "Der Mann, der einen Baum fällte und alles über Holz lernte", Ullstein-Verlag, 272 Seiten, 20 Euro.