In jeder freien Minute sind Rodion Rodionow und Maris Rudzitis irgendwo in Lettland mit ihrer Kamera unterwegs. Auf Spurensuche nach Hinterlassenschaften der sowjetischen Armee durchkämmen sie Wälder und Dörfer im ganzen Land. 20 Jahre nach dem Abzug der Armee wollen der junge russischstämmige Lette und sein lettischer Freund entdecken, wie es in den einst geheimen Militärstädten ausgesehen hat.
"Wir retten unsere Geschichte und halten sie für die nächsten Generationen fest. Denn leider gibt es viele, die diese einstigen Stützpunkte plündern und zerstören, um mit Buntmetall Geld zu verdienen."
"Heute gibt es bei uns in Lettland keine Städte mehr, die so völlig isoliert sind. Hier herrschten damals auch andere Gesetze, man musste einen Ausweis haben um hier herein zu kommen. Das müssen die Leute wissen. Wenn jetzt alles zerstört wird, dann bleiben wenigstens unsere Bilder."
Die Militärstadt im Wald bei Skrunda wurde schon vor langer Zeit sich selbst überlassen. Asphaltwege sind aufgeplatzt, Gärten verwildert, fünfstöckige Klinkerbauten wurden geplündert und zerstört. In der einstigen Grundschule erinnern verwitterte Wandzeichnungen von siegreichen Rotarmisten und Lenin daran, wie einst die Kinder sowjetischer Militärs unterrichtet wurden. 50 Jahre war Lettland von der Roten Armee besetzt. In Skrunda haben mehr als 5000 Militärangehörige mit ihren Familien gelebt und über eine Radarstation den nordwest-europäischen Luftraum kontrolliert. Auf Spurensuche gehen sie gemeinsam, doch die damaligen politischen Verhältnisse bewerten Rodion und Maris unterschiedlich.
"War Lettland besetzt oder nicht, war die Zeit gut oder schlecht. Das spielt keine Rolle für mich. Ich war damals noch nicht geboren. Es ist nun mal passiert, wir können es nicht mehr ändern. Aber die Überreste dieser Geschichte versuche ich mit Maris festzuhalten."
"Natürlich hat Moskau damals Lettland besetzt, ähnliches wiederholt sich doch gerade in der Ukraine. Zum ersten Mal verstehe ich, was damals hier geschehen ist. Aber während der Besatzungszeit haben uns die Sowjets auch verteidigt und tatsächlich vor Gegnern beschützt. Also gab es gute und schlechte Seiten."
Viele wollten den Abriss der Radarstation
In den Nachbardörfern sehen das die Leute anders. Maris und Rodion treffen Ints Folkmanis auf. Der ehemalige Traktorist war früh gegen sie sowjetische Besatzung, unter der sein Land soviel gelitten habe. Deshalb setzte er sich aktiv für den Abriss der Radarstation von Skrunda ein. Die Rede war auch von elektromagnetischen Wellen, die die Leute krank gemacht haben sollen.
Mit Hilfe der US-Armee wurde die riesige Betonhülle des geplanten Neubaus zwar schon 1995 gesprengt, erinnert sich Ints Folkmanis. Die alte Radaranlage durfte Moskau aber noch vier weitere Jahre betreiben, bedauert er. Dann wurde sie endlich abgebaut und zerstört. Wenn Russland jetzt nicht nur die Ukraine sondern auch das Baltikum zurückhaben wolle, meint Ints Folkmanis, dann sei es hilfreich, dass kein Frühwarnsystem mehr zur Verfügung stehe.
"Russland diente der Radar zur Verteidigung der Heimat. Aber weshalb sollte in meinem Vaterland die Armee eines fremden Landes stationiert sein um seine Heimat zu verteidigen? Die Anlage musste einfach weg. Der Welt diente die Zerstörung als Symbol für das Ende des Kalten Krieges. Würde sie heute noch arbeiten, könnte sie Russland wieder dienen und uns gefährlich werden."
Fotograf Rodion Rodionow widerspricht:
"Russland wird Lettland nicht besetzen, das ist nur Gerede. Genauso wenig werden wir lettischen Russen die russische Armee willkommen heißen. In Russland gibt es viel mehr Probleme als bei uns, ich möchte hier leben und nicht ein Teil Russlands sein."
Für Rodion und Maris geht die Spurensuche erst einmal weiter. Wo genau behalten die beiden übrigens meist für sich. Damit Plünderer die letzten
Spuren der sowjetischen Armee in Lettland nicht auch noch verwischen.
Spuren der sowjetischen Armee in Lettland nicht auch noch verwischen.