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Letzte Chance einer Hoffnungsträgerin

Bei den dänischen Parlamentswahlen am Donnerstag hat die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt laut Umfragen gute Chancen, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Für die schillernde Politikerin mit Hang zu teurem Lebensstil wird die Wahl womöglich zum Wendepunkt.

Von Marc-Christoph Wagner | 14.09.2011
    Jung, selbstbewusst, nahezu eine Lichtgestalt - als Helle Thorning-Schmidt im Frühjahr 2005 zur Vorsitzenden der dänischen Sozialdemokraten gewählt wurde, galt sie als Hoffnungsträgerin einer am Boden liegenden und zerstrittenen Partei. Selbstgewiss verkündete sie damals vor den Delegierten, sie werde den amtierenden Ministerpräsidenten - den heutigen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen - schlagen.

    Doch es kam anders! Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren setzte sich die bürgerliche Regierung durch - unterstützt von den Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei und zum dritten Mal in Folge. Die Sozialdemokraten erzielten mit 25,5 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 100 Jahren. Die heute 44-jährige Thorning-Schmidt blieb dennoch an der Parteispitze und versuchte, von ihrem Image als jet-settende Gucci-Helle loszukommen. Sie profilierte sich als Anwältin der einfachen Leute, die sich um die Zukunft des Wohlfahrtsstaates sorgt:

    "Wir Sozialdemokraten wissen, dass es unsere Aufgabe ist, jeden einzelnen Tag für die ganz normalen Dänen und ihren Alltag zu schuften."

    Auch im aktuellen Wahlkampf blieb Thorning-Schmidt ihren Kernthemen treu: Wachstum, Wohlstand und Wohlfahrt für alle. Der Regierung warf sie immer wieder angriffslustig vor, während der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht die richtige Kur gefunden zu haben. Wachstum und Beschäftigung habe sie nicht ausreichend stimuliert:

    "Ihr hattet zehn Jahre an der Macht. Und wenn ihr die Wahl gewinnt, werdet ihr an eurem Kurs festhalten, der in die Irre führt: Ihr veranlasst Steuererleichterungen, die nicht wirken, ihr investiert weder in Bildung noch in Gesundheit oder Infrastruktur. Kurzum: Ihr rüstet Dänemark nicht für die Zukunft."

    Eine von ihr geführte Regierung, verspricht Thorning-Schmidt, werde die Wirtschaft durch massive öffentliche Investitionen beleben. Zudem werde sie einige Reformen der bürgerlichen Regierung zurücknehmen: etwa die Kürzungen für Frührentner. Ihrer Meinung nach sollten alle Arbeitnehmer eine Stunde mehr pro Woche arbeiten, Millionäre sollten zusätzlich besteuert werden, und um Kopenhagen herum wolle sie ein Mautsystem einführen.

    "Bei der Wahl geht es um zwei grundverschiedene Wege: Wir wollen Wachstum, die Regierung will sparen. Aber auch wir geben auf Dauer kein Geld aus, das wir nicht haben. Jede Investition finanzieren wir gegen."

    Die sozialdemokratische Spitzenkandidatin bemüht sich, bei den Wählern den Eindruck einer seriösen Haushalts- und Finanzpolitikerin zu hinterlassen. Um so gereizter reagierte sie vergangene Woche, als eine große dänische Boulevardzeitung Unterlagen veröffentlichte, die dokumentierten, Thorning-Schmidt selbst habe jahrelang zu wenig Steuern bezahlt:

    "Ich kenne niemanden, dessen Steuerzahlungen gründlicher durchgekämmt wurden als meine und die meines Mannes. Schon im vergangenen Jahr wurden wir von den Behörden freigesprochen. Und prinzipiell möchte ich eine Privatangelegenheit wie diese nicht öffentlich kommentieren."

    Wird Helle Thorning-Schmidt die Hoffnungen ihrer Parteigenossen einlösen und die Sozialdemokraten nach zehn Jahren in der Opposition an die Macht zurückführen? Die Umfragen deuten dies an, wenn sie auch zugleich ein knappes und für die Sozialdemokraten noch schlechteres Wahlergebnis als vor vier Jahren voraussagen. Für Henrik Qvortrup, politischer Chefkommentator des zweiten dänischen Fernsehens, jedenfalls ist klar, die Wahl wird so oder so über die Zukunft von Helle Thorning-Schmidt entscheiden:

    "Dies ist ihr letzter Versuch. Entweder sie wird die erste Regierungschefin Dänemarks oder sie tritt zurück. Dann geht sie in die Geschichte ein als diejenige, die sagte: Ich kann die Sozialdemokraten an die Macht bringen, und eben daran scheiterte."