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Libanesischer Politiker ist gegen Intervention von Außen in Syrien

Walid Dschumblatt sagt, dass man den arabischen Völkern den notwendigen Wandel nicht verweigern könne. Die Monarchien müssten sich zu konstitutionellen Monarchien entwickeln, so der Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei im Libanon.

Walid Dschumblatt im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.12.2011
    Weil ich gegen eine Intervention von außen bin. Das würde Syrien und die Region ins Chaos stürzen.

    Christoph Heinemann: Was erwarten Sie vom Besuch der Delegation der Arabischen Liga in Syrien?

    Walid Dschumblatt: Diese Reise ist Teil eines Prozesses, Teil der arabischen Initiative. Ziel diese Initiative ist, dass sich die syrische Armee aus den Städten zurückzieht, dass die politischen Gefangenen befreit werden, dass diejenigen vor Gericht gestellt werden, die Verbrechen gegen das syrische Volk begangen haben und dass die Verfassung überarbeitet wird, um einen politischen Pluralismus in Syrien zu ermöglichen. Wenn man den Besuch der Delegation nicht im Zusammenhang dieser Initiative sieht, dann bleibt nur eine touristische Reise übrig, das heißt, sie werden vielleicht das Sheraton-Hotel und die Umayyaden-Moschee zu Gesicht bekommen. Das Wichtigste für die Beobachtermission und die arabische Initiative sind radikale Reformen in Syrien.

    Heinemann: Können Sie Informationen über Massenhinrichtungen in Syrien bestätigen?

    Dschumblatt: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich weiß, dass die Gewalt zugenommen hat, seitdem das syrische Regime die Beobachtermission akzeptiert hat. In den letzten Tagen gab es mindestens 400 Tote.

    Heinemann: Wie sollten die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staaten und die Europäischen Union reagieren?

    Dschumblatt:Sie sollten ohne eine Intervention von außen das syrische Regime dazu bringen, dass es sich die Ziele der arabischen Initiative zu eigen macht. Ich sehe keine Alternative. Es geht darum, aus einem autoritären und diktatorischen Regime ein pluralistisches zu formen.

    Heinemann: Wieso ohne Intervention von außen?

    Dschumblatt: Weil ich gegen eine Intervention von außen bin. Das würde Syrien und die Region ins Chaos stürzen.

    Heinemann: In Libyen hat es doch funktioniert?

    Dschumblatt: Bis jetzt hat es funktioniert, aber Libyen und Syrien sind gänzlich unterschiedlich. Und wir sehen, dass Libyen im Streit der unterschiedlichen Milizen versinkt. Wir wollen nicht, dass sich dies in Syrien wiederholt.
    Heinemann: Welche Alternativen gibt es, wenn man die Menschen, die vom Tode bedroht sind, schützen will?

    Dschumblatt: Die Einzigen, die Baschar al Assad überzeugen können, seine letzten Getreuen sind die Iraner und die Russen. Ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist, ihm klarzumachen, dass seine Methoden nur zu Blutvergießen führen, und dass er so nicht weitermachen kann. Vielleicht kann es eine Lösung nach jemenitischem Vorbild geben: Irgendwo einen Zufluchtsort für ihn finden und eine Übergangsregierung einsetzen.

    Heinemann: Besteht die Gefahr, dass sich Syrien zu einem zweiten Libanon entwickelt?

    Dschumblatt: Ich hoffe nicht. Und deshalb muss man Assad davon überzeugen, dass seine Methoden nicht dazu führen werden, die Einheit und den Frieden in Syrien zu wahren. Das müssen ihm seine Freunde sagen: die Iraner und die Russen.

    Heinemann: Im Westen befürchten einige nach einem Sturz des Assad-Regimes eine Islamisierung Syriens.

    Dschumblatt: Ich habe keine Angst vor dem Islam und weise das zurück. Wenn der Islam in Syrien, in Ägypten und anderswo aus den Wahlurnen heraus bestätigt wird, dann macht mir das keine Angst. Damit haben uns die Diktatoren immer gedroht. Außerdem ist Syrien ein sehr vielschichtiges Land: Es gibt die Islamisten, die Nicht-Konfessionellen und andere.

    Heinemann: Sind Sie zuversichtlich oder pessimistisch?

    Dschumblatt: Die Frage lautet nicht optimistisch oder pessimistisch. Man kann den arabischen Völkern den notwendigen Wandel nicht verweigern. Das hat in Tunesien begonnen. Die Monarchien müssen sich zu konstitutionellen Monarchien entwickeln. Und auch die Republiken müssen rechtsstaatlich werden. So wie bisher, mit diktatorischen Regimen, kann man nicht weitermachen.