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Libanon
Erfolgreicher Kampf gegen illegalen Antikenhandel

Am 2. Februar feiert der Libanon die Rückkehr mehrerer großer Kunstschätze aus phönizischer Zeit in sein Nationalmuseum. Die geplünderten Werke waren auf dem internationalen Kunstmarkt gelandet. Den Sieg im Kampf gegen Antiquitätenschmuggel hat das Land der Zusammenarbeit zahlreicher Experten und Behörden zu verdanken. Auch eine kleine NGO hat entscheidend dazu beigetragen.(*)

Von Anne Françoise Weber | 28.01.2018
    Innenansicht des Nationalmuseums, Beirut, Libanon
    Am kommenden Freitag wird im Beiruter Nationalmuseum die Rückkehr der antiken Kunstwerke mit einer festlichen Zeremonie begangen (imago/imagebroker)
    Jounieh, eine Küstenstadt rund 20 Kilometer nördlich von Beirut. Joanne Farchakh Bajjaly führt durch die Räume ihrer kleinen Nichtregierungsorganisation Biladi, arabisch für mein Land. Begonnen hat sie ihre Arbeit 2005, nach dem Irakkrieg und den Plünderungen antiker Stätten und des Bagdader Museums. Denn damals wurde der libanesischen Archäologin und Journalistin klar, wie unwiederbringlich der Verlust von solch alten Kulturgütern ist – und dass es Präventionsarbeit braucht.
    "Kulturerbe zu bewahren ist auch eine Frage der Bildung. Man muss lernen, wie wichtig der Erhalt des Erbes ist, und darf es nicht nur für selbstverständlich halten. Wir laufen Gefahr zu glauben, unser Kulturerbe würde immer fortbestehen, weil es schon seit 5.000 Jahren hier ist."

    Anfangs organisierte Biladi vor allem Museumsbesuche für Kinder und Schulausflüge zu den antiken Stätten des Libanon. Neben vielen anderen Projekten hat im vergangenen Jahr mit Finanzierung der norwegischen Botschaft ein Expertenprogramm begonnen:
    "Esterdad ist arabisch für Rückerstattung. Es geht darum, antike Stücke zurückzuholen, die während eines Krieges geplündert wurden und auf den internationalen Kunstmarkt gekommen sind. Das Ziel ist, der Bevölkerung wieder ein wenig von ihrer Würde zurückzugeben, die sie im Krieg immer verliert. Wenn man Antiken und Kulturobjekte wegnimmt, nimmt man den Menschen ihre eigene Geschichte weg, und das ist sehr schmerzhaft."
    Joanne Farchakh Bajjaly und Karl Azzam bereiten den nächsten Esterdad-Kurs vor
    Joanne Farchakh Bajjaly und Karl Azzam bereiten den nächsten Esterdad-Kurs vor (Deutschlandradio/A. Weber)
    Zusammenstellung von Unterlagen für die Rückforderung
    Um die Objekte zurückzubekommen, ist nicht nur eine gute Kenntnis internationalen und nationalen Rechts nötig – man muss auch eine Akte erstellen können, die ganz genau nachweist, dass das entsprechende Objekt unrechtmäßig das Land verlassen hat. Deswegen bringt das Trainingsprogramm internationale Experten mit lokalen Archäologen, Regierungsangestellten, Wissenschaftlern oder Rechtsanwälten zusammen.
    In einem der kleinen Büroräume sitzt Karl, neben sich eine weiße Tafel mit Teilnehmernamen – neben manchen steht "bestätigt", bei anderen ist das Feld noch leer. Der junge Archäologe ist dabei, den neuen Kurs von Esterdad zu koordinieren, der Mitte Februar beginnt. Vor einem Jahr war er selbst Kursteilnehmer. Er erzählt, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Libanesen und Syrern mit ganz unterschiedlicher politischer Einstellung funktionierte:
    "Da waren Teilnehmer von allen Seiten. Wir waren im gleichen Raum und haben nur über eine Sache gesprochen: wie wir unser Kulturerbe schützen können. Wir haben alles andere ausgeblendet, weil es hier um etwas Wichtigeres geht. Politiker kommen und gehen, aber unser Kulturerbe ist seit Jahrtausenden hier – und wir wollen es behalten."
    Nach zwei Wochen intensiven Trainings bleiben die Experten im Kontakt mit den Teilnehmern und helfen ihnen, die entscheidenden Unterlagen für eine Rückforderung zusammenzustellen. Und da führte gleich der erste Kurs zu einem Riesenerfolg: "We had the Jackpot."
    Wertvolle Objekte kehren zurück
    Mit der Unterstützung der internationalen Experten konnten die libanesischen Behörden mehrere äußerst wertvolle Objekte aus den phönizischen Tempelanlagen von Echmoun aus dem fünften Jahrhundert vor Christus zurückgewinnen. Das bekannteste Stück, ein großer Stierkopf aus Marmor, war als private Leihgabe im New Yorker Metropolitan-Museum ausgestellt gewesen. Ein anderes war im vergangenen Frühjahr in Freiburg aufgetaucht. Ein Kunsthändler hatte es erworben und sich an das britische art loss register gewandt, eine private Datenbank zur Herkunftsklärung von Kunstgegenständen.
    "Es handelt sich um einen sehr beeindruckenden männlichen Marmortorso, ungefähr 50 Zentimeter hoch."
    James Ratcliffe, ausgebildeter Archäologe und Jurist, ist der Leiter der Rückerstattungsabteilung des art loss register – und hatte wenige Wochen vor der Anfrage des Freiburger Kunsthändlers den Teilnehmern des Esterdad-Programms im Libanon erklärt, wie der internationale Kunstmarkt funktioniert. Am Telefon aus London erzählt er, dass sich in seiner Datenbank Fotos des Torsos fanden, der in den 1980er-Jahren während des libanesischen Bürgerkriegs aus einem Museumsarchiv geplündert worden war. Der Prozess zur Rückführung, für den eine offizielle Anforderung des Herkunftsstaates nötig ist, konnte beginnen:
    "Durch das Esterdad-Programm war die Kommunikation mit dem Nationalmuseum in Beirut viel einfacher. Wir kannten einander persönlich, was Dinge immer beschleunigt. Diese Art von persönlichem Kontakt ist entscheidend, denn wenn man sich mit Objekten auf dem Kunstmarkt befasst, muss man schnell aktiv werden. Es war sehr gut, die Leute getroffen zu haben, die im Nationalmuseum täglich mit solchen Dingen zu tun haben."
    Am kommenden Freitag wird im Beiruter Nationalmuseum die Rückkehr der antiken Kunstwerke mit einer festlichen Zeremonie begangen. Joanne Farchakh Bajjaly und das Esterdad-Team werden dabei sein – und zwei Wochen später den nächsten Kurs starten. Neben libanesischen und syrischen sind diesmal auch irakische Teilnehmer dabei. Das Netzwerk im Kampf gegen Antikenschmuggel wächst.
    *In der ursprünglichen Version der Einleitung zu diesem Beitrag entstand der Eindruck, allein die NGO "Biladi" sei für die Rückführung von Kunstschätzen in das libanesische Nationalmuseum verantwortlich. Das ist nicht richtig. Tatsächlich waren zahlreiche Experten und Behörden daran beteiligt, die NGO hat vor allem zu deren Vernetzung beigetragen. Wir haben den Einleitungstext angepasst.