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Lichtleiter mit integrierter Elektronik

Technologie.- Wenn Internet-Datenpakete von einem Ort zum anderen transportiert werden, geschieht das zum größten Teil über Glasfasern. An den Knotenpunkten des globalen Datennetzes werden die optischen Signale allerdings immer wieder in elektronische Impulse umgewandelt. Neuartige Glasfaserkabel mit integrierter Elektronik könnten diesen Schritt überflüssig machen.

Von Ralf Krauter | 06.02.2012
    Über eine Milliarde Kilometer Glasfaserkabel sind derzeit weltweit im Boden vergraben. Die Lichtpulse darin übermitteln Daten in atemberaubendem Tempo. Die Glasfasern selbst sind dabei nur passive Röhren, durch die Informationen rauschen. Doch wenn es nach Dr. Pier Sazio vom Optoelektronik-Forschungszentrum der Universität Southampton geht, dann könnte sich das bald ändern.

    "Bisher dienen Glasfasern nur dazu, Lichtteilchen rund um den Globus zu transportieren. Die Arbeit, die wir heute im Fachmagazin "Nature Photonics" präsentieren, geht einen Schritt weiter. Wir wollen die Glasfasern von passiven zu aktiven Bauteilen machen. Indem wir zusätzliche Technologien integrieren, verleihen wir den Lichtleitern neue Funktionen, sodass sie beispielsweise die in den Lichtpulsen kodierten Daten detektieren können."

    Lichtpulse zu detektieren, zu synchronisieren und zu manipulieren, das ist bisher die Aufgabe von optoelektronischen Chips, die an den Knotenpunkten des Glasfasernetzes den Datenverkehr regeln. Doch diese Halbleiter-Bauelemente sind die Flaschenhälse der Datenautobahnen: Es kostet schlicht Zeit, die Lichtpulse alle paar Kilometer in elektrische Signale zu verwandeln, bevor sie dann wieder als Lichtpuls auf die nächste Etappe geschickt werden.

    Was also, wenn es gelänge, all das, was heute die zwischengeschalteten Optoelektronik-Chips leisten, in den Glasfasern selbst zu erledigen – damit die Lichtpulse die Kabel auf ihrem Weg von A nach B gar nie verlassen müssen? Es ist diese Vision vom komplett optischen Fasernetzwerk, die Pier Sazio und seine Kollegen antreibt. Gemeinsam mit dem US-Chemie-Professor John Badding von der Penn State University, hat er jetzt eine Glasfaser mit integrierter Elektronik hergestellt.

    "Gewöhnliche Glasfaserkabel bestehen aus einem kompakten Kern und einer Ummantelung, die das Licht hin und her reflektiert und so daran hindert, den Kern zu verlassen. Die Glasfasern, die wir hier, am Forschungszentrum für Optoelektronik, herstellen, sehen ganz anders aus. Sie haben in ihrem Inneren haufenweise luftgefüllte Röhren, die zu interessanten optischen Eigenschaften führen. Und wir haben uns gedacht: Wenn wir diese Luftröhren von innen mit Halbleiterfilmen beschichten, könnte das zu nützlichen Bauteilen führen."

    Unter hohem Druck ließen die Forscher nacheinander verschiedene Gase in ihre hohlen Lichtleiter strömen. Und zwar Silizium-, Germanium-, Bor- und Platinverbindungen, wie sie auch sonst bei der Halbleiterherstellung zum Einsatz kommen. Die Folge: Die Abscheidung hauchdünner Schichten, die sonst zu planaren Siliziumchips führt, passierte in den Poren der Glasfaser.

    "Wir brauchen keine Wafer, keine Lithografie und andere teure Reinraumtechnologien, um präzise Halbleiterstrukturen zu erzeugen. Wir machen all das direkt in der Glasfaser."

    Dabei entstehen in den hohlen Lichtleitern Transistoren und lichtempfindliche Photodioden, die so leistungsfähig sind, dass sie den Vergleich mit chipbasierter Elektronik nicht zu scheuen brauchen. Mit dem integrierten Photodetektor zum Beispiel wäre es möglich, optische Datenpulse in einer Glasfaser en passant in elektrische Signale zu verwandeln und auszulesen.

    "Die simplen Halbleiterbauelemente, die wir jetzt demonstriert haben, zeigen das Potenzial der Methode, präzise elektronische Komponenten in Glasfasern zu integrieren. Derzeit arbeiten wir daran, komplexere Dinge zu realisieren, mit denen sich Licht umfassend manipulieren lässt. Es gibt da viele spannende Möglichkeiten."

    Noch ist das Grundlagenforschung. Doch eines Tages könnte sie uns nicht nur schnellere Datennetze bescheren, sondern auch neuartige Laser und empfindlichere optische Sensoren.