Gutgehen kann das schon deshalb nicht, weil jede der drei Hauptfiguren Vorstellungen, genauer gesagt; Illusionen von der idealen Liebe hegt, die für sich verkitscht und miteinander kaum kompatibel sind. Stuart hält nämlich "die erste Liebe" für "die einzige Liebe." Oliver behauptet: "So viel Liebe wie möglich ist die einzige Liebe." Und Gillian meint, das "wahre Liebe die einzige Liebe" sei. Die illusionäre Sentimentalität, die diesen drei Konzeptionen gemeinsam ist, wird von Barnes systematisch destruiert, indem er die Protagonisten reden lässt, wobei sie sich immer stärker in Widersprüche, Halbwahrheiten, Rechtfertigungen und Selbsttäuschungen verstricken - was wiederum dazu führt, das sie sich auch gründlich über die Motive der anderen täuschen.
Die Gemengelage aus Sex, Lügen und Selbstverkennungen erscheint auf den ersten Blick als eine routiniert gemachte Beziehungskomödie, die dem Mechanismus von Oscar Wildes Bonmot gehorcht, "zu einer glücklichen Ehe gehören häufig mehr als zwei Personen." Der Roman liest sich auch durchaus flott weg: Barnes erweist sich ein weiteres Mal als Meister der Zwischentöne, Nuancen und Details zeitgenössischer Beziehungsdebakel. Und dennoch bietet "Liebe usw." mehr, als nur die gelegentlich anregende, bisweilen gar stabilisierende Funktion gebotener oder auch ungebetener Gäste an Tisch und Bett fadenscheinig gewordener Zweisamkeit durchzuspielen. "Die Ketten der Ehe", heißt es nämlich bei Barnes, "sind so schwer, das man sie bisweilen nur zu dritt tragen kann" - und selbst dann, so der Tenor des Romans mit seinem unbehaglichen, offenen Ende, ziehen sie uns zu Boden.
Eine Lösung, gar ein komödiantisches Happy End, kann es auch gar nicht geben, weil alle Beteiligten in ihren perspektivischen Beschränkungen, Urteilen und Vorurteilen, Ängsten und Wünschen gefangen bleiben. Niemand ist völlig im Recht, niemand ganz im Unrecht, weder der wortgewaltige, depressive Schwätzer Oliver noch der realitätstüchtige, zynische Stuart noch die indifferente Gillian; nicht einmal der sprichwörtliche Kindermund tut hier noch Wahrheit kund, Niemand trägt die Schuld, niemand ist völlig unschuldig. Jeder hat seine eigenen Wahrheiten, Und jeder seine eigenen Lügen.