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Lieser: Danone-Affäre zeigt Widersprüche französischer Politik

Nach dem Gerangel um eine mögliche Übernahme des französischen Joghurtkonzerns Danone durch Pepsi-Cola glaubt der Hauptgeschäftsführer der deutsch-französischen Handelskammer, Heinrich Lieser, dass wirtschaftliche Interessen eine große Rolle gespielt hätten. Es könne nicht sein, dass französische Firmen im Ausland Übernahmeweltmeister seien, bei umgekehrten Interessen die Politik aber direkt auf die Barrikaden gehe.

26.07.2005
    Koczian: Es erinnert an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, die dieser bekanntlich nicht anhatte, aber real waren die Schlagzeilen auf den Titelseiten der französischen Zeitungen: auch der amtierende Premier de Villepin engagierte sich. Niemand wollte sich darin von jemand anderem übertreffen lassen, die Nation stand geeint. Danone, der französische Joghurtkonzern, durfte nicht von Pepsi-Cola aus den bösen USA geschluckt werden. Nun soll das Ganze eine Luftnummer gewesen sein und die Behörden ermitteln, denn die Story hatte Auswirkungen auf Kurse. Am Telefon in Paris der Hauptgeschäftsführer der deutsch-französischen Handelskammer, Heinrich Lieser, guten Tag.

    Lieser: Guten Tag.

    Koczian: War das nun eine politische oder eine ökonomische Inszenierung?

    Lieser: Das ist eine gute Frage. Der Ausgangspunkt war sicherlich rein wirtschaftlich. Bei Danone hatte man offenbar von Gerüchten gehört und sie dann auch weiterverbreitet, in der Presse wurde vereinzelt darüber gesprochen und geschrieben. Das Ganze wurde dann sehr schnell, aufgeblasen, bekam eine politische Dimension, aber Ausgangspunkt war ein rein wirtschaftlicher und auch wenn man jetzt das Ende der ganzen Geschichte sieht, dass es letzten Endes um die Frage des derzeitigen Wertes der Aktie der Firma geht, dann sieht man sehr deutlich, dass hier offenbar auch ein spekulativer Hintergrund eine Rolle spielen konnte.

    Koczian: Und die Regierung müsste jetzt dastehen wie der begossene Pudel oder liegt etwas Loire auf ihrer Reaktion?

    Lieser: Es ist natürlich so, dass jetzt im Nachhinein alle diejenigen, die sich vorher stark gemacht haben gegen diese Übernahme, die ja noch gar nicht ausgesprochen war, dass die jetzt natürlich Rückzugsgefechte machen und versuchen, es in einen Gesamtzusammenhang der französischen Industriepolitik zu bringen, wo man in der Tat strategisch anders herangeht an solche Themen und in der Tat wie auch im Vorjahr mehrfach geschehen, versucht, französische Firmen vor Übernahmen zu schützen, aber gleichzeitig eben auch alles dafür tut, dass französische Firmen im Ausland einkaufen können.

    Koczian: Was bei uns mit dem Begriff feindliche Übernahme schon im Sprachgebrauch an kriegsähnliche Handlung erinnert, heißt auf französisch schlicht: opa, offert pour achat. Gehen die Franzosen also rationaler damit um als die Deutschen, jedenfalls wenn sie die Übernehmer sind?

    Lieser: Das ist genau auch der Widerspruch in dieser ganzen Angelegenheit. Es kann ja nicht richtig sein, dass man einerseits hingeht und durch Zukäufe sich zu weltweiten Champions in einzelnen Branchen macht, aber andererseits sobald mal wirklich einer ernsthaft Interesse zeigt hier an französischen Großunternehmen, die Politik auf die Barrikaden geht und versucht, sich dagegen zu wehren. Der einzige, der sehr rational und klar geantwortet hat auf dieses Thema, war der französische Wirtschaftsminister, der schlicht gesagt hat, dass es alleine darauf ankommt, dass die Unternehmen selber mit diesem Thema klarkommen und dafür verantwortlich sind, dass sie starke Partner an ihrer Seite haben, die eben die Interessen des Unternehmens verfolgen. Und wenn ein offre publique d'achat - heißt es übrigens - nicht zum Zuge kommen soll, weil es den Interessen widerspricht, dann muss das Unternehmen dafür sorgen, aber es kann nicht sein, dass der Staat hier einspringen muss.

    Koczian: Nun lebt die französische Gesellschaft von Verschwörungstheorien - das ist interessant und weckt den Esprit - aber vernebelt es bisweilen nicht die ökonomische Sicht?

    Lieser: Natürlich, denn die Sicht, die der französische Wirtschaftsminister und ehemalige Vorstandsvorsitzende von der France Telecom geäußert hat, ist ja an sich eine sehr klare und rationale, die aber in der Tat etwas untergeht, wenn man die Presseberichte der letzten Tage so liest. Gerade heute stand ein wie gesagt sehr klares Interview mit ihm in der Zeitung, aber wenn man in den letzten Tagen zurückblättert, ist von dem eigentlich kaum die Rede, sondern es geht nur um die politische Dimension dieses Themas. Es wird jetzt auf rationales Niveau wieder zurückgefahren, aber es ist schon bezeichnend, dass nicht von vornherein auch diese Sicht der Dinge stärker in den Vordergrund rückte.

    Koczian: Da in Frankreich die Eliten von Politik und Wirtschaft regelmäßig in den jeweiligen anderen Sektor hinüberwechseln und zurück, beeinflussen sich politische Planung und wirtschaftliche Zielsetzung. Doch ist diese Anpassung ein Vorteil oder ein Hemmnis und überhaupt europäisch integrierbar?

    Lieser: Ich glaube nicht, dass das ein Nachteil ist. Es gibt genug sehr positive Beispiele, wo ehemalige Abgänger in die Verwaltung gingen und nachher in die Unternehmen wechselten. Das ist nicht an sich negativ, ganz im Gegenteil. Man spricht über die Notwendigkeiten der Reformen, man gewinnt auch durchaus hier einzelne Vorteile, zum Beispiel dass man eben wettbewerbsstarke Zentren aufbaut in Konsultation mit den Unternehmen. Das ist sicherlich sehr positiv. Ich glaube vielmehr, es täte den Politikern gut, hier ihre Ambitionen etwas mehr im Lichte der wirtschaftlichen Interessen des Landes zu sehen und nicht nur rein politisch zu argumentieren. Das ist eben das, was fehlt und leider wird der, der es wissen müsste, und der es auch weiß und sagt, nicht genug gehört: der Wirtschaftsminister.