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Lindner: Mindestlöhne wurden nur in Einzelfällen unterlaufen

Wenn Unternehmen den branchenbezogenen Mindestlohn umgehen, sei das eine Sauerei, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner. Die Forderung nach mehr Kontrolleuren lehnt er aber ab: "Wir wollen hier keinen Überwachungs- und Kontrollstaat haben."

Martin Lindner im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: In deutschen Betrieben werden branchenbezogene Mindestlöhne nach wie vor häufig unterlaufen. Das berichtet heute die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eine ihr vorliegende Bilanz der Bundesregierung für 2012.

    Am Telefon ist jetzt Martin Lindner, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Lindner.

    Martin Lindner: Ich grüße Sie, Frau Kaess.

    Kaess: Herr Lindner, mit einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn wäre das nicht passiert?

    Lindner: Nein. Das wäre der absolut falsche Weg. Wir haben unter Schwarz-Gelb – und das hat die Ministerin richtig dargestellt – einen deutlichen Zuwachs an branchenbezogenen, regional bezogenen Mindestlöhnen. Die sind passgenau, die nützen den Menschen auch wirklich. Ein einheitlicher flächendeckender Mindestlohn, der führt in Ländern beispielsweise wie Frankreich zu einer bald doppelt so hohen Arbeitslosigkeit, er bringt den Leuten gar nichts. Für viele, für die allermeisten übrigens Gott sei Dank in Deutschland wären 8,50 viel zu wenig. Die verdienen in der Industrie sowieso mehr. Für einige Branchen gerade in Nordostdeutschland im Dienstleistungsgewerbe wäre das dann wiederum zu hoch und würde zu erheblichem Anstieg von Arbeitslosigkeit führen. Wir haben einen ganz anderen Weg, einen wesentlich vernünftigeren Weg.

    Kaess: Aber, Herr Lindner, wenn ich mal kurz unterbrechen darf, jetzt geht es ja um die branchenbezogenen Mindestlöhne, die nicht gezahlt werden, und das Problem, dass sie nicht gezahlt werden. Es wäre doch einfacher für die Kontrolleure, gäbe es einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn?

    Lindner: Aber wir machen ja nicht Politik für Kontrolleure, sondern wir machen ja Politik für Menschen. Wir machen die Politik für kleinere und mittlere Betriebe, damit die die Leute in Arbeit und Lohn bringen. In den letzten vier Jahren, seitdem Schwarz-Gelb regiert, haben wir einen Zuwachs von fast zwei Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Das nützt den Menschen. Wie gesagt, wir machen nicht für Kontrolleure Politik oder für die Bürokratie selber. Wissen Sie, wenn es darum ginge, natürlich: Wir könnten auch Einheitsgehälter verhängen und Einheitslöhne überall und Einheitsrenten. Das ist dann ein Staat, den finden Sie irgendwo anders auf dem Globus, aber jedenfalls nicht bei uns. Das wollen wir nicht!

    Kaess: Aber jetzt geht es ja um die Menschen, die nicht einmal das bekommen, was ihnen eigentlich zustehen würde.

    Lindner: Das ist eine Sauerei und da gibt es auch Strafen und die werden auch zurecht verhängt, weil es eine doppelte Sauerei ist. Es ist einmal eine Sauerei gegenüber den Menschen, die da beschäftigt sind. Wenn in Tarifen wirksame Mindestlöhne vereinbart wurden, was wir ja befürworten, wie beispielsweise auch jetzt neu im Friseurhandwerk, dann müssen die bezahlt werden, und zwar für die Menschen, aber natürlich auch für die Mitbewerber. Es geht auch nicht, dass da jemand sozusagen die eigenen vereinbarten Löhne unterläuft und dann sich zu einer billigeren Konkurrenz macht zu dem anständigen Arbeitgeber, der zahlt. Da sind wir auch völlig dabei. Wir werden Strafen verhängen, die werden auch herausgezogen und dann kriegen die eins drauf und das ist richtig und das unterstützen wir auch. Wir sind nicht auf der Seite von Rechtsbrechern, auf keiner Basis.

    Kaess: Und die Einhaltung von Mindestlöhnen, die kontrolliert in Deutschland der Zoll, und dort spricht man von einem dringenden Handlungsbedarf. Wieso gibt es viel zu wenig Kontrolleure?

    Lindner: Na ja, wissen Sie, wenn es darum geht, Kontrolleure einzuführen – das sagen Ihnen auch die Finanzämter, das sagt Ihnen jeder, wenn sie die fragen -, dann sind es immer zu wenig. Das ist natürlich immer eine Gratwanderung, auf der einen Seite für effektive Kontrollen zu sorgen, auf der anderen Seite dürfen wir natürlich nicht eine Bürokratie da aufblasen, die im Grunde diese singulären Fälle, die es da gibt, dann herausfiltert.

    Kaess: Das sind ja ein bisschen mehr als singuläre Fälle!

    Lindner: Na ja, jetzt müssen Sie sich mal überlegen: Es gibt Mindestlöhne für insgesamt vier Millionen Menschen in dem Land und diese Fälle, die Sie gerade aufgezählt hatten, da mal 248, da 50, also das ist ja im Verhältnis zu der Masse von Menschen, die auch mit Mindestlöhnen beschäftigt werden, doch relativ gering. Ich sage Ihnen das auch an der Stelle mal ganz klar, das haben wir jetzt auch in der Hoeneß-Debatte und in anderen: Wir lehnen es ganz sicher ab, anhand von einzelnen schwarzen Schafen, die es überall gibt und für die die Polizei da ist, die Staatsanwaltschaft, die Gerichte und der Zoll, machen wir nicht Politik für Millionen Menschen, die wir dann alle unter Generalverdacht stellen und jedes Unternehmen jedes Jahr fünfmal kontrollieren. Das macht jedenfalls nicht diese Koalition aus CDU/CSU und FDP. Wir machen Politik für Menschen und nicht für Kontrolleure.

    Kaess: Ich möchte dennoch mal kurz zurückkommen auf die Zahl der Kontrolleure, denn der Zoll sagt, als die Finanzkontrolle Schwarzarbeit unter Schäubles Vor-Vorgänger Hans Eichel geschaffen wurde, sei von der Kontrolle der Mindestlöhne gar nicht die Rede gewesen, und jetzt müssten die Zollbeamten diese Aufgabe zusätzlich machen. Warum ist das nie verbessert worden?

    Lindner: Richtig ist, dass ausgewiesene Stellen auch besetzt werden müssen. Das sieht dann auch der jeweilige Gesetzgeber so vor. Und die müssen auch besetzt werden, das ist auch richtig und diese Forderung unterstütze ich auch. Aber noch mal: Sie können natürlich auch mit derselben Theorie zwei Millionen mehr Polizisten einstellen in Deutschland, die sich an jede Straßenkreuzung stellen und den Verkehr überwachen, mit dem Argument, dann könnten sie noch mehr erwischen. Das ist halt dann ein Überwachungs- und Kontrollstaat Typ DDR oder irgendwas, aber jedenfalls nicht der freiheitliche Staat, den wir haben wollen. Kontrollen müssen sein, Gesetze müssen eingehalten werden, und wer die Gesetze missachtet, wird auch bestraft. Aber wir wollen hier keinen Überwachungs- und Kontrollstaat haben, wie wir es Gott sei Dank nicht mehr in Deutschland haben seit 20 Jahren.

    Kaess: Die Meinung von Martin Lindner, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, live bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Herr Lindner.

    Lindner: Herzlichen Dank Ihnen, Frau Kaess.


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