Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich Jan Techau, Verteidigungs- und Sicherheitsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Morgen, Herr Techau!
Jan Techau: Hallo, guten Morgen!
Dobovisek: Ja, inzwischen verdichten sich angeblich die Hinweise darauf, dass Oberst Klein mehrere Talibananführer und nicht die Tanklaster im Visier gehabt haben soll. So soll es aus einem ISAF-Bericht hervorgehen. Nach dem, was Sie wissen, Herr Techau: War der Luftschlag nun militärisch angemessen oder nicht?
Techau: Also, ich kann das nicht in letzter Konsequenz beurteilen. Das ist etwas, was, genau wie der Minister gesagt hatte, aufgearbeitet werden muss, denn wir alle sind ja hier sozusagen [?]-generäle, die das von außen betrachten, und die Lage ist in der Tat diffizil: Je mehr man weiß, desto mehr Fragen tauchen auf. Und deswegen - da würde ich jetzt tatsächlich mich nicht aus dem Fenster lehnen wollen.
Was wir vielleicht zugrunde legen müssen in dieser Situation, wenn wir hier als Nachrichtenempfänger die Sache betrachten, ist, dass natürlich vor Ort die kommandierenden Soldaten und die Verantwortungsträger in einer Situation sind, die wir uns nur schwer vorstellen können, die in diesem Fog of War, wie man das nennt, also in dieser Situation, wo unter hohem Druck, unter Eigengefährdung, mit einer hohen Zeitanforderung Entscheidungen getroffen werden müssen, dass das notwendigerweise auch zu Fehlern führt und dass man diesen Leuten in gewisser Weise einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen muss, das wird oft in dieser Debatte vernachlässigt. Und da würde ich doch hier sozusagen - ganz unabhängig vom Einzelfall - insgesamt ein kleines bisschen mehr für Verständnis für die Soldaten vor Ort werben wollen, obwohl natürlich, wenn Fehler geschehen, im Einzelfall dann auch aufgeklärt werden muss. Das ist natürlich unbenommen.
Dobovisek: Sie waren, Herr Techau, bis 2006 Medienreferent im Verteidigungsministerium. Die politische Kommunikation dort scheint ja in der Kundus-Affäre mächtig schiefgelaufen zu sein. Woran liegt das?
Techau: Ja, die Kundus-Situation ist eigentlich ein Testfall gewesen - und zwar der besonderen Sorte - für die gesamte Kommunikationsstrategie der Bundeswehr. Im Grunde ist das ein Kommunikations-Super-GAU, wenn man es genau betrachtet, man hat die eigene Botschaft sozusagen nicht mehr unter Kontrolle und sie nimmt eine Eigendynamik an und bekommt eben dadurch eine hohe, besondere, politische Sprengkraft.
Nun ist es so, dass die Kommunikationssituation der Bundeswehr ja insgesamt eigentlich eine unmögliche ist. Man kann aus guten Gründen nicht immer alles sagen, vor allen Dingen nicht in solchen Situationen, weil es militärische Sicherheitserwägungen gibt und Geheimhaltung, und gleichzeitig ist es so, dass die Beobachtung natürlich eine besonders hohe ist aufgrund der speziellen deutschen Befindlichkeiten, aber auch, weil das Militärische sozusagen immer besonders beobachtet wird. Und deswegen ist es eigentlich so wichtig, über viele Jahre strategisch Vertrauen aufzubauen, indem man Offenheit schafft, indem man über bestimmte Dinge eben auch berichtet und indem man die Leute nicht über grundsätzliche Dinge - wie zum Beispiel, ob es ein Kampfeinsatz ist - im Unklaren lässt.
Nur, wenn man diesen Vertrauensvorschuss über lange Zeit aufbaut, hat man dann in solchen Sonderfällen, in solchen speziellen Fällen wie Kundus, auch ein - sozusagen - Kommunikationsumfeld, wo einem Vertrauen entgegengebracht wird.
Dobovisek: Aber warum haben das, Herr Techau, die bisherigen Verteidigungsminister offensichtlich versäumt?
Techau: Eigentlich hat man das seit 1999, seit Kosovo, systematisch versäumt. Man hat eine Kultur geschaffen vor allen Dingen des Nicht-Zutrauens. Man hat sich immer überlegt: Man kann den Menschen draußen im Land die Botschaft, die harte Botschaft, dass wir uns in Kampfeinsätzen befinden - dass bei Kampfeinsätzen Menschen sterben, dass bei Kampfeinsätzen Fehler begangen werden, die zu unerwarteten Folgen führen - diese Botschaft, die eigentlich eine normale sein sollte für Länder, die sich in Kriegseinsätzen befinden, die hat man nicht rübergebracht und die hat man vermieden. Die hat man sowohl in der internen Debatte gerne vermieden als auch in der Darstellung nach außen.
Da ist es uns damals auch - ich will das direkt so sagen - im Ministerium nicht gelungen, im Grunde eine Kultur der Offenheit zu schaffen. Und das Interessante ist jetzt, dass der Minister Guttenberg - und das ist das eigentlich Hoffnungsfrohe - diese Kultur der Offenheit schaffen will, nicht nur mit dem Untersuchungsausschuss, sondern er hat gegenüber Generälen intern diese Kultur der Offenheit eingefordert und hat da ein offenes Wort eingefordert. Und es wäre eine bittere Ironie, wenn dieser Minister, der jetzt zumindest mal auch wieder einen Vertrauensvorschuss verdient, weil er diese Transparenz schaffen will, wenn der nun scheitert an den Trümmern … oder scheitern sollte an den Trümmern, die ihm seine Vorgänger hinterlassen haben. Das wäre nicht nur für ihn selber, sondern auch für die Gesamtsituation aus der Sache heraus fast schon tragisch.
Dobovisek: Hat zu Guttenberg zu viele frische Ideen für das behäbige Verteidigungsministerium?
Techau: Also, das Verteidigungsministerium kann sehr flexibel und sehr schnell arbeiten, das sind hochprofessionelle Leute, die natürlich diese Kommunikationskultur überwinden müssen. Das ist eine der schwierigsten Sachen, eine einmal eingefahrene Kultur zu überwinden. Es hängt sehr viel davon ab, welche Personen der Minister jetzt auf die entscheidenden Schaltstellen da setzt, also den Generalinspektor, Staatssekretäre, die Leute in seinem Kommunikationsbereich sind zum Teil schon ausgetauscht, da hat es auch neue Weisungen intern gegeben, wie man beispielsweise mit dem Internet und mit Social Media und diesen Dingen umgehen muss, die eben Vorfeldkommunikation sind, die Transparenz schaffen.
Wenn das greift und wenn dem Minister da sozusagen die Chance gegeben wird, das auch wirklich über eine gewisse Zeit zu fahren, auch vielleicht von denen, die ihn jetzt kritisieren, die eigentlich ein Interesse daran haben sollten, dass dieser Kulturumschwung kommt, dann kann was daraus werden. Aber das dauert eine Weile, das ist nicht über Nacht zu haben. Das wird Jahre dauern.
Dobovisek: Jan Techau, im Verteidigungsministerium war er Grundsatzreferent und ist heute Verteidigungs- und Sicherheitsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Techau!
Techau: Ich danke Ihnen!
Jan Techau: Hallo, guten Morgen!
Dobovisek: Ja, inzwischen verdichten sich angeblich die Hinweise darauf, dass Oberst Klein mehrere Talibananführer und nicht die Tanklaster im Visier gehabt haben soll. So soll es aus einem ISAF-Bericht hervorgehen. Nach dem, was Sie wissen, Herr Techau: War der Luftschlag nun militärisch angemessen oder nicht?
Techau: Also, ich kann das nicht in letzter Konsequenz beurteilen. Das ist etwas, was, genau wie der Minister gesagt hatte, aufgearbeitet werden muss, denn wir alle sind ja hier sozusagen [?]-generäle, die das von außen betrachten, und die Lage ist in der Tat diffizil: Je mehr man weiß, desto mehr Fragen tauchen auf. Und deswegen - da würde ich jetzt tatsächlich mich nicht aus dem Fenster lehnen wollen.
Was wir vielleicht zugrunde legen müssen in dieser Situation, wenn wir hier als Nachrichtenempfänger die Sache betrachten, ist, dass natürlich vor Ort die kommandierenden Soldaten und die Verantwortungsträger in einer Situation sind, die wir uns nur schwer vorstellen können, die in diesem Fog of War, wie man das nennt, also in dieser Situation, wo unter hohem Druck, unter Eigengefährdung, mit einer hohen Zeitanforderung Entscheidungen getroffen werden müssen, dass das notwendigerweise auch zu Fehlern führt und dass man diesen Leuten in gewisser Weise einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen muss, das wird oft in dieser Debatte vernachlässigt. Und da würde ich doch hier sozusagen - ganz unabhängig vom Einzelfall - insgesamt ein kleines bisschen mehr für Verständnis für die Soldaten vor Ort werben wollen, obwohl natürlich, wenn Fehler geschehen, im Einzelfall dann auch aufgeklärt werden muss. Das ist natürlich unbenommen.
Dobovisek: Sie waren, Herr Techau, bis 2006 Medienreferent im Verteidigungsministerium. Die politische Kommunikation dort scheint ja in der Kundus-Affäre mächtig schiefgelaufen zu sein. Woran liegt das?
Techau: Ja, die Kundus-Situation ist eigentlich ein Testfall gewesen - und zwar der besonderen Sorte - für die gesamte Kommunikationsstrategie der Bundeswehr. Im Grunde ist das ein Kommunikations-Super-GAU, wenn man es genau betrachtet, man hat die eigene Botschaft sozusagen nicht mehr unter Kontrolle und sie nimmt eine Eigendynamik an und bekommt eben dadurch eine hohe, besondere, politische Sprengkraft.
Nun ist es so, dass die Kommunikationssituation der Bundeswehr ja insgesamt eigentlich eine unmögliche ist. Man kann aus guten Gründen nicht immer alles sagen, vor allen Dingen nicht in solchen Situationen, weil es militärische Sicherheitserwägungen gibt und Geheimhaltung, und gleichzeitig ist es so, dass die Beobachtung natürlich eine besonders hohe ist aufgrund der speziellen deutschen Befindlichkeiten, aber auch, weil das Militärische sozusagen immer besonders beobachtet wird. Und deswegen ist es eigentlich so wichtig, über viele Jahre strategisch Vertrauen aufzubauen, indem man Offenheit schafft, indem man über bestimmte Dinge eben auch berichtet und indem man die Leute nicht über grundsätzliche Dinge - wie zum Beispiel, ob es ein Kampfeinsatz ist - im Unklaren lässt.
Nur, wenn man diesen Vertrauensvorschuss über lange Zeit aufbaut, hat man dann in solchen Sonderfällen, in solchen speziellen Fällen wie Kundus, auch ein - sozusagen - Kommunikationsumfeld, wo einem Vertrauen entgegengebracht wird.
Dobovisek: Aber warum haben das, Herr Techau, die bisherigen Verteidigungsminister offensichtlich versäumt?
Techau: Eigentlich hat man das seit 1999, seit Kosovo, systematisch versäumt. Man hat eine Kultur geschaffen vor allen Dingen des Nicht-Zutrauens. Man hat sich immer überlegt: Man kann den Menschen draußen im Land die Botschaft, die harte Botschaft, dass wir uns in Kampfeinsätzen befinden - dass bei Kampfeinsätzen Menschen sterben, dass bei Kampfeinsätzen Fehler begangen werden, die zu unerwarteten Folgen führen - diese Botschaft, die eigentlich eine normale sein sollte für Länder, die sich in Kriegseinsätzen befinden, die hat man nicht rübergebracht und die hat man vermieden. Die hat man sowohl in der internen Debatte gerne vermieden als auch in der Darstellung nach außen.
Da ist es uns damals auch - ich will das direkt so sagen - im Ministerium nicht gelungen, im Grunde eine Kultur der Offenheit zu schaffen. Und das Interessante ist jetzt, dass der Minister Guttenberg - und das ist das eigentlich Hoffnungsfrohe - diese Kultur der Offenheit schaffen will, nicht nur mit dem Untersuchungsausschuss, sondern er hat gegenüber Generälen intern diese Kultur der Offenheit eingefordert und hat da ein offenes Wort eingefordert. Und es wäre eine bittere Ironie, wenn dieser Minister, der jetzt zumindest mal auch wieder einen Vertrauensvorschuss verdient, weil er diese Transparenz schaffen will, wenn der nun scheitert an den Trümmern … oder scheitern sollte an den Trümmern, die ihm seine Vorgänger hinterlassen haben. Das wäre nicht nur für ihn selber, sondern auch für die Gesamtsituation aus der Sache heraus fast schon tragisch.
Dobovisek: Hat zu Guttenberg zu viele frische Ideen für das behäbige Verteidigungsministerium?
Techau: Also, das Verteidigungsministerium kann sehr flexibel und sehr schnell arbeiten, das sind hochprofessionelle Leute, die natürlich diese Kommunikationskultur überwinden müssen. Das ist eine der schwierigsten Sachen, eine einmal eingefahrene Kultur zu überwinden. Es hängt sehr viel davon ab, welche Personen der Minister jetzt auf die entscheidenden Schaltstellen da setzt, also den Generalinspektor, Staatssekretäre, die Leute in seinem Kommunikationsbereich sind zum Teil schon ausgetauscht, da hat es auch neue Weisungen intern gegeben, wie man beispielsweise mit dem Internet und mit Social Media und diesen Dingen umgehen muss, die eben Vorfeldkommunikation sind, die Transparenz schaffen.
Wenn das greift und wenn dem Minister da sozusagen die Chance gegeben wird, das auch wirklich über eine gewisse Zeit zu fahren, auch vielleicht von denen, die ihn jetzt kritisieren, die eigentlich ein Interesse daran haben sollten, dass dieser Kulturumschwung kommt, dann kann was daraus werden. Aber das dauert eine Weile, das ist nicht über Nacht zu haben. Das wird Jahre dauern.
Dobovisek: Jan Techau, im Verteidigungsministerium war er Grundsatzreferent und ist heute Verteidigungs- und Sicherheitsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Techau!
Techau: Ich danke Ihnen!