Jasper Barenberg: 58 Millionen Euro – diese Summe hatte in der Schweiz der scheidende Präsident des Pharmakonzerns Novartis mit dem Konzern vereinbart – als Gegenleistung dafür, dass er sein Wissen sechs Jahre lang nicht der Konkurrenz anbietet. Einen Sturm der Entrüstung hat dieser geplante goldene Handschlag ausgelöst und gewiss für den letzten Schub gesorgt bei der Volksabstimmung am Wochenende. Dabei hat eine große Mehrheit strengere Regeln durchgesetzt: nicht die Konzernleitung, sondern die Aktionäre werden in Zukunft über die Bezahlung der Top-Manager entscheiden, und das jedes Jahr aufs Neue. Exzesse bei Bonuszahlungen zu unterbinden, ebenso horrende Abfindungen und überzogene Gehälter, auch hierzulande gibt es dafür viel Sympathie.
Große Sympathie also aufseiten der Regierung wie aufseiten der Opposition dafür, die Höhe der Gehälter für Top-Manager zu begrenzen. Wie wohl fühlt sich Sahra Wagenknecht in dieser Gesellschaft? Das habe ich die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag vor dieser Sendung gefragt.
Sahra Wagenknecht: Ja ich finde es natürlich erfreulich, dass sich da offenbar etwas bewegt. Man muss ja sagen, wir haben das als Linke schon mehrfach im Bundestag beantragt, in der letzten Legislatur, auch schon in dieser, dass man Managergehälter in einer bestimmten festen Proportion an die Gehälter der unteren Lohngruppen im Unternehmen knüpft. Das ist leider von allen anderen Parteien immer abgelehnt worden. Wir sehen dem zuversichtlich entgegen, ob sich das jetzt ändert. Ich denke, es ist sehr, sehr wichtig, dass sich in dieser Frage endlich etwas tut, weil das einfach skandalös ist, dass wir auf der einen Seite einen immer größeren Niedriglohn-Sektor haben, wo Leute von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, und auf der anderen Seite an der Spitze gigantische Einkommen bezogen werden, die überhaupt keine realwirtschaftliche oder Leistungsbegründung haben.
Barenberg: In der Schweiz soll es jetzt strenge Auflagen geben, Beschränkungen und strenge Kontrollen. Die Schweiz ist also auf dem Weg zu einem der strengsten Aktionärsrechte weltweit überhaupt. Ist das auch das, was Sie befürworten würden, was jetzt anstehen sollte in Deutschland?
Wagenknecht: Ich denke, dass nicht nur die Aktionäre dort mitreden sollten, zumal man eben auch die Sorge haben muss, dass es dann nicht wirklich begrenzt wird. Ich glaube, dass das tatsächlich auch ein Feld ist, wo der Gesetzgeber tätig werden sollte. Und wie gesagt: Unser Vorschlag ist, die Manager-Gehälter an die unteren Lohngruppen zu binden. Das würde auch die Motivation, Löhne zu senken, schlechte Arbeitsplätze zu schaffen, deutlich vermindern und das wäre ein deutlich besserer Anreiz dann eben auch für die Manager als das, was wir heute haben, was vielfach mit ihrer Leistung für die Unternehmen in überhaupt keiner Verbindung steht.
Barenberg: Öffentlichkeit und Gesetzgeber sollten sich aus der Lohnfindung eines privaten Unternehmens völlig heraushalten. Was ist falsch an diesem Grundsatz?
Wagenknecht: Es ist dann falsch, wenn sich die gesamte Gesellschaft immer weiter auseinanderentwickelt, wenn wir eine wirklich schreiende Ungleichheit bekommen und wenn dadurch natürlich das Geld, was für die Manager rausgeworfen wird, auch das Geld, was natürlich, was wir auch als Problem sehen, mit immer höheren Dividendenzahlungen an die Aktionäre geht, dieses Geld weder für Investitionen noch für Lohnzahlungen verfügbar ist, und das ist eben auch eine gesellschaftlich problematische Entwicklung. Und am Ende ist der Staat ja sowieso daran beteiligt. Wenn wir zum Beispiel immer mehr Niedriglohnsektor-Beschäftigte haben, zahlt der Staat über die Hartz-IV-Aufstockerleistungen den Unternehmen im Grunde eine Subvention dazu. Also der Staat ist nicht draußen, der Steuerzahler ist nicht draußen, sondern er ist längst involviert in der gesamten Lohnfindung oder beziehungsweise in den Ergebnissen, weil er nämlich dann zahlen muss für diejenigen, die zu wenig bekommen, und deswegen, finde ich, hat er auch das Recht, regelnd einzugreifen, was die Spitzengehälter angeht.
Barenberg: Wenn wir über eine gesetzliche Regelung sprechen – fünf Millionen Euro oder 50 Millionen oder nur 500.000 Euro Gehalt für einen Top-Manager -, können Sie besser beurteilen als die Eigentümer eines Unternehmens, was angemessen, was verhältnismäßig ist?
Wagenknecht: Unser Vorschlag ist ja zu sagen, die Manager dürfen das etwa 20-fache dessen verdienen, was die unteren Lohngruppen in ihrem Unternehmen haben. Das heißt, desto besser die unteren Lohngruppen bezahlt werden, desto mehr würden dann auch die Manager verdienen. Also wir sagen nicht, es gibt eine fixe Grenze. Aber es ist auch in der Management-Theorie immer wieder debattiert und auch immer wieder begründet worden, dass es auch für Unternehmen überhaupt keine sinnvolle Entwicklung ist, wenn die Gehaltsspirale, wenn die Skala immer weiter auseinandergeht. Ich kann darauf verweisen: Selbst der Banker J.P. Morgan Anfang des 20. Jahrhunderts, der ja über sehr, sehr viele Unternehmen verfügte in seinem Imperium, hat einmal eine Analyse gemacht, was gut sich entwickelnde Unternehmen von den schlecht sich entwickelnden unterschied, und da ist verblüffenderweise ein ganz wesentlicher Indikator gewesen, wie groß die Einkommensungleichheit in den Unternehmen war, nämlich in den schlecht sich entwickelnden war sie deutlich größer als in den Unternehmen, die sich gut entwickelt haben. Also es gibt sehr, sehr viele Gründe dafür, dass auch für ein Unternehmen es absolut ungesund ist, wenn die Gehälter immer weiter auseinanderklaffen.
Barenberg: Aber das fiele ja dann auf die Eigentümer, auf die Aktionäre eines Unternehmens zurück. Insofern müssten die das ja in erster Linie entscheiden, ob das Unternehmen davon profitiert, oder eine schlechte Entwicklung nimmt.
Wagenknecht: Ja aber ich finde, dass auch die Beschäftigten natürlich etwas mitreden können müssen, weil letztlich erwirtschaften sie die gesellschaftlichen Werte und die Werte dieses Unternehmens, und deswegen finde ich gerade diese Koppelung an die Beschäftigtenlöhne sehr wichtig. Die Aktionäre sind eine Seite, aber die Beschäftigten sind diejenigen, die das erarbeiten, was dann an die Manager verteilt wird.
Barenberg: Nun sitzen Beschäftigte ja heute schon in Aufsichtsräten und diese Aufsichtsräte beschließen ja in der Regel die Vergütungssysteme für ihren Vorstand beispielsweise. Insofern sitzen die Arbeitnehmer ja mit am Tisch. Ich wollte Sie noch fragen, weil Sie gesagt haben, Sie verlangen eine Quote oder schlagen eine Quote vor, die nicht höher ist als das 20-fache des Gehalts der unteren Einkommensbezieher. Warum das 20-fache und nicht das 40-fache oder das 13-fache?
Wagenknecht: Ja natürlich sind solche Relationen immer relativ willkürlich. Als der DAX gegründet wurde, war die Relation zwischen Durchschnittseinkommen und Spitzenverdienst etwa 1:15. Heute ist es weit über 1:50. Das heißt, es hat sich immer weiter auseinander bewegt, und ich denke, man kann natürlich darüber streiten, ob selbst das 20-fache sehr, sehr viel ist, ob man nicht nur das 10-fache oder ob mehr nimmt, aber man muss sich natürlich auf irgendwelche Relationen verständigen und es war über eine weite Zeit durchaus üblich, dass die Unterschiede nicht größer waren, und ich denke, die deutsche Wirtschaft ist damals deutlich besser gefahren und hat sich besser entwickelt. Wir hatten auch deutlich höhere Wachstumsraten als heute. Insoweit ist das immer so, wenn man etwas festlegen will, dann muss man sich eben zu einer bestimmten Zahl dann auch entscheiden, aber ich glaube, das wäre eine sinnvolle.
Barenberg: Warum wäre die sinnvoll und eine andere wäre nicht sinnvoll? Was ist mit anderen Worten das Kriterium?
Wagenknecht: Ja das Kriterium ist, ob zu einer Zeit, also wie gesagt, damals, als der DAX gegründet wurde, ob da nicht im Grunde auch die gesamte Gesellschaft in Deutschland, weil sie gleicher war, sich auch wirtschaftlich besser entwickelt hat und ob nicht am Ende auch eine Gesellschaft durch zu viel Ungleichheit kaputtgemacht wird in ihrer Struktur. Da gibt es ja auch genügend Untersuchungen, dass Menschen in sehr ungleichen Gesellschaften sich anders zueinander verhalten, dass soziale Beziehungen immer mehr kaputt gehen.
Barenberg: Die Regierungsparteien, die sehen ja, sagen wir mal, im unterschiedlichen Ausmaß im Moment Nachbesserungsbedarf. Die sagen, dass da Vieles schon auf gutem Wege ist, seit 2009 ein Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen beschlossen worden ist. Die SPD ist da eher an Ihrer Seite und verlangt auch eine schärfere gesetzliche Regelung. Sehen Sie da jetzt ein neues Thema, ein neues Projekt, eine neue Perspektive für eine Zusammenarbeit mit der SPD, beispielsweise über den Bundesrat?
Wagenknecht: Ja es ist halt immer die Frage, wie ernst die SPD ihre Themen nimmt. Wenn sie das ernst nimmt – wie gesagt, bisher hat sie immer dagegen gestimmt, wenn wir das in den Bundestag eingebracht haben -, aber wenn sie jetzt davon überzeugt ist, dass sie das auch für ein wichtiges Thema hält, dann wird es sicherlich nicht an uns scheitern, dort in dieser Frage auch im Bundesrat zusammenzuarbeiten. Ich denke, all diejenigen, die behaupten, das ist auf einem guten Weg, die können sich schlicht angucken die Statistiken, und die widerlegen das. Deutschland ist auch im europäischen Vergleich eines der Länder, das mit die höchsten Manager-Gehälter zahlt, also deutsche Konzerne, und das hat sich in den letzten Jahren nicht etwa verringert, sondern das ist tendenziell immer weiter gestiegen.
Barenberg: Die FDP – dies zum Schluss, Frau Wagenknecht – signalisiert, dass sie sich vorstellen könnte, dass es eine Regelung, eine Veränderung noch in dieser Legislaturperiode gibt. Wie groß sehen Sie die Chancen dafür, wie schätzen Sie das ein?
Wagenknecht: Ja das Problem ist natürlich: wir haben ein Wahljahr und auch die FDP täuscht natürlich gerne Aktivitäten vor, zumal in so einer Frage, die ja doch sehr, sehr vielen Menschen auch auf dem Herzen brennt. Ob das wirklich ernst gemeint ist, das wird man sehen. Ich wünsche mir, dass es gesellschaftlichen Druck gibt in diese Richtung, und ich würde mir wünschen, dass wir auch in Deutschland solche Hebel hätten wie die Schweizer, wo man so etwas eben in Abstimmungen dann auch durch die Bevölkerung mit entscheiden kann. Das ist ein sehr, sehr gutes Mittel eigentlich, um auch Stimmungen zum Ausdruck zu bringen. Also insoweit: Ich wünsche mir Druck. Ich hoffe, dass dieser Druck irgendwann auch bei der FDP dazu führt, dass sie ihre Position korrigieren. Aber ob das wirklich schon stattgefunden hat, oder ob das jetzt ein pures Wahlkampfmanöver ist, wo man gerne was vortäuscht, was man am Ende überhaupt nicht machen will, das ist leider noch nicht zu überschauen.
Barenberg: Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag. Danke für das Gespräch.
Wagenknecht: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Sahra Wagenknecht: Ja ich finde es natürlich erfreulich, dass sich da offenbar etwas bewegt. Man muss ja sagen, wir haben das als Linke schon mehrfach im Bundestag beantragt, in der letzten Legislatur, auch schon in dieser, dass man Managergehälter in einer bestimmten festen Proportion an die Gehälter der unteren Lohngruppen im Unternehmen knüpft. Das ist leider von allen anderen Parteien immer abgelehnt worden. Wir sehen dem zuversichtlich entgegen, ob sich das jetzt ändert. Ich denke, es ist sehr, sehr wichtig, dass sich in dieser Frage endlich etwas tut, weil das einfach skandalös ist, dass wir auf der einen Seite einen immer größeren Niedriglohn-Sektor haben, wo Leute von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, und auf der anderen Seite an der Spitze gigantische Einkommen bezogen werden, die überhaupt keine realwirtschaftliche oder Leistungsbegründung haben.
Barenberg: In der Schweiz soll es jetzt strenge Auflagen geben, Beschränkungen und strenge Kontrollen. Die Schweiz ist also auf dem Weg zu einem der strengsten Aktionärsrechte weltweit überhaupt. Ist das auch das, was Sie befürworten würden, was jetzt anstehen sollte in Deutschland?
Wagenknecht: Ich denke, dass nicht nur die Aktionäre dort mitreden sollten, zumal man eben auch die Sorge haben muss, dass es dann nicht wirklich begrenzt wird. Ich glaube, dass das tatsächlich auch ein Feld ist, wo der Gesetzgeber tätig werden sollte. Und wie gesagt: Unser Vorschlag ist, die Manager-Gehälter an die unteren Lohngruppen zu binden. Das würde auch die Motivation, Löhne zu senken, schlechte Arbeitsplätze zu schaffen, deutlich vermindern und das wäre ein deutlich besserer Anreiz dann eben auch für die Manager als das, was wir heute haben, was vielfach mit ihrer Leistung für die Unternehmen in überhaupt keiner Verbindung steht.
Barenberg: Öffentlichkeit und Gesetzgeber sollten sich aus der Lohnfindung eines privaten Unternehmens völlig heraushalten. Was ist falsch an diesem Grundsatz?
Wagenknecht: Es ist dann falsch, wenn sich die gesamte Gesellschaft immer weiter auseinanderentwickelt, wenn wir eine wirklich schreiende Ungleichheit bekommen und wenn dadurch natürlich das Geld, was für die Manager rausgeworfen wird, auch das Geld, was natürlich, was wir auch als Problem sehen, mit immer höheren Dividendenzahlungen an die Aktionäre geht, dieses Geld weder für Investitionen noch für Lohnzahlungen verfügbar ist, und das ist eben auch eine gesellschaftlich problematische Entwicklung. Und am Ende ist der Staat ja sowieso daran beteiligt. Wenn wir zum Beispiel immer mehr Niedriglohnsektor-Beschäftigte haben, zahlt der Staat über die Hartz-IV-Aufstockerleistungen den Unternehmen im Grunde eine Subvention dazu. Also der Staat ist nicht draußen, der Steuerzahler ist nicht draußen, sondern er ist längst involviert in der gesamten Lohnfindung oder beziehungsweise in den Ergebnissen, weil er nämlich dann zahlen muss für diejenigen, die zu wenig bekommen, und deswegen, finde ich, hat er auch das Recht, regelnd einzugreifen, was die Spitzengehälter angeht.
Barenberg: Wenn wir über eine gesetzliche Regelung sprechen – fünf Millionen Euro oder 50 Millionen oder nur 500.000 Euro Gehalt für einen Top-Manager -, können Sie besser beurteilen als die Eigentümer eines Unternehmens, was angemessen, was verhältnismäßig ist?
Wagenknecht: Unser Vorschlag ist ja zu sagen, die Manager dürfen das etwa 20-fache dessen verdienen, was die unteren Lohngruppen in ihrem Unternehmen haben. Das heißt, desto besser die unteren Lohngruppen bezahlt werden, desto mehr würden dann auch die Manager verdienen. Also wir sagen nicht, es gibt eine fixe Grenze. Aber es ist auch in der Management-Theorie immer wieder debattiert und auch immer wieder begründet worden, dass es auch für Unternehmen überhaupt keine sinnvolle Entwicklung ist, wenn die Gehaltsspirale, wenn die Skala immer weiter auseinandergeht. Ich kann darauf verweisen: Selbst der Banker J.P. Morgan Anfang des 20. Jahrhunderts, der ja über sehr, sehr viele Unternehmen verfügte in seinem Imperium, hat einmal eine Analyse gemacht, was gut sich entwickelnde Unternehmen von den schlecht sich entwickelnden unterschied, und da ist verblüffenderweise ein ganz wesentlicher Indikator gewesen, wie groß die Einkommensungleichheit in den Unternehmen war, nämlich in den schlecht sich entwickelnden war sie deutlich größer als in den Unternehmen, die sich gut entwickelt haben. Also es gibt sehr, sehr viele Gründe dafür, dass auch für ein Unternehmen es absolut ungesund ist, wenn die Gehälter immer weiter auseinanderklaffen.
Barenberg: Aber das fiele ja dann auf die Eigentümer, auf die Aktionäre eines Unternehmens zurück. Insofern müssten die das ja in erster Linie entscheiden, ob das Unternehmen davon profitiert, oder eine schlechte Entwicklung nimmt.
Wagenknecht: Ja aber ich finde, dass auch die Beschäftigten natürlich etwas mitreden können müssen, weil letztlich erwirtschaften sie die gesellschaftlichen Werte und die Werte dieses Unternehmens, und deswegen finde ich gerade diese Koppelung an die Beschäftigtenlöhne sehr wichtig. Die Aktionäre sind eine Seite, aber die Beschäftigten sind diejenigen, die das erarbeiten, was dann an die Manager verteilt wird.
Barenberg: Nun sitzen Beschäftigte ja heute schon in Aufsichtsräten und diese Aufsichtsräte beschließen ja in der Regel die Vergütungssysteme für ihren Vorstand beispielsweise. Insofern sitzen die Arbeitnehmer ja mit am Tisch. Ich wollte Sie noch fragen, weil Sie gesagt haben, Sie verlangen eine Quote oder schlagen eine Quote vor, die nicht höher ist als das 20-fache des Gehalts der unteren Einkommensbezieher. Warum das 20-fache und nicht das 40-fache oder das 13-fache?
Wagenknecht: Ja natürlich sind solche Relationen immer relativ willkürlich. Als der DAX gegründet wurde, war die Relation zwischen Durchschnittseinkommen und Spitzenverdienst etwa 1:15. Heute ist es weit über 1:50. Das heißt, es hat sich immer weiter auseinander bewegt, und ich denke, man kann natürlich darüber streiten, ob selbst das 20-fache sehr, sehr viel ist, ob man nicht nur das 10-fache oder ob mehr nimmt, aber man muss sich natürlich auf irgendwelche Relationen verständigen und es war über eine weite Zeit durchaus üblich, dass die Unterschiede nicht größer waren, und ich denke, die deutsche Wirtschaft ist damals deutlich besser gefahren und hat sich besser entwickelt. Wir hatten auch deutlich höhere Wachstumsraten als heute. Insoweit ist das immer so, wenn man etwas festlegen will, dann muss man sich eben zu einer bestimmten Zahl dann auch entscheiden, aber ich glaube, das wäre eine sinnvolle.
Barenberg: Warum wäre die sinnvoll und eine andere wäre nicht sinnvoll? Was ist mit anderen Worten das Kriterium?
Wagenknecht: Ja das Kriterium ist, ob zu einer Zeit, also wie gesagt, damals, als der DAX gegründet wurde, ob da nicht im Grunde auch die gesamte Gesellschaft in Deutschland, weil sie gleicher war, sich auch wirtschaftlich besser entwickelt hat und ob nicht am Ende auch eine Gesellschaft durch zu viel Ungleichheit kaputtgemacht wird in ihrer Struktur. Da gibt es ja auch genügend Untersuchungen, dass Menschen in sehr ungleichen Gesellschaften sich anders zueinander verhalten, dass soziale Beziehungen immer mehr kaputt gehen.
Barenberg: Die Regierungsparteien, die sehen ja, sagen wir mal, im unterschiedlichen Ausmaß im Moment Nachbesserungsbedarf. Die sagen, dass da Vieles schon auf gutem Wege ist, seit 2009 ein Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen beschlossen worden ist. Die SPD ist da eher an Ihrer Seite und verlangt auch eine schärfere gesetzliche Regelung. Sehen Sie da jetzt ein neues Thema, ein neues Projekt, eine neue Perspektive für eine Zusammenarbeit mit der SPD, beispielsweise über den Bundesrat?
Wagenknecht: Ja es ist halt immer die Frage, wie ernst die SPD ihre Themen nimmt. Wenn sie das ernst nimmt – wie gesagt, bisher hat sie immer dagegen gestimmt, wenn wir das in den Bundestag eingebracht haben -, aber wenn sie jetzt davon überzeugt ist, dass sie das auch für ein wichtiges Thema hält, dann wird es sicherlich nicht an uns scheitern, dort in dieser Frage auch im Bundesrat zusammenzuarbeiten. Ich denke, all diejenigen, die behaupten, das ist auf einem guten Weg, die können sich schlicht angucken die Statistiken, und die widerlegen das. Deutschland ist auch im europäischen Vergleich eines der Länder, das mit die höchsten Manager-Gehälter zahlt, also deutsche Konzerne, und das hat sich in den letzten Jahren nicht etwa verringert, sondern das ist tendenziell immer weiter gestiegen.
Barenberg: Die FDP – dies zum Schluss, Frau Wagenknecht – signalisiert, dass sie sich vorstellen könnte, dass es eine Regelung, eine Veränderung noch in dieser Legislaturperiode gibt. Wie groß sehen Sie die Chancen dafür, wie schätzen Sie das ein?
Wagenknecht: Ja das Problem ist natürlich: wir haben ein Wahljahr und auch die FDP täuscht natürlich gerne Aktivitäten vor, zumal in so einer Frage, die ja doch sehr, sehr vielen Menschen auch auf dem Herzen brennt. Ob das wirklich ernst gemeint ist, das wird man sehen. Ich wünsche mir, dass es gesellschaftlichen Druck gibt in diese Richtung, und ich würde mir wünschen, dass wir auch in Deutschland solche Hebel hätten wie die Schweizer, wo man so etwas eben in Abstimmungen dann auch durch die Bevölkerung mit entscheiden kann. Das ist ein sehr, sehr gutes Mittel eigentlich, um auch Stimmungen zum Ausdruck zu bringen. Also insoweit: Ich wünsche mir Druck. Ich hoffe, dass dieser Druck irgendwann auch bei der FDP dazu führt, dass sie ihre Position korrigieren. Aber ob das wirklich schon stattgefunden hat, oder ob das jetzt ein pures Wahlkampfmanöver ist, wo man gerne was vortäuscht, was man am Ende überhaupt nicht machen will, das ist leider noch nicht zu überschauen.
Barenberg: Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag. Danke für das Gespräch.
Wagenknecht: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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