Dirk-Oliver Heckmann: Es hätte nicht viel gefehlt und im Güterverkehr der Bahn wäre nichts mehr gegangen. Heute wollte die Gewerkschaft der Lokomotivführer mit ihren Streikaktionen beginnen. Das Arbeitsgericht Nürnberg aber hat in einer einstweiligen Verfügung entschieden: bis zum 30. September seien alle Arbeitsniederlegungen im Güter- und im Fernverkehr zu unterlassen. Begründung: die erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden, die durch einen Streik in der Ferienzeit verursacht würden. Auch Streiks im Regionalverkehr wurden am Abend untersagt. Nicht betroffen von dieser Entscheidung aber ist der Nahverkehr in Berlin und in Hamburg. Die GDL nutzte die Gelegenheit und rief dazu doch, dort zwischen acht und zehn Uhr die Arbeit niederzulegen.
Die S-Bahn in Hamburg und Berlin wird bestreikt zwischen acht und zehn Uhr und auch über den Fern- und Güterverkehr ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die GDL hat umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung aus Nürnberg eingelegt. Hier rüber wollen die Richter dann am Freitag entscheiden. Am Telefon ist jetzt der stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag Klaus Ernst, der auch Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Schweinfurt ist. Guten Morgen Herr Ernst!
Klaus Ernst: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Ernst, viele waren gestern erleichtert, dass es nun doch nicht zu einem Stillstand bei der Bahn kommen würde. Jetzt also doch dieser Ausstand in Berlin und in Hamburg. Ist das Vorgehen der GDL aus Ihrer Sicht noch verhältnismäßig?
Ernst: Das Problem ist ja zurzeit hauptsächlich, dass das Streikrecht insgesamt angegriffen wird, denn gucken Sie mal: Da beschließt eine Gewerkschaft mit einer Urabstimmung mit 90 Prozent ihrer Beschäftigten, dass sie streiken will, und ein Richter sagt, das darf nicht sein. Wir haben ein Grundgesetz in diesem Land und dieses Grundrecht auf Streik ist grundgesetzlich verankert. Ich halte das, was gegenwärtig passiert, eigentlich als Fortsetzung des Versuchs, die Beschäftigten einzuschüchtern, Streik insgesamt zu illegalisieren und damit die Beschäftigten auch der Bahn, aber auch über die Bahn hinaus dazu zu veranlassen, das hinzunehmen was die Arbeitgeber und was so ein Vorstand beschließt. Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Insofern unterstützen wir auch das, dass die Beschäftigten bei der Bahn sich wehren. Und Sie wissen: der Vorstand der Bahn hat sich 60 Prozent Lohnerhöhungen genehmigt von 2005 auf 2006. Die Beschäftigten fordern 30 Prozent. Darum gibt es ein großes Geschrei. Jeder weiß, dass sie die 30 Prozent nicht kriegen. Aber das was jetzt passiert, diesen Streik zu illegalisieren von Seiten der Gerichte und von Seiten des Vorstands und von Seiten von geneigten Politikern, das halte ich eigentlich für den politischen Skandal. Die stellen sich außerhalb unseres Grundrechts.
Heckmann: Zu denjenigen, die ihre Interessen formuliert haben, gehört auch Dieter Hundt, der Präsident der Arbeitgeberverbände. Er hat gefordert, dass die Bundesregierung, dass die Große Koalition ein Arbeitskampfverbot für Minderheiten gesetzlich einführen soll, und zwar soll dieses Arbeitskampfverbot gelten, wenn bereits ein Tarifvertrag besteht und der Streik nur im Interesse der Minderheit sei. Was sagen Sie zu einer solchen Forderung?
Ernst: Ich halte das für falsch. Was soll das in der Praxis bedeuten? Das würde bedeuten, dass möglicherweise auch eine Gewerkschaft, die mit wenig Mitgliedern in einem Betrieb agiert, dann ein Streikverbot erhält, wenn sie möglicherweise nicht 50 Prozent Mitglieder hat. Also Herr Hundt und die Arbeitgeberverbände versuchen ja nun seit Jahren, das Streikrecht insgesamt einzuschränken. Da soll ein Schlichtungszwang eingeführt werden. Da soll eine bestimmte Quote von Gewerkschaftsmitgliedern eingeführt werden, damit überhaupt gestreikt werden darf. Es ist nichts anderes als der Versuch, den Beschäftigten ihr Streikrecht zu nehmen. Im Ergebnis würden dann die Arbeitgeber sich durchsetzen. Die sitzen nämlich am längeren Hebel. Die geben nämlich erst mal die Bedingungen vor, gegen die die Beschäftigten streiken. Bei der Bahn ist das ganz eindeutig. Da sieht man das auch sehr schön. Dort ist es so, dass nun die Zugführer bei weitem weniger verdienen als in ganz Europa. In der Schweiz zum Beispiel durchaus das doppelte wie bei uns. Wenn die sich nun wehren und dasselbe wollen wie ihre Kolleginnen und Kollegen woanders, dann sagt man, das ist Geiselnahme an den Beschäftigten. Wenn aber ein Vorstand sich so verhält, dass er einfach seinen Beschäftigten weniger zahlt als es üblich ist, dann wird das akzeptiert. Und Sie sehen: so ein Vorstand ist am längeren Hebel, weil der erst mal die Löhne vereinbart und vorgeben kann. Dagegen muss es möglich sein, sich zu wehren, auch wenn man eine kleine Gewerkschaft ist und auch wenn es in einem Betrieb schon einen Tarifvertrag gibt.
Gucken Sie mal: Wenn zum Beispiel der kleine CGM, eine christliche Gewerkschaft, einen Tarifvertrag macht, den die Beschäftigten gar nicht wollen, und es gibt dann einen Tarifvertrag, soll dann auch dagegen ein Streik unmöglich sein? Also Sie sehen: die Richtung ist eindeutig. Es geht bei diesem Versuch, das Streikrecht einzuschränken, darum, dass eben der Herr-im-Hause-Standpunkt der Arbeitgeber durchgesetzt werden soll. Das ist das Ziel.
Heckmann: Das Bundesarbeitsgericht, Herr Ernst, hat den Grundsatz der Tarifeinheit hochgehoben. Das bedeutet also ein Unternehmen, ein Tarifvertrag. Diese Tarifeinheit, die wäre aber in Gefahr. Sehen Sie diese Gefahr nicht?
Ernst: Doch, doch. Die Tarifeinheit ist schon ein hohes Gut. Ich weiß nur, dass bisher die Gerichte oft in diesen Fragen ganz anders entschieden haben. Ich habe einen Fall bei mir in der Region. Dort hat sich eine kleine Gewerkschaft angeboten, einen billigeren Tarif durchzusetzen, also zu vereinbaren als wie die IG Metall. Wir hätten, wenn wir das nicht politisch geklärt hätten, große Schwierigkeiten gehabt, uns vor Gericht durchzusetzen mit unserem höheren Tarif. Also dort wird auch mit unterschiedlichem Maß gemessen. Und das was die Gerichte gegenwärtig machen, nämlich zu sagen, da entsteht ein großer volkswirtschaftlicher Schaden - das ist ja die eigentliche Begründung - und wegen dieses Schadens dürfen die nicht streiken. Dann ist das Streikrecht weg, weil bei jedem Streik, auch wenn eine große Gewerkschaft streikt, entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden. Das ist ja das Problem beim Streik. Sonst gibt es ja keinen Druck. Ein Streik soll ja Druck auf die Arbeitgeber irgendwie erzeugen und der hat natürlich auch Auswirkungen. Also wenn sie mit diesem Argument, was dieses Gericht gegenwärtig vorträgt, volkswirtschaftlicher Schaden argumentieren, ist das Streikrecht in dieser Republik ausgehebelt.
Heckmann: Was sagen Sie denn zu der Forderung der GDL nach einem eigenen Tarifvertrag? Würden Sie das unterstützen oder nicht?
Ernst: Ich halte diese Forderung für richtig. Ich halte diese Forderung deshalb für richtig, weil es offensichtlich nicht gelungen ist, im Zuge des Flächentarifvertrages vernünftige, entsprechend der europäischen Entwicklung vorhandene Löhne für die Zugführer durchzusetzen.
Heckmann: Aber die anderen Gewerkschaften GDBA und Transnet, wenn ich dort einhaken darf, sprechen von einer Entsolidarisierung?
Ernst: Wenn alle Beschäftigten bei der Bahn zusammenhalten, dann ist das natürlich sinnvoller, als wenn sich die Gewerkschaften im Einzelnen zersplittern. Das ist ganz klar. Aber Sie sehen: der Druck der Bahn auf die Löhne, um künftig diese Privatisierung schmackhaft zu machen, um diese Privatisierung durchsetzen zu können, führt eben auch dazu, dass dann einzelne Beschäftigtengruppen sagen uns reicht es jetzt. Wir sind nicht mehr bereit, Lohnkürzungen hinzunehmen, Arbeitszeitverlängerung hinzunehmen, und wir sind nicht bereit, ein geringeres Lohnniveau als woanders zu akzeptieren.
Heckmann: Herr Ernst, die Gewerkschaften GDBA und Transnet sprechen von einer Entsolidarisierung. Das heißt die Lokführer würden ihre Interessen auf dem Rücken der Lokführer austragen.
Ernst: Das ist natürlich erst mal von Transnet ein richtiges Argument, die natürlich das Interesse hat, alle Beschäftigten unter einen Hut zu kriegen und zu gemeinsamem Handeln zu bewegen. Jetzt ist es nun so, dass Transnet einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, der allerdings diesen Lohnunterschied zwischen Europa und zwischen der Bundesrepublik bei den Lokführern nicht ausgleichen konnte. Deshalb sagt natürlich dann eine Gruppe, die sich stark genug fühlt, wir müssen möglicherweise für uns einen eigenen Weg gehen. Ich bedauere das sehr, dass es nicht gelingt, das unter einem einheitlichen Tarifvertrag für alle hinzukriegen, aber wenn eben der Druck der Arbeitgeber so groß ist, wenn dann eine Gewerkschaft eine Vereinbarung trifft, die eine doch mächtige Gruppe und durchsetzungsfähige Gruppe nicht akzeptiert, dann wird es meines Erachtens, ob wir das wollen oder nicht, künftig zu mehr solchen Auseinandersetzungen kommen. Insofern bauen die Gerichte da vor und sagen, das darf nicht sein. Ich halte das für falsch. Ich halte das auch vom Grundgesetz her nicht gedeckt.
Heckmann: Mit der Bitte um eine kurze Antwort die letzte Frage. Sehen Sie die Gefahr, dass sich die Gewerkschaftsszenerie immer weiter aufsplittet, wenn sich jetzt die Lokführer durchsetzen?
Ernst: Ja, die Gefahr sehe ich sehr wohl, wenn es nicht gelingt, innerhalb der großen Gewerkschaften ein Lohngefüge mit den Arbeitgebern zu vereinbaren, das alle Interessen der Beschäftigten auch unterschiedlicher Berufsgruppen tatsächlich im Ergebnis vertritt. Dann wird es zu solchen Aufsplitterungen kommen. Deshalb kann ich nur an alle appellieren, die daran beteiligt sind, an alle Gewerkschaften appellieren, dass man guckt, dass das Lohngefüge innerhalb eines Tarifvertrages auch solche Gruppen, insbesondere als Beispiel bei den Lokführern, solche besonders belasteten Gruppen mit entsprechenden Gehältern auch berücksichtigt.
Die S-Bahn in Hamburg und Berlin wird bestreikt zwischen acht und zehn Uhr und auch über den Fern- und Güterverkehr ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die GDL hat umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung aus Nürnberg eingelegt. Hier rüber wollen die Richter dann am Freitag entscheiden. Am Telefon ist jetzt der stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag Klaus Ernst, der auch Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Schweinfurt ist. Guten Morgen Herr Ernst!
Klaus Ernst: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Ernst, viele waren gestern erleichtert, dass es nun doch nicht zu einem Stillstand bei der Bahn kommen würde. Jetzt also doch dieser Ausstand in Berlin und in Hamburg. Ist das Vorgehen der GDL aus Ihrer Sicht noch verhältnismäßig?
Ernst: Das Problem ist ja zurzeit hauptsächlich, dass das Streikrecht insgesamt angegriffen wird, denn gucken Sie mal: Da beschließt eine Gewerkschaft mit einer Urabstimmung mit 90 Prozent ihrer Beschäftigten, dass sie streiken will, und ein Richter sagt, das darf nicht sein. Wir haben ein Grundgesetz in diesem Land und dieses Grundrecht auf Streik ist grundgesetzlich verankert. Ich halte das, was gegenwärtig passiert, eigentlich als Fortsetzung des Versuchs, die Beschäftigten einzuschüchtern, Streik insgesamt zu illegalisieren und damit die Beschäftigten auch der Bahn, aber auch über die Bahn hinaus dazu zu veranlassen, das hinzunehmen was die Arbeitgeber und was so ein Vorstand beschließt. Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Insofern unterstützen wir auch das, dass die Beschäftigten bei der Bahn sich wehren. Und Sie wissen: der Vorstand der Bahn hat sich 60 Prozent Lohnerhöhungen genehmigt von 2005 auf 2006. Die Beschäftigten fordern 30 Prozent. Darum gibt es ein großes Geschrei. Jeder weiß, dass sie die 30 Prozent nicht kriegen. Aber das was jetzt passiert, diesen Streik zu illegalisieren von Seiten der Gerichte und von Seiten des Vorstands und von Seiten von geneigten Politikern, das halte ich eigentlich für den politischen Skandal. Die stellen sich außerhalb unseres Grundrechts.
Heckmann: Zu denjenigen, die ihre Interessen formuliert haben, gehört auch Dieter Hundt, der Präsident der Arbeitgeberverbände. Er hat gefordert, dass die Bundesregierung, dass die Große Koalition ein Arbeitskampfverbot für Minderheiten gesetzlich einführen soll, und zwar soll dieses Arbeitskampfverbot gelten, wenn bereits ein Tarifvertrag besteht und der Streik nur im Interesse der Minderheit sei. Was sagen Sie zu einer solchen Forderung?
Ernst: Ich halte das für falsch. Was soll das in der Praxis bedeuten? Das würde bedeuten, dass möglicherweise auch eine Gewerkschaft, die mit wenig Mitgliedern in einem Betrieb agiert, dann ein Streikverbot erhält, wenn sie möglicherweise nicht 50 Prozent Mitglieder hat. Also Herr Hundt und die Arbeitgeberverbände versuchen ja nun seit Jahren, das Streikrecht insgesamt einzuschränken. Da soll ein Schlichtungszwang eingeführt werden. Da soll eine bestimmte Quote von Gewerkschaftsmitgliedern eingeführt werden, damit überhaupt gestreikt werden darf. Es ist nichts anderes als der Versuch, den Beschäftigten ihr Streikrecht zu nehmen. Im Ergebnis würden dann die Arbeitgeber sich durchsetzen. Die sitzen nämlich am längeren Hebel. Die geben nämlich erst mal die Bedingungen vor, gegen die die Beschäftigten streiken. Bei der Bahn ist das ganz eindeutig. Da sieht man das auch sehr schön. Dort ist es so, dass nun die Zugführer bei weitem weniger verdienen als in ganz Europa. In der Schweiz zum Beispiel durchaus das doppelte wie bei uns. Wenn die sich nun wehren und dasselbe wollen wie ihre Kolleginnen und Kollegen woanders, dann sagt man, das ist Geiselnahme an den Beschäftigten. Wenn aber ein Vorstand sich so verhält, dass er einfach seinen Beschäftigten weniger zahlt als es üblich ist, dann wird das akzeptiert. Und Sie sehen: so ein Vorstand ist am längeren Hebel, weil der erst mal die Löhne vereinbart und vorgeben kann. Dagegen muss es möglich sein, sich zu wehren, auch wenn man eine kleine Gewerkschaft ist und auch wenn es in einem Betrieb schon einen Tarifvertrag gibt.
Gucken Sie mal: Wenn zum Beispiel der kleine CGM, eine christliche Gewerkschaft, einen Tarifvertrag macht, den die Beschäftigten gar nicht wollen, und es gibt dann einen Tarifvertrag, soll dann auch dagegen ein Streik unmöglich sein? Also Sie sehen: die Richtung ist eindeutig. Es geht bei diesem Versuch, das Streikrecht einzuschränken, darum, dass eben der Herr-im-Hause-Standpunkt der Arbeitgeber durchgesetzt werden soll. Das ist das Ziel.
Heckmann: Das Bundesarbeitsgericht, Herr Ernst, hat den Grundsatz der Tarifeinheit hochgehoben. Das bedeutet also ein Unternehmen, ein Tarifvertrag. Diese Tarifeinheit, die wäre aber in Gefahr. Sehen Sie diese Gefahr nicht?
Ernst: Doch, doch. Die Tarifeinheit ist schon ein hohes Gut. Ich weiß nur, dass bisher die Gerichte oft in diesen Fragen ganz anders entschieden haben. Ich habe einen Fall bei mir in der Region. Dort hat sich eine kleine Gewerkschaft angeboten, einen billigeren Tarif durchzusetzen, also zu vereinbaren als wie die IG Metall. Wir hätten, wenn wir das nicht politisch geklärt hätten, große Schwierigkeiten gehabt, uns vor Gericht durchzusetzen mit unserem höheren Tarif. Also dort wird auch mit unterschiedlichem Maß gemessen. Und das was die Gerichte gegenwärtig machen, nämlich zu sagen, da entsteht ein großer volkswirtschaftlicher Schaden - das ist ja die eigentliche Begründung - und wegen dieses Schadens dürfen die nicht streiken. Dann ist das Streikrecht weg, weil bei jedem Streik, auch wenn eine große Gewerkschaft streikt, entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden. Das ist ja das Problem beim Streik. Sonst gibt es ja keinen Druck. Ein Streik soll ja Druck auf die Arbeitgeber irgendwie erzeugen und der hat natürlich auch Auswirkungen. Also wenn sie mit diesem Argument, was dieses Gericht gegenwärtig vorträgt, volkswirtschaftlicher Schaden argumentieren, ist das Streikrecht in dieser Republik ausgehebelt.
Heckmann: Was sagen Sie denn zu der Forderung der GDL nach einem eigenen Tarifvertrag? Würden Sie das unterstützen oder nicht?
Ernst: Ich halte diese Forderung für richtig. Ich halte diese Forderung deshalb für richtig, weil es offensichtlich nicht gelungen ist, im Zuge des Flächentarifvertrages vernünftige, entsprechend der europäischen Entwicklung vorhandene Löhne für die Zugführer durchzusetzen.
Heckmann: Aber die anderen Gewerkschaften GDBA und Transnet, wenn ich dort einhaken darf, sprechen von einer Entsolidarisierung?
Ernst: Wenn alle Beschäftigten bei der Bahn zusammenhalten, dann ist das natürlich sinnvoller, als wenn sich die Gewerkschaften im Einzelnen zersplittern. Das ist ganz klar. Aber Sie sehen: der Druck der Bahn auf die Löhne, um künftig diese Privatisierung schmackhaft zu machen, um diese Privatisierung durchsetzen zu können, führt eben auch dazu, dass dann einzelne Beschäftigtengruppen sagen uns reicht es jetzt. Wir sind nicht mehr bereit, Lohnkürzungen hinzunehmen, Arbeitszeitverlängerung hinzunehmen, und wir sind nicht bereit, ein geringeres Lohnniveau als woanders zu akzeptieren.
Heckmann: Herr Ernst, die Gewerkschaften GDBA und Transnet sprechen von einer Entsolidarisierung. Das heißt die Lokführer würden ihre Interessen auf dem Rücken der Lokführer austragen.
Ernst: Das ist natürlich erst mal von Transnet ein richtiges Argument, die natürlich das Interesse hat, alle Beschäftigten unter einen Hut zu kriegen und zu gemeinsamem Handeln zu bewegen. Jetzt ist es nun so, dass Transnet einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, der allerdings diesen Lohnunterschied zwischen Europa und zwischen der Bundesrepublik bei den Lokführern nicht ausgleichen konnte. Deshalb sagt natürlich dann eine Gruppe, die sich stark genug fühlt, wir müssen möglicherweise für uns einen eigenen Weg gehen. Ich bedauere das sehr, dass es nicht gelingt, das unter einem einheitlichen Tarifvertrag für alle hinzukriegen, aber wenn eben der Druck der Arbeitgeber so groß ist, wenn dann eine Gewerkschaft eine Vereinbarung trifft, die eine doch mächtige Gruppe und durchsetzungsfähige Gruppe nicht akzeptiert, dann wird es meines Erachtens, ob wir das wollen oder nicht, künftig zu mehr solchen Auseinandersetzungen kommen. Insofern bauen die Gerichte da vor und sagen, das darf nicht sein. Ich halte das für falsch. Ich halte das auch vom Grundgesetz her nicht gedeckt.
Heckmann: Mit der Bitte um eine kurze Antwort die letzte Frage. Sehen Sie die Gefahr, dass sich die Gewerkschaftsszenerie immer weiter aufsplittet, wenn sich jetzt die Lokführer durchsetzen?
Ernst: Ja, die Gefahr sehe ich sehr wohl, wenn es nicht gelingt, innerhalb der großen Gewerkschaften ein Lohngefüge mit den Arbeitgebern zu vereinbaren, das alle Interessen der Beschäftigten auch unterschiedlicher Berufsgruppen tatsächlich im Ergebnis vertritt. Dann wird es zu solchen Aufsplitterungen kommen. Deshalb kann ich nur an alle appellieren, die daran beteiligt sind, an alle Gewerkschaften appellieren, dass man guckt, dass das Lohngefüge innerhalb eines Tarifvertrages auch solche Gruppen, insbesondere als Beispiel bei den Lokführern, solche besonders belasteten Gruppen mit entsprechenden Gehältern auch berücksichtigt.