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Linnemann: Mittelstand lehnt Steuererhöhung und Mindestlohn ab

Carsten Linnemann, der neu gewählte Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, setzt sich vehement gegen Steuererhöhungen ein. Ferner pocht er auf eine Lohnuntergrenze und lehnt den Mindestlohn ab, wie ihn beispielsweise die SPD fordert.

Carsten Linnemann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.10.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Josef Schlarmann, mancher Unionspolitiker verdrehte bereits die Augen, wenn er sich mal wieder über die Medien zu Wort meldete. Das aber konnte er durchaus als Kompliment verstehen, denn erstens war er über Jahre Chef der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU und damit eine wichtige Stimme innerhalb der Union, und zweitens konnte er sich sicher sein, dass er den Finger mal wieder auf die Wunde gelegt hatte, wenn er mit der Kanzlerin aneckte, war er doch einer der wenigen, der laut aussprach, was andere nur dachten. Nämlich die Forderung, nicht bei allen Themen das konservative Tafelsilber zu verschleudern, vor allem nicht in der Wirtschaftspolitik.

    Viele Jahre stand Schlarmann der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union vor, jetzt trat er nicht mehr an. Zu seinem Nachfolger wurde gestern in Braunschweig gewählt Carsten Linnemann, er hat sich gegen den früheren Grünen-Politiker Oswald Metzger durchgesetzt. Schönen guten Morgen, erst mal herzlichen Glückwunsch!

    Carsten Linnemann: Herzlichen Dank, guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Linnemann, Josef Schlarmann, Ihr Vorgänger, galt als harter Kritiker von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sind Mitglied des Deutschen Bundestags und damit der Fraktionsdisziplin unterworfen. Kann sich Angela Merkel jetzt auf konziliantere Töne einstellen?

    Linnemann: Nein, das kann sie nicht. Aber ich werde nicht in der Persönlichkeit unterwegs sein, sondern in der Sache. Und das haben wir gestern auch so besprochen, ich habe gestern eine 20-minütige Rede gehalten und auch gesagt, dass wir mit hoher Sachlichkeit und Fachlichkeit vorgehen. Und das wird vielleicht mal angenehm sein für die Partei, aber hier und da auch mal unangenehm. Und ich glaube, das muss auch so sein. Es gibt Parteiflügel, wir brauchen immer zwei Flügel, den Sozialflügel und den Wirtschaftsflügel. Und insofern werde ich freilich zuweilen auch hart in der Sache vorgehen, aber es wird in der Sache bleiben. Wir wollen, dass es Deutschland weiterhin gut geht, nicht mehr und nicht weniger.

    Heckmann: Josef Schlarmann hat einmal gesagt, in der Wirtschaftspolitik gebe es eine Erosion all dessen, für das die CDU einmal stand, Beispiel Euro-Rettung, Beispiel Energiewende. Wie zufrieden sind Sie denn mit dem Kurs der Kanzlerin?

    Linnemann: Grundsätzlich bin ich zufrieden. Ich meine, Herr Heckmann, Sie müssen sich vorstellen, vor zehn Jahren trugen wir die rote Laterne. Wir sind jetzt Lokomotive. Also so viel kann auch nicht falsch gelaufen sein. Wir haben festgehalten beispielsweise am industriellen Mittelstand, wo sich alle Länder oder viele Länder um uns herum von verabschiedet haben, schauen Sie nach Frankreich, schauen Sie nach England, noch 25 Prozent unserer Leistung findet dort statt. Am dualen Ausbildungssystem haben wir festgehalten, viele wollen das kopieren, oder die Agenda 2010, die Gerhard Schröder mit auf den Weg gebracht hat, wir aber damals von der Union konstruktiv begleitet haben damals im Bundesrat, im Vermittlungsausschuss. Und insofern sind die Grundlagen gemacht, es geht diesem Land vergleichsweise gut, aber diese Errungenschaften müssen …

    Heckmann: Das heißt, Josef Schlarmann hat sich getäuscht?

    Linnemann: Herr Schlarmann spricht Zukunftsthemen an und aktuelle Themen, die wichtig sind, das ist die große Herausforderung. Und da hat er völlig recht, dass bei der Energiewende etwas falsch läuft. Sie müssen sich vorstellen, dass wir im Deutschen Bundestag die Preise machen für die erneuerbaren Energieträger, und das kann natürlich in einer sozialen Marktwirtschaft nicht funktionieren, eigentlich nie funktionieren. Das eignet sich gut für Wirtschaftsbücher in Schulen, dass man erklärt, was ist der Unterschied zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft, es eignet sich aber nicht für eine soziale Marktwirtschaft. Und da hat Herr Schlarmann völlig recht. Also, es stellen sich große Fragen für die Zukunft, die müssen wir jetzt angehen. Aber nochmals, die Errungenschaften müssen wir verteidigen, so schlecht geht es Deutschland nicht. Aber jetzt heißt es, die Herausforderung anzugehen.

    Heckmann: Die andere wichtige Frage ist das Thema Steuererhöhungen, steht ja auch mit im Zentrum der Sondierungs- und dann wohl anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Herr Schlarmann hat Wolfgang Schäuble, den Finanzminister, bei uns im Deutschlandfunk als Fiskalisten bezeichnet, der nichts gegen Steuererhöhungen habe, im Gegenteil. Haben Sie auch diesen Verdacht?

    Linnemann: Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe im Wahlkampf, glaube ich, fast jeden Tag am Stand gestanden. Und das Thema Steuererhöhung, dass wir dagegen sind, das war das Thema. Und da ging es jetzt nicht um diesen einen Prozentpunkt, sondern da ging es auch um eine Geisteshaltung, dass wir sagen, der Staat muss mit seinem Geld auskommen. Und das war die Überschrift des Wahlkampfes. Und deshalb geht es um Glaubwürdigkeit. Und ich glaube, nicht mehr und nicht weniger wollte Herr Schlarmann mit seiner Bemerkung ausdrücken. Jeder macht es auf seine Art und Weise.

    Meine Art und Weise ist die, dass ich sage, es wird keine Steuererhöhungen geben, die Kanzlerin hat das klar und deutlich gesagt, Herr Seehofer hat das auch deutlich gesagt und ich habe das gestern auch deutlich gesagt. Ich will mich da nicht auf eine Ebene stellen, aber der gesamte Wirtschaftsflügel hat den Eindruck, dass wir hier nicht schwimmen dürfen und dass wir eine Klarstellung machen müssen. Und die Klarstellung ist gemacht worden und deswegen wird es keine Steuererhöhungen geben. Hier geht es um die zentrale Frage der Glaubwürdigkeit, auch die Glaubwürdigkeit in die Politik, und hier muss die Union stark bleiben. Hier gibt es eine rote Linie und die darf nicht überschritten werden.

    Heckmann: Derzeit gibt es ja die Sondierungsgespräche, am Montag wieder zwischen Union und SPD, am darauf folgenden Dienstag dann mit den Grünen ein zweites Gespräch. Können Sie sich, Herr Linnemann, eine Koalition mit den Grünen eigentlich vorstellen?

    Linnemann: Ich denke schon, dass es offenkundig ist, dass die Schnittmenge kleiner ist. Aber ich sitze jetzt bei den Sondierungsgesprächen nicht mit am Tisch, da sitzen 22 oder 21 Personen, die tauschen sich aus in der Parlamentarischen Gesellschaft, dieses Haus gibt schon so eine Atmosphäre her, dass man sich wirklich austauscht, abtastet, dass man die aktuelle Gemengelage beurteilt, sieht man die gleich oder sieht man die nicht gleich.

    Und dann wird die Kanzlerin vorschlagen dem Bundesvorstand, mit welchem möglichem Koalitionspartner sie sich Gespräche vorstellen könnte.

    Heckmann: Was ist denn Ihre Meinung?

    Linnemann: Meine Meinung ist, dass man die Sondierungsgespräche jetzt abwartet und dass man dann hört, was dabei herausgekommen ist.

    Heckmann: Sie haben da keine Präferenzen?

    Linnemann: Ich habe da keine Präferenzen, ich fände es auch falsch, wenn man die jetzt legen würde. Noch mal: Die Schnittmenge mit den Grünen ist kleiner, das ist meiner Meinung nach offensichtlich. Gerade die neue Fraktionsführung mit Herrn Hofreiter und Göring-Eckardt steht meiner Meinung nach für den alten Kurs der Grünen, und für diesen Kurs ist sie meiner Meinung nach nicht gewählt worden.

    Und die Schlüsse, die ich aus dem Wahlergebnis ziehe, ist, dass die Deutschen einen wirtschaftlichen Kurs wollen. Keine Steuererhöhung, der Mittelstand will keine Substanzsteuern haben, und andere Bereiche auch. Und insofern ist die Schnittmenge mit den Grünen objektiv gesehen ganz klar kleiner.

    Heckmann: Also könnte es durchaus auf eine Große Koalition hinauslaufen, wie bekannt. Die SPD sagt aber, ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt es auch keine Koalition. Der Widerstand der Union dagegen, wird der auf dem Altar der Großen Koalition geopfert werden?

    Linnemann: Nein, da wird es natürlich Widerstand geben, das ist auch ganz normal in einer Demokratie, und das ist auch ganz normal in Koalitionsgesprächen. Und da muss man schauen, wie man da vorankommt. Wichtig ist nur – und das sagt ja auch die Kanzlerin ganz klar und da gibt es auch einen Parteitagsbeschluss –, dass wir nicht im Deutschen Bundestag politisch die Löhne festlegen und aufzeigen und sagen, jetzt ist der Lohn festgelegt. Und das ist offenkundig meiner Meinung nach, dass wir einen Überbietungswettbewerb in den nächsten Jahren bekommen werden. Ich habe Ihnen eben das Beispiel Energiewende gebracht, Preise für erneuerbare Energien, die haben wir im Bundestag festgelegt. Das war ein Fehler, das merken wir jetzt, das System muss grundüberarbeitet werden, und deshalb dürfen wir keinen politischen Mindestlohn haben.

    Heckmann: Das heißt also, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, den wird es nicht geben, jedenfalls keinen, der vom Bundestag festgelegt worden ist, das ist ein ganz klares Wort von Ihnen?

    Linnemann: Ich kann jetzt nur für die Mittelstandsvereinigung sprechen, ich kann sprechen für den Wirtschaftsflügel der Partei. Und hier haben wir ein ganz klares Votum, dass es keinen politischen Mindestlohn gibt, sondern eine Lohnuntergrenze. Und bei diesem Votum bleibe ich auch.

    Heckmann: Carsten Linnemann war das live hier im Deutschlandfunk, er ist gestern zum neuen Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU gewählt worden. Herr Linnemann, ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie uns dargebracht haben!

    Linnemann: Danke, Herr Heckmann!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU/CSU (MIT), Josef Schlarmann, in der Stadthalle in Deggendorf
    Der ehemalige Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU/CSU (MIT), Josef Schlarmann, in der Stadthalle in Deggendorf (picture alliance / dpa / Armin Weigel)