Die Mehrheit der Zuschauer im Hongkong-Stadium ist aus Festland-China angereist, zum Teil Tausende Kilometer. Viele von ihnen haben bis zu 600 Euro bezahlt, um das Gastspiel von Inter Miami mit Lionel Messi zu sehen. Aber der argentinische Weltmeister kommt nicht zum Einsatz und wirkt eher lustlos. Die Zuschauer schimpfen, buhen, verlangen ihr Geld zurück.
Zuschauer fordern Geld zurück
Auch außerhalb des Stadions habe Messi sich zurückgehalten, sagt der österreichische Sportsoziologe Tobias Zuser, der in Hongkong forscht. „Man wollte Messi auch einladen, dass er die Baustelle vom neuen Stadion besucht. Also, er wurde auch so gesehen als fast schon offizieller Repräsentant. Und eventuell ist das auch eine Rolle, die er nicht wirklich haben wollte.“
Lokalregierung verlangt Entschuldigung von Inter Miami
Das Thema dominiert in China die sozialen Medien. Der Ton wird schärfer, als Messi bei einem weiteren Gastspiel in Tokio zumindest eingewechselt wird. Ausgerechnet in Japan, das Hongkong während des Zweiten Weltkrieges besetzt hatte, kommentieren chinesische Staatsmedien. Einige Fans rufen dazu auf, die Sponsoren von Messi zu boykottieren.
Chinesischer Verband beendet Zusammenarbeit
Die Lokalregierung von Hongkong, die Peking nahesteht, verlangt eine Entschuldigung von Inter Miami. Aber nicht nur das, sagt Tobias Zuser: „Der Chinesische Fußballverband hat jetzt die Zusammenarbeit mit Argentinien aufgekündigt. Eigentlich sollte Argentinien zurückkommen nach China im März für zwei Freundschaftsspiele, eins gegen Nigeria und das andere gegen die Elfenbeinküste. Das ist jetzt auch sehr unwahrscheinlich, dass das jetzt noch stattfinden wird.“
Messi begründet Spielpause mit Muskelverletzung
Auf einer Pressekonferenz nach dem Spiel in Hongkong erklärt Messi zwar, dass er wegen einer Muskelverletzung noch nicht spielfähig war. Aber sein Verhalten in Hongkong wird trotzdem politisch vereinnahmt.
Zum Beispiel von Anhängern des neuen argentinischen Präsidenten: Javier Milei hatte sich mehrfach kritisch zu China geäußert und den Beitritt seines Landes zu den Brics-Staaten abgelehnt. In dieser Vereinigung spielt Peking die führende Rolle.
Menschenrechtler glauben an ein Zeichen gegen Peking
Einige Menschenrechtler interpretieren Messis Zuschauerrolle hingegen als Kritik an der Kommunistischen Partei in Peking. In den sozialen Medien werden Dissidenten mit Messi in Verbindung gebracht, berichtet der Hongkonger Fußballhistoriker Chun Wing Lee:
„Diejenigen, die die chinesische Regierung ablehnen, glauben zum Beispiel, dass Messi an den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo erinnern wollte. Als Messi noch in Barcelona spielte, hat sich Liu Xiaobo um ein Autogramm von ihm bemüht. Hat sich Messi in Hongkong also für Menschenrechte positioniert? Ich glaube nicht. Schließlich erhält er als Botschafter auch sehr viel Geld von der Regierung in Saudi-Arabien.“
Lokalpolitiker stehen unter Beobachtung
Vor der Pandemie galt China für Spitzenklubs aus Europa und den USA als wichtiger Wachstumsmarkt. Vereine wie der FC Bayern oder Manchester United eröffnen Büros in Peking oder Schanghai. Chinas Wirtschaft investiert damals in eigene Fußballstrukturen und fördert den Einstieg von staatsnahen Unternehmern in europäische Klubs.
China träumte von der Fußball-WM 2030
Doch mit dem wachsenden Nationalismus unter Staatspräsident Xi Jinping hat sich die Lage geändert. Der Fußball bietet jetzt eine Plattform, um das gewachsene Selbstvertrauen gegen den Westen zum Ausdruck zu bringen, sagt der britische Sportökonom Simon Chadwick, der sich seit Jahren mit China befasst:
„Vor der Pandemie galt China als wahrscheinlicher Gastgeber der Fußball-WM 2030. Einige Städte haben viel Geld in die Infrastruktur investiert. Das hat sich vorerst erledigt. Wenn diese Städte nun zumindest Gastspiele internationaler Vereine organisieren wollen, dann stehen sie in Peking genau unter Beobachtung. Politische Kontroversen wie nun bei Messi können Konsequenzen haben.“
Interesse ausländischer Investoren wecken
In der Sonderverwaltungszone Hongkong werden Politik und Justiz zunehmend von Peking bestimmt. Übrigens auch der Fußballverband, der seinen offiziellen Namen erweitern musste, nunmehr in „Hongkong, China.“ Mit dem Gastspiel von Messi wollten die Veranstalter das Interesse ausländischer Investoren für Hongkong neu beleben. Jetzt, nach dem öffentlichen Druck, werden sie zumindest die Hälfe der Ticketkosten für das Spiel erstatten. Lionel Messi bleibt allerdings weiterhin: ein unerwünschter Gast.