Die Kabarettistin Lisa Eckhart ist eine Kunstfigur, erschaffen von der österreichischen Künstlerin Lisa Lasselsberger. Eckhart wird vorgeworfen, sich in ihren Programmen immer wieder rassistisch und antisemitisch zu äußern. Wie umstritten Eckhart ist, zeigt sich auch bei der Diskussion um ihre Teilnahme am "Harbour Front Literaturfestival" in Hamburg. Dort sollte Eckhart mit ihrem Buch als eine von acht Kandidatinnen und Kandidaten für den Klaus-Michael-Kühne-Preis antreten, der für den besten Debütroman vergeben wird. Doch die Veranstalter sagten die Teilnahme ab und verwiesen auf "Sicherheitsbedenken". Einer der Festivalleiter, der Verleger Nikolaus Hansen, verteidigte die Ausladung im Deutschlandfunk Kultur. Man habe konkrete Drohungen von linksextremen Gruppen erhalten und "Angst vor rabiater Gewalt". Zudem hätten sich Autoren geweigert, mit Eckhart aufzutreten.
Die Vorwürfe, die 27-jährige Künstlerin bediene antisemitische und rassistische Klischees, entzünden sich unter anderem an einem Auftritt in der ARD-Kabarettsendung "Mitternachtsspitzen" im September 2018. Dort hatte die Kunstfigur Lisa Eckhart Vorurteile gegen verschiedene gesellschaftliche Gruppen geäußert.
An der Ausladung von Eckhart gibt es wiederum ebenfalls Kritik. So bezeichnete der Leiter des österreichischen Paul-Zsolnay-Verlags, Herbert Ohrlinger, die Ausladung seiner Autorin im Deutschlandfunk Kultur als einen Skandal, wie er ihn in seiner gesamten Verlagszeit noch nicht erlebt habe. Auch der Politologe Claus Leggewie bezeichnete die Veranstalterseite im Deutschlandfunk Kultur als feige und forderte mehr Rückgrat der Veranstalter. Wenn es nicht anders gehe, sei auch der polizeiliche Schutz von Meinungsäußerungen geboten, ergänzte Leggewie.
Nun wurde die österreichische Kabarettistin erneut eingeladen, nachdem die Lesung nun an einem anderen Ort stattfinden sollte. Doch Verlag und Künstlerin lehnen das Angebot ab - nun sei es zu spät, hieß es in der Begründung. Das Hin und Her der vergangenen Wochen sei an der 27-Jährigen nicht spurlos vorbeigegangen.
Die Festivalleitung betonte nochmals, dass allein Sicherheitsfragen und die Durchführung eines fairen Debütanten-Wettbewerbs im Mittelpunkt standen. Man bedauere ausdrücklich, dass es nun zu keinem Auftritt von Eckhart kommen werde.
Die österreichische Poetry-Slam- und Kabarett-Künstlerin Lisa Lasselsberger hat ihr erstes Buch geschrieben, nicht unter ihrem bürgerlichen Namen, sondern unter dem ihrer Kunstfigur Lisa Eckhart, also jener blass-blasierten, aschgrau getönten 1920er-Jahre-Schickse, die von ganz weit oben auf ihre Mitmenschen blickt.
Diese Lisa Eckart ist eine unsympathische, rassistische, mit ihren hochnäsigen Sottisen diffamierende Person – und wenn sie nun ein Debüt vorlegt, das angeblich von ihrer Großmutter erzählt, dann muss sie, um in der Rolle zu bleiben, bereits auf der ersten Seite klarstellen: Empathielosigkeit als Programm wird "Omama" von den angeblich transpirierenden Erinnerungen anderer Enkel unterscheiden.
"Selbst Thomas Bernhard, der Großmarketenderin des Schimpfes, welche sich naturgemäß jedes nette Wort verbittet, zerfließt beim Suhlen in Großvaters Spuren das Ressentiment zum Sentiment."
Der Russ kommt
Selbstbezogen beginnt "Omama" nicht mit der Großmutter, sondern mit der Erzählerin selbst, die wiederum vorgibt, Lisa Eckhart zu sein. Am Anfang des Buchs steht eine mehrtägige Säuglingsobstipation unmittelbar nach ihrer Geburt – und wie das in zahlreichen anderen Büchern eher berührende Warten aufs Köpfchen in diesem Roman gespiegelt wird als Kampf um die erste Defäkation, ist zwar geschmacklos, aber durchaus originell. Hernach springt die Geschichte zurück, und russische Soldaten tauchen in der niederösterreichischen Gemeinde Mautern auf.
"Nun war er also da, der Russe. Und die Angst vor ihm gewaltig. Was hatte man ihnen nicht alles erzählt, wozu der Russe fähig sei und wonach der Sinn ihm stünde. Er werde alles Vieh abschlachten sowie alle Mädchen schänden. Und im Anschluss umgekehrt."
Das Freudsche Bäuerchen
Die Geschwister Inge und Helga erleben die Besatzung als Teenager, und mit kräftigen Volten hebt der Diskurs zum Parforceritt an – durchaus im Wortsinn gemeint. Mühevoll schleppt sich die Handlung über die folgenden Seiten, ad hoc unterbrochen durch einen Erinnerungsmoment von Großmutters Cousine Anna. Es sind bloß wenige Sätze.
"'Was hatten wir vor denen Angst! Das waren vielleicht Wilde, diese Russen. Wie viele Mädchen haben die vergewaltigt!' Sie stiert mich an. Nach langer Pause fügt sie hinzu: 'Unheimlich viele!' Es war offenbar keine rhetorische Frage. 'Eine nach der anderen. Mich zum Glück nie!' Sie nippt an ihrem Glaserl Rotwein und blickt betroffen auf den Tisch. (...) 'Doch ich war früher auch sehr hübsch!', entfährt es ihr plötzlich gleich einem Freudschen Bäuerchen."
Vieles deutet darauf hin, dass hier die Vergewaltigungserfahrung durch eine andere Erzählung verdeckt wird, en passant und gerade deshalb auf erschütternde Weise, schnell neutralisiert von Omama, die von der Erzählerin gefragt wird:
"'Waren die Russen nicht sehr grob zu den Mädchen?' 'Ach, i wo!', winkt Großmutter ab. 'Besonders lieb warn’s mit den Kindern. Denen haben’s oft an Schokolad gschenkt.'"
Eine misanthrope Grundstimmung
Der Schrecken scheint schnell vergessen, das Grauen verdrängt, bald ist 1953. Helga und Inge werden bei zwei verschiedenen Ehepaaren als Kindermädchen eingestellt:
"Sie in Gmunden und die Inge in Wien. Sie lebt im Hause eines Doktors. Die Inge in der Wohnung eines Professors. Der einzig wahre Unterschied ist jener, dass der Herr Professor keine Kinder hat. Zumindest keine, die daheim sind. Genau genommen suchte also der Doktor eine Kinderfrau und der Professor eine Kindsfrau. Sie passt auf die Kinder auf und die Inge, dass sie keine kriegt. Sie hilft dem Doktor in den Mantel, die Inge dem Professor heraus."
Der Plot kommt ins Plaudern. Provokationen werden wahllos über den Text verstreut, rassistische Ressentiments spärlich, sexistische Ausschweifungen häufiger, eine misanthrope Grundstimmung durchzieht Lisa Eckharts Debüt. Die Form der Witze variiert selten.
"Das Wiener Schnitzel muss so groß und so dünn wie möglich sein. Ein Schnitzel wie ein Jungfernhäutchen."
Weißer, alter Mann
Am Ende wendet sich "Omama" gegen seine eigene Hauptfigur. Die gealterte Helga steht da als Boomer-Problem, als Rassistin, als Umweltsau, die Fernreisen bucht. Der peinliche Kapitän eines Kreuzfahrtschiffs muss herhalten als Zerrbild des weinerlich-weißen Mannes, wenn er jammernd vor seinen greisen Passagierinnen steht:
"Von uns Männern wird erwartet, dass wir uns immerzu bekämpfen. Doch, Gott verzeih’s mir, dass wir uns lieben! Das heißen sie ein Verbrechen! Nur in der Schlacht dürfen wir uns begegnen. Nur im Krieg dürfen wir uns berühren!"
Bereits Jahre vor "Omama" hat Lisa Lasselsberger hingewiesen auf die Differenz zwischen ihr und Lisa Eckhart. Diese Differenz wird auf den letzten Seiten von "Omama" eklatant. Rassismus, Sexismus und Ausgrenzung werden deutlich abgewehrt. Die Erzählerin beklatscht die Ansichten ihrer Großmutter nicht. Sie schaut nicht aus Enkelsolidarität weg, sondern sagt stattdessen:
"Altersmilde darf nicht heißen, dass man milde wird gegen die Alten. Denn wo setzt man das Alter an, das einem Amnestie gewährt? (...) Keinem Alter gebührt Amnestie. Die steht nur Narren zu."
Anfang vom Ende der Närrin Lisa Eckhart
"Omama" könnte aufgrund von Stellen wie dieser der Anfang vom Ende der ohnehin nur auf wenige Jahre angelegten Närrin Lisa Eckhart sein. Die Künstlerin hat bereits vor über zwei Jahren im YouTube-Kanal "Auf dem roten Stuhl" gesagt: "Es wird insgesamt vier Programme geben (...) Ich weiß, dass ich dem irgendwann gern den Rücken kehren werde und das ein wenig exklusiver gestalten. In fünf, sechs Jahren werde ich – glaube ich – nicht mehr den Zug besteigen wollen jeden Tag und mich dann entflusen mit diesen Filzsitzen in der Bahn. Das erdet mich zu sehr. Dann kommt immer wieder dieses Gefühl von Menschlichkeit auf, das ich so nach und nach von mir abschaben möchte", Lisa Lasselsberger vor zwei Jahren im Interview – das Ende von Lisa Eckhart ankündigend.
Inzwischen ist die Figur aus dem Ruder gelaufen, von einer rechten Querfront vereinnahmt. Allerdings wurde diese Vereinnahmung provoziert. "Omama", dieses eher harmlose Debüt, könnte ein Notausgang sein – nicht für Lisa Eckhart, die bleibt in ihrer rassistischen Rolle gefangen, aber durchaus ein Notausgang für ihre Erfinderin Lisa Lasselsberger.
Lisa Eckhart: "Omama"
Zsolnay, Wien. 384 Seiten, 24 Euro.
Zsolnay, Wien. 384 Seiten, 24 Euro.
Hörbuch, gelesen von der Autorin
Lübbe Audio, Köln. 13:35 Stunden, 20 Euro.
Lübbe Audio, Köln. 13:35 Stunden, 20 Euro.