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Litauen
Vor der Präsidentenwahl

Am Sonntag wird in Litauen ein neuer Präsident gewählt - oder, was wahrscheinlicher ist, eine Präsidentin. Die Amtsinhaberin Dalia Grybauskaite kandidiert für eine zweite Amtszeit. Ernsthafte Konkurrenten scheint sie nicht zu haben.

Von Randi Häussler | 09.05.2014
    Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite
    Sie wolle Litauen helfen, ein Land der Möglichkeiten für ehrliche Menschen zu werden - so erklärt Dalia Grybauskaite, warum sie weiter Litauens Präsidentin sein will. Und tatsächlich ist genau das ein wichtiger Grund dafür, weshalb die meisten Wähler wohl bei Grybauskaite ihr Kreuzchen setzen werden: Sie gilt als Feindin der Korruption und schlägt dabei einen ziemlich forschen Ton an. Nicht, dass sie ernsthafte Konkurrenten hätte, beim Run auf den Präsidentenstuhl. Etwa zehn Prozent der Stimmen könnte vielleicht Zigmantas Balcytis erreichen. Doch der Kandidat der regierenden Sozialdemokraten hat angeblich sowieso andere Ambitionen - das meint auch Vytautas Bruveris, Experte für Politik bei Litauens größter Tageszeitung.
    "Die Präsidentenwahl ist für die Sozialdemokraten nur ein Vorwand - tatsächlich nutzen sie und viele andere Politiker sie als Sprungbrett für die Europawahl."
    Herausforderer wollen ins Europa-Parlament
    Zigmantas Balcytis prangt ganz oben auf der Europawahl-Liste der Sozialdemokraten. Man munkelt, er wolle EU-Kommissar werden. Sollte es eine Stichwahl geben zwischen ihm und Grybauskaite am 25. Mai, er würde an jenem Tag zu gleich zwei Wahlen antreten. Ebenfalls bei etwa zehn Prozent in der Gunst der Wähler liegt Arturas Paulaukas, von der Arbeitspartei. Doch auch der ehemalige Parlamentspräsident habe wahrscheinlich eher Europa-Absichten, so der politische Kolumnist Bruveris.
    "Paulauskas' politischer Höhenflug gehört der Vergangenheit an. Seine Kandidatur für die Präsidentenwahl ist nur der missglückte Versuch, seine Popularität wiederherzustellen."
    Ihre Gegenkandidaten zieht es offenbar nach Brüssel. Grybauskaite bringt schon einen ganzen Rucksack voller EU-Erfahrung mit. Vor ihrer ersten Amtsperiode als Präsidentin war die heute 58 Jährige EU-Finanzkommissarin. Aus Brüsseler Zeiten haftet ihr noch der Spitzname "Bernstein-Lady" an. Und eisern und entschlossen ging Grybauskaite nach ihrer Wahl 2009 zu Werke, als Litauens Wirtschaft im Zuge der Krise um fast 15 Prozent einbrach.
    "Damals hat sie dafür gesorgt, dass das Land politisch stabil bleibt - als Litauen so extrem sparen musste während der europäischen und weltweiten Wirtschaftskrise."
    Mittlerweile erfüllt Litauen die Maastricht-Kriterien für den Euro, und Litauens Finanzminister tourte vor Kurzem durch Europa, um für den Beitritt seines Landes zur Euro-Zone zu werben. Ein Vorhaben, für das sich Grybauskaite schon lange ausspricht. Wie sehr ihr offenbar die europäischen Werte am Herzen liegen, wurde nicht zuletzt in den vergangenen Monaten deutlich. Grybauskaite hat das russische Vorgehen auf der Krim scharf verurteilt und die EU zum Handeln aufgefordert.
    Pro-westlicher Kurs der Präsidentin
    Der Kurs der Präsidentin ist gegenwärtig: gegen den Kreml und für die Ukraine. Sie unterstützt die westliche Orientierung der Ukraine und wäre für eine EU-Mitgliedschaft des Landes.
    Doch in dieser Frage zeigen sich laut Bruveris auch die Schwachpunkte der Politikerin Grybauskaite. Wankelmütig sei sie, auf Popularität und Macht aus, und oft fehle es am Detail.
    "Häufig zeigt sie bei konkreten Fragen keinen klaren Weg auf. Wie jetzt im Fall Russland: Welche Politik sollen der Westen und Litauen denn genau verfolgen?"
    Für Litauen, wie auch für die zwei weiteren ehemaligen Sowjetstaaten des Baltikums mit ihren russischen Minderheiten, könnte genau diese Frage eine brennende werden. Möglicherweise würde sich Präsidentin Dalia Grybauskaite auch während einer zweiten Amtszeit vor allem in der Außenpolitik beweisen müssen.