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Lob und Tadel

Der CDU-Politiker Eckart von Klaeden empfiehlt angesichts der Repressionen in Tibet eine Doppelstrategie gegenüber China. Einerseits sollte positiv aufgegriffen werden, was die chinesische Regierung unter anderem im Zusammenhang mit den bevorstehenden Olympischen Spielen an Öffnung vollziehe, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Andererseits sollte auch deutlich kritisiert werden, wenn die Regierung sich falsch verhält.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Lage in Tibet ist nach wie vor angespannt, aber eben nicht nur in Tibet, auch in anderen Regionen des Landes gibt es Proteste . Und die chinesische Regierung reagiert so, wie wir es in Tibet gesehen haben: mit Härte und auch mit Militär. Das alles passiert allerdings vor dem Hintergrund eines Landes, in dem es auf der einen Seite enormes wirtschaftliches Wachstum gibt, auf der anderen Seite aber die Inflation auch für eine Menge Probleme sorgt, über die wir hierzulande bislang zu wenig reden.

    Wir wollen jetzt mit jemandem sprechen, der gerade in China gewesen ist. Ich begrüße Eckart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, schönen guten Morgen!

    Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Zunächst einmal, ich habe es gesagt, Sie sind gerade in China gewesen, und deshalb würde ich bewusst mal nicht mit Tibet anfangen wollen, sondern insgesamt fragen, wie haben Sie denn überhaupt die ethnische Lage im Lande erlebt, denn es gibt ja auch an anderen Orten so eine Art von Unruhen, wie wir es in Tibet jetzt gerade erleben?

    Klaeden: Ich bin in den letzten Tagen nur in Peking gewesen und habe dort sowohl mit Regierungsvertretern, aber auch mit regierungskritischen Oppositionellen, mit Dissidenten gesprochen, und die haben, auch diese Dissidenten. haben deutlich gemacht, dass es eine Sorge gibt in China, die von ihnen geteilt wird, dass das Land auseinanderfallen könnte. Und so sehr es Sympathien zum Beispiel für den Dalai Lama gibt unter diesen Dissidenten und für die tibetische Kultur, so sehr wird Gewalt abgelehnt, die eben auch von einem Teil der Tibeter befürwortet wird. Und auch was Taiwan angeht, so müssen wir feststellen, dass in den dort bevorstehenden Wahlen am Sonntag von der von Korruption gezeichneten Fortschrittspartei anti-festlands-chinesische Ressentiments instrumentalisiert werden, um nicht doch noch ein positives Ergebnis zu bekommen. Also man muss bei aller angemessenen Verurteilung und Kritik an der Politik der kommunistischen Partei eben auch die Umstände immer wieder mit in Erwägung ziehen, wenn man etwas erreichen will, eine Verhaltensänderung der kommunistischen Partei in ihrer Minderheiten- und Demokratisierungspolitik erreichen will.

    Zurheide: Da kommen wir gleich noch mal, welche Reaktionen angemessen sind. Ich würde gerne den Ball noch mal aufnehmen, wir haben also in der Tat ein Land, was deutlich mehr ethnische Schwierigkeiten und, ja, Dissonanzen - ich sage das mal ganz vorsichtig - hat, als wir das im Moment wahrnehmen. Das ist auch Ihre Beobachtung gewesen?

    Klaeden: Das ist auch meine Beobachtung.

    Zurheide: Kommen wir da mal auf die Frage der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denn das hat der Kollege Shi Ming gerade auch angesprochen, mit dem wir vor 20 Minuten hier geredet haben ( MP3-Audio ). Er hat darauf hingewiesen, dass wir auf der einen Seite natürlich dieses gewaltige wirtschaftliche Wachstum haben, aber auf der anderen Seite, dass die Inflation zum Beispiel die Lebensverhältnisse sehr erschwert. Das braucht ja eine starke Regierung. Ist die Regierung im Moment stark, oder gibt es auch da Zusammenhänge, dass man auf der einen Seite diese ethnischen Konflikte hat und auf der anderen wirtschaftliche Konflikte und man gar nicht weiß, wo man eigentlich anfangen soll?

    Klaeden: Also im letzten Jahr hat sich ja die chinesische Regierung durch massive Intervention bemüht, die Inflationsrate in den Griff zu bekommen. Und das ist ihr ja nur zu einem geringen Teil gelungen. Und die Wirtschaftskrise, die von den Vereinigten Staaten ausgeht, betrifft China ja auch in besonderer Weise, denn das amerikanische Defizit wir ja zu einem großen Teil durch die chinesischen Devisenreserven finanziert. Die Chinesen verfügen über eine Billion Devisenreserven - über eine Billion US-Dollar -, und wenn der Dollar fällt, dann fällt eben auch der Wert dieser Devisenreserven. Also ich kann mir schon vorstellen, dass es unter der Oberfläche, was die weltwirtschaftliche Lage angeht, Sorgen gibt bei der chinesischen Regierung, denn um das Land weiter zu entwickeln, ist sie natürlich auf einen kontinuierliches hohes Wirtschaftswachstum angewiesen, das bei ungefähr zehn Prozent liegt.

    Zurheide: Jetzt kommen wir mal auf die Frage, wie man mit diesen Unruhen und mit den Dissonanzen umgehen kann, wenn der Dalai Lama und seine Clique, so ist ja der Sprachgebrauch, jetzt quasi für vogelfrei erklärt wird, dann sind das natürlich auch die Übertreibungen in die andere Richtung. Aber zeigt das nicht eigentlich die Schwäche der chinesischen Regierung?

    Klaeden: Es zeigt eine gewisse Schwäche und auch Hilflosigkeit, mit den Aufständen umzugehen. Ich glaube, wir müssen das fortsetzen, was die Bundesregierung insbesondere die Bundeskanzlerin ja in den letzten Monaten auch getan hat, nämlich einerseits Verständnis und Sympathie zu zeigen für die Öffnungspolitik in den letzten 30 Jahren in China und festzustellen, dass es eine positive Entwicklung gegeben hat, aber gleichzeitig auch keinen Werterelativismus zuzulassen, wenn es um Fragen der Menschenrechte, der kulturellen Autonomie geht. Und das hat sie ja unter anderem mit dem Empfang des Dalai Lama deutlich gemacht. Aber was die tibetische Bevölkerung und insbesondere das exiltibetische Lager angeht, so muss man, glaube ich, feststellen, dass der Dalai Lama immer mehr an Einfluss verliert und dass diejenigen stärker werden, die eben nicht nur für kulturelle Autonomie eintreten, sondern für Unabhängigkeit und die auch bereit sind, dafür Gewalt einzusetzen. Der Dalai Lama hat ja in den letzten Tagen immer wieder mit seinem Rücktritt als Vorsitzender der tibetischen Exilregierung gedroht, und das hat sich ja nicht an die chinesische Regierung gerichtet, sondern an seine eigenen Landsleute, die wie zum Beispiel der tibetische Jugendkongress für Gewalt eintreten, um die Unabhängigkeit Tibets zu erreichen.

    Zurheide: Aber da taucht ja die Frage auf, wie kann man diesen Konflikt entschärfen? Muss das aus China selbst passieren, beziehungsweise aus Tibet, oder was könnte das Ausland tun, um da wieder Brücken zu bauen, wenn wir denn hören, dass der Dalai Lama, und Sie haben es gerade geschildert, an Einfluss verliert?

    Klaeden: Also zunächst einmal dürfen wir diese Diffamierung des Dalai Lama nicht hinnehmen, sondern müssen sie entschlossen zurückweisen, und wir müssen der chinesischen Regierung auch deutlich machen, dass ihre Politik der Zuflucht in beleidigenden Nationalismus, in Ressentiments, dass das der falsche Weg ist und dass sie sich vor allem selber massiv damit schadet, dass sie ausländische Journalisten nicht zulässt und internationalen Beobachtern den Zugang nach Lhasa und in andere tibetische Gebiete verweigert. Damit setzt sie sich dem Verdacht aus, dass dort Dinge geschehen, die sie verbergen will. Und wenn sie offene Spiele haben will, und auch die wirtschaftliche Entwicklung Chinas ist ja darauf angewiesen, sich immer mehr der Welt gegenüber zu öffnen, dann ist das der falsche Weg.

    Zurheide: Sehen Sie denn, dass die chinesische Regierung darauf eingeht, das ist ein frommer Wunsch, oder?

    Klaeden: Ja, es ist natürlich zunächst einmal ein Wunsch, aber es gibt ja auch leichte Hoffnungszeichen. Wen Jiabao, der chinesische Regierungschef, hat ja angekündigt, dass er Journalisten wieder zulassen will, dass er ihnen wieder die Möglichkeit geben will, nach Lhasa zu reisen. Ich habe das auch angesprochen in meinem Gespräch mit dem Leiter der internationalen Abteilung des ZK, der ebenfalls Ministerrang hat und protokollarisch über dem Außenminister steht. Und auch der hatte diese Forderung jedenfalls nicht bewusst zurückgewiesen, sondern gesagt, dass man darüber nachdenke und auch das konditionierte Angebot Wen Jiabaos, mit dem Dalai Lama zu sprechen, ist so ein leichtes Hoffnungszeichen, und die westliche Politik, glaube ich, ist gut beraten, diese Hoffnungszeichen jetzt entschlossen aufzugreifen und die chinesische Führung an ihren eigenen Worten zu messen und sie aufzufordern, diesen Weg weiterzugehen oder zunächst einmal zu beschreiten.

    Zurheide: Nur das, was sie gerade sagen, ist, vorsichtig, falls sie immer noch darauf hoffen, dass die Chinesen verstehen, dass das der bessere Weg ist. Gibt es eine Alternative dazu?

    Klaeden: Also zunächst einmal sind wir in der besonderen Situation vor den Olympischen Spielen, dass eine weitere Eskalation eigentlich nicht im Interesse der chinesischen Regierung sein kann, denn sie kennt natürlich auch die Möglichkeit eines Boykotts der Olympischen Spiele, und das will sie auf jeden Fall vermeiden.

    Zurheide: Haben Sie das gespürt in Ihren Gesprächen?

    Klaeden: Das ist eigentlich ständig ein Punkt gewesen, denn China bereitet sich ja mit großer Intensität auf die Olympischen Spiele vor und will sich dort auch weltoffen präsentieren, und deswegen sollten wir diese Situation, in der sich China im Augenblick befindet, mit dieser Doppelstrategie, die ich vorhin schon mal angesprochen habe, nutzen. Einerseits positiv aufzugreifen, was es an Öffnung gibt und auch Wen Jiabaos bei seinen Worten zu nehmen, und andererseits eben auch deutlich zu kritisieren, wenn die chinesische Regierung sich falsch verhält.

    Zurheide: Das heißt aber, der Boykott ist nur, in Anführungsstrichen, "eine politische Drohung" und mit der man auch sagt, wir setzen es nicht um.

    Klaeden: Also solche Spekulationen würde ich gerne von dem weiteren Ablauf der Ereignisse abhängig machen. Zurzeit halte ich eine Drohung mit einem Boykott für falsch. Aber niemand weiß, wie sich die Lage weiter entwickeln wird. Und so sehr es auf der einen Seite Hinweise darauf gibt, dass tibetische Aufständische Gewalt angewandt haben, so sehr muss man leider auch feststellen, dass aus der Hilflosigkeit der chinesischen Regierung und der Unverhältnismäßigkeit ihres Vorgehens eben auch die Lage weiter eskalieren kann. Im Augenblick ist es wichtig, der chinesischen Regierung deutlich zu machen, dass eine Deeskalation in ihrem Interesse ist und darüber nachzudenken, wie man dieses Interesse der chinesischen Regierung unterstützen kann.

    Zurheide: Das heißt aber, für Sie gibt es so eine Art Primat der Politik im Moment, das heißt, der Sport, IOC und deutsches Olympisches Komitee, die sind erst mal am Rande, die mischen sich ja übrigens auch nicht ein, man hat den Eindruck, die vermeiden jedes Wort dazu, was mit Boykott zu tun hat. Ist das richtig im Moment?

    Klaeden: Den Eindruck habe ich auch, wobei man ja deutlich machen muss, dass der Mythos der Olympischen Spiele ja gerade von dem politischen Charakter der olympischen Idee lebt. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere Sportfunktionär das auch erkennen würde und in positiver Weise einsetzen würde, weil eben das Image und der Ruf der Olympischen Spiele auch darunter leidet, wenn sie in einem Land stattfinden, das sich wenig Wochen, wenige Monate vor dem Beginn der Spiele durch massive Unterdrückung ausgezeichnet hat.

    Zurheide: Da muss man ja fast drauf hoffen, dass es dann einzelne Sportler gibt, zum Glück haben wir solche Zeichen, die dann deutlich machen, wenn die Spiele denn stattfinden, werden sie das, in welcher Forma auch immer, öffentlich machen, was sie darüber denken. Würden Sie solche Bewegungen unterstützen?

    Klaeden: Ich finde es jedenfalls richtig, wenn Sportler und Sportfunktionäre den politischen Charakter der Olympischen Spiele anerkennen und als eine Möglichkeit nutzen, in positiver Weise auf China Einfluss zu nehmen. Aber noch einmal, eine Drohung mit dem Boykott der Olympischen Spiele halte ich in der derzeitigen Situation für falsch.

    Zurheide: Das war Eckart von Klaeden, der außenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion im Deutschlandfunk. Ich bedanke mit für das Gespräch, Herr von Klaeden, Dankeschön.

    Klaeden: Ich danke auch.