Bettina Klein: Ludwig Poullain war Vorstandsvorsitzender der WestLB. Nicht nur das: Er hat Ende der 60er Jahre die Landesbank Westfalen mit der Rheinischen Girozentrale zusammengeführt zur WestLB. Er war also im übertragenen Sinne ein Architekt dieser Bank. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, wie es eigentlich zu solchen Fehlspekulationen gekommen ist.
Ludwig Poullain: Ja, ein spekulatives Geschäft in diesen Bereichen gehört in Maßen und kontrolliert - wohl auch zu üblichen Bankgeschäften. Das ist also nichts Verdammenswertes oder etwas Verurteilungswertes, es ist auch nicht deswegen, warum mein Vorstand gehen muss. Die Frage, die sich also heute entscheiden soll, ob der Vorstand gehen soll, ist ja, so interpretiere ich das, die Frage des geschwundenen Vertrauens zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Was man dem Vorstand heute vorwirft, ist, dass er den Aufsichtsrat nicht umfassend genug und früh genug über die Verluste, die aus einem solchen Geschäft entstehen können, informiert hat.
Klein: Was war die Motivation Ihrer Meinung nach? Wurde versucht, etwas zu vertuschen und zu verdecken, oder wie verstehen wir das?
Poullain: Also, jetzt veranlassen Sie mich dazu, also auch in die Welt der Vermutungen einzutreten und mich etwas in die Psyche dieser Menschen des Vorstandes hineinzuversetzen. Wenn einem Solches widerfährt oder Ähnliches widerfährt, dann lebt man ja von der Portion Hoffnung, dass man durch Gegensteuern den Schaden wenn auch nicht wiedergutmachen oder ausbügeln, aber jedenfalls begrenzen kann. Und ich vermute, dass eben aus einer solchen Richtung heraus, einer solchen Haltung heraus dann das Bedürfnis besteht, die Dinge etwas gnädiger, etwas besser darzustellen, als sie tatsächlich sind.
Klein: Da sind wir bei dem großen Stichwort Informationspolitik, da haben einige Unternehmen in solchen Situationen ein Problem damit, ist das eigentlich so gang und gäbe, dass man als Vorstand dann sagt, wir versuchen mal, etwas unter der Decke zu halten und sehen mal, wie weit wir damit kommen?
Poullain: Ich kann mich an meine Zeit erinnern, dass ich also, auch mit meinem, das hieß damals noch Verwaltungsrat, sehr offen gewesen bin. Es passieren ja immer Unglücke, auch in einem Geschäft, es geht ja nicht alles glatt, aber dies unmittelbar weiterzugeben, das habe ich für selbstverständlich gehalten, auch zu meinem eigenen Schutz und zum Schutz meiner Kollegen.
Klein: Hat sich dann, Ihrer Meinung nach, in den vergangenen 30 Jahren etwas geändert in der Unternehmenskultur, offenbar zum Schlechten?
Poullain: Aber ja. Ich habe das ja auch mal vor einigen Jahren mal, ich will nicht sagen, anzuprangern versucht, aber aufzuzeigen versucht, auch in dem Thema Banken und Ethos. Aber es betrifft ja nicht nur Bankvorstände, es betrifft ja die gesamte Gesellschaft, Industriegesellschaft bei uns, dass die Sitten, soll ich sagen, etwas lockerer geworden sind und dass vielleicht auch der Umgang miteinander auch nicht mehr so persönlich, so vertrauensvoll ist, wie das in den Aufbaujahren unserer Republik gewesen ist. Ich glaube, die Dinge sind etwas davongeschwommen, und man bewegt sich distanzierter, vielleicht auch misstrauischer, von Person zu Person und von Organ zu Organ. Und ehe man sich dann irgendeinem anvertraut und eine Sache offen legt, zu der ja auch dann das Vertrauen gehört, dass der Empfänger einer solchen Nachricht damit richtig umgeht, vorsichtig umgeht, nicht damit hausieren geht und nicht damit nach draußen geht. Und das habe ich an eigener Haut auch zu spüren bekommen, dass öffentlich-rechtliche Institute, also Institute, die in der Hand öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften sind, also, die es auch in den Aufsichtsorganen, in den weiteren Aufsichtsorganen mit Politikern zu tun haben, die leben ja von der Außenwirkung, von dem Umgang mit den Medien, die können nicht richtig klar unterscheiden, wo sie die Schnauze halten müssen und was sie sagen dürfen. Und deshalb, eine öffentlich-rechtliche Bank lebt ziemlich gefährlich. Wenn man, der Vorstand, einige Informationen weitergibt, dann muss er fast davon ausgehen, massiv davon ausgehen, dass die nicht unter der Decke bleiben. Das ist ein Wettbewerbsnachteil der Öffentlich-rechtlichen etwa gegenüber der Deutschen Bank. Dort herrscht absolutes dichtes Material.
Klein: Dichtes Material heißt was?
Poullain: Nach außen hin, ich meine nicht Informationen innerhalb des Hauses, aber wenn innerhalb des Hauses irgendetwas passiert, was also auch, zu deren Bereinigung die Geheimhaltung gehört, die WestLB hat in diesem Falle auch darunter gelitten, das habe ich dann so entnommen, was ich darüber gelesen habe und darüber gehört habe, dass die Schieflage in diesem Aktienspekulationsgeschäft bekannt geworden ist. Und dann kann die Konkurrenz dagegen agieren, nicht um der WestLB wehzutun, sondern auch, um daraus eigenen Nutzen zu ziehen, eigene Geschäfte zu machen, eigenen Gewinn zu erzielen. Dann ist diese Bank, die dann dabei ertappt worden ist, auf den Märkten den Operationen der anderen schutzlos ausgegeben.
Klein: Lassen Sie uns kurz beim Stichwort öffentlich-rechtlich bleiben. Eigentümer der WestLB sind die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen, das Land Nordrhein-Westfalen und kommunale Landschaftsverbände. Um es mal auf den Punkt zu bringen, was hat da eine Landesregierung eigentlich verloren in diesem Konstrukt?
Poullain: Gehen wir zurück auf die Konstruktionen nach dem Krieg: Die öffentlich-rechtliche Sektor lebte sehr, versorgte auch die öffentliche Hand mit Krediten, das war ja eigentlich seine Hauptaufgabe, und mehr und mehr sind ja die Sparkassen in die Geschäfte hineingeflossen. Sie sind also Teil des Marktes geworden. Und damit hat sich auch die Rolle der Länder eigentlich erübrigt.
Ich meine, ich bin ein Redner in die Wüste, ich bin ja fast ein Prophet da in der Sparkassenorganisation, da ich predige, oder die These habe, die habe ich von Karl Schiller gehört, ich war mal Präsident des Deutschen Sparkassenverbandes und habe die Sparkassenorganisation in dieses moderne Zeitalter hineingeführt. Und wir hatten damals eine Legitimation, den öffentlichen Auftrag, und der hatte auch einen Fundus, und dieser hieß, der öffentliche Auftrag lautet, dass die Sparkassen den Großbanken Konkurrenz zu machen haben, Wettbewerb zu machen haben. Das war das Kriterium. Und damals meine Frage an Schiller, und falls wir das Ziel mal erreicht haben sollten? Da gab es eine lange Pause, und dann sagte er, Poullain, da müssen Ihnen unglaubliche Dinge einfallen, die Sie als öffentlich-rechtliche Tugend für die Gesellschaft, wenn noch die Berechtigung da sein sollte, dass etwa eine Stadt eine Sparkasse betreibt.
Klein: Das heißt, das Modell ist ausgelaufen, wenn den Landesbanken nicht dieses Ungewöhnliche noch einfällt? Sehen Sie das?
Poullain: Auch den Sparkassen auch, ich meine, das ist ordnungspolitisch, ordnungspolitisch erste Klasse, deswegen habe ich auch die Kanzlerin nicht verstanden auf dem Sparkassentag.
Klein: Aber sehen Sie eine Begründung, die dafür dienen könnte, dass man weiterhin dieses Modell Beteiligung des Landes und öffentlicher Verbände in solchen Banken beibehält?
Poullain: Das ist alles so schön bequem. In der Sparkassenorganisation gibt es einen Slogan, der heißt also, uns geht es so gut, was sollen wir ändern? Und Ordnungspolitik findet in Berlin, in unserer Bundesregierung, seit Jahrzehnten nicht mehr statt, im Sinne Ordnungspolitik der Wirtschaftspolitik.
Klein: Was wäre jetzt an dieser Stelle sozusagen angesagt von Seiten der Politik nach Ihrem Wunsch?
Poullain: Ja, ich meine, hier ist ja eine, so oft wir über Brüssel schimpfen, die Ordnungspolitik hat sich nach Brüssel verlagert. Sehen Sie VW-Gesetz, Privatisierung, Postmonopol und, und, und. Die haben sich auch schon mit den Sparkassen beschäftigt, mit dem Fortfall der Gewährträgerhaftung, da haben sie die Sparkassen auf dem kalten Fuß erwischt, nicht drauf vorbereitet. Ich denke, die werden sich auch mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Sparkassen und der Landesbanken in der nächsten Zeit beschäftigen.
Klein: Und zu dem Ergebnis kommen, dass das Modell eigentlich nicht mehr taugt für die Zukunft?
Poullain: Ja. Das Modell für die Zukunft heißt eigentlich, warum eigentlich Öffentlich-Rechtliche, wenn, das ist jetzt das Kriterium, falls der Wettbewerb im Bankgewerbe funktioniert, hat die öffentliche Hand nichts darin zu suchen.
Klein: Dennoch, Herr Poullain, dass Vorstände, dass ein Management in die Krise gerät, weil geschlampt worden ist, weil Strategiefehler gemacht wurden oder sogar Betrug und Untreue dahinterstehen oftmals zu Lasten der Mitarbeiter, diese Fälle sorgen ja immer wieder für Schlagzeilen und zwar durchaus auch bei privat organisierten Unternehmen. Gibt es dennoch ein generelles oder ein strukturelles Problem, das all dem zugrunde liegt, aus Ihrer Sicht, auch wenn die öffentliche Hand nicht dabei ist?
Poullain: Ja, das ist immer so gewesen. Solange gehandelt wird mit Geld und mit Waren, waren die Betrüger immer dabei.
Klein: Das klingt, als müssten wir uns damit abfinden.
Poullain: Nein, nicht damit abfinden, sondern es gibt ja Mechanismen, gerade heute, in dieser technischen Welt, in der wir leben, ich sage mal einfach, computertechnische Dinge. Es gibt ja Dinge, dieses wunderbar zu überwachen, ganz genau zu überwachen, Geldströme.
Klein: Aber die Überwachung hat ja offensichtlich versagt.
Poullain: Ja, da hat was nicht funktioniert, eine Kontrolle.
Klein: Wo genau, denken Sie?
Poullain: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wo die Ebene ist, wo die Schnittstelle ist, wo sie nicht funktioniert. Das kann ein Außenstehender nicht sagen.
Klein: Sie haben auch gesagt, ein gewisses Risiko muss eingegangen werden beim Handel mit Wertpapieren zum Beispiel auf eigene Rechnung. Dennoch fragt sich der Laie am Ende, wie können solche Verluste entstehen, und wären die vielleicht doch vermeidbar gewesen?
Poullain: Ich denke ja, ich sagte eben, wenn das mit Augenmaß, mit Maß passiert, sagte ich zu Eingang des Gespräches, und damit meine ich, dass solche Geschäfte zu kontingentieren sind, das ist selbstverständlich, und zwar im Umfang nach der Geschäfte selber und auch des Risikopotenzials. Und ich habe auch so gelesen, als ob solche Regelungen in der WestLB bestanden hätten, und dass die verletzt worden sind, und dann haben die Mechanismen, die an sich ja eingebaut werden müssen, die Kontrollmechanismen, nicht funktioniert, wenn diese Grenzen überschritten worden sind.
Klein: Wie viele Probleme löst es dann jetzt, wenn ein Vorstand abgelöst wird?
Poullain: Ja, da komme ich darauf zurück auf den Eingang des Gesprächs, dass ich sage, das ist nicht das Geschäft, sondern dann ist irgendwo zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat das Vertrauen zerbrochen. Und wenn das nicht mehr da ist, dann hat es keinen Sinn, dass man miteinander arbeitet. Dann muss wer gehen. Dann müssen neue Menschen, andere Menschen her. Wenn das Vertrauensverhältnis in einem solchen Hause, das gilt auch für alle Gesellschaften, auch im Industriebereich, zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Aufsichtsrat kaputt ist, dann hat es keinen Sinn, daran zu flicken. Da kommt nichts mehr Gutes bei raus. Dann muss man die Konsequenzen ziehen und mit Anstand gehen.
Ludwig Poullain: Ja, ein spekulatives Geschäft in diesen Bereichen gehört in Maßen und kontrolliert - wohl auch zu üblichen Bankgeschäften. Das ist also nichts Verdammenswertes oder etwas Verurteilungswertes, es ist auch nicht deswegen, warum mein Vorstand gehen muss. Die Frage, die sich also heute entscheiden soll, ob der Vorstand gehen soll, ist ja, so interpretiere ich das, die Frage des geschwundenen Vertrauens zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Was man dem Vorstand heute vorwirft, ist, dass er den Aufsichtsrat nicht umfassend genug und früh genug über die Verluste, die aus einem solchen Geschäft entstehen können, informiert hat.
Klein: Was war die Motivation Ihrer Meinung nach? Wurde versucht, etwas zu vertuschen und zu verdecken, oder wie verstehen wir das?
Poullain: Also, jetzt veranlassen Sie mich dazu, also auch in die Welt der Vermutungen einzutreten und mich etwas in die Psyche dieser Menschen des Vorstandes hineinzuversetzen. Wenn einem Solches widerfährt oder Ähnliches widerfährt, dann lebt man ja von der Portion Hoffnung, dass man durch Gegensteuern den Schaden wenn auch nicht wiedergutmachen oder ausbügeln, aber jedenfalls begrenzen kann. Und ich vermute, dass eben aus einer solchen Richtung heraus, einer solchen Haltung heraus dann das Bedürfnis besteht, die Dinge etwas gnädiger, etwas besser darzustellen, als sie tatsächlich sind.
Klein: Da sind wir bei dem großen Stichwort Informationspolitik, da haben einige Unternehmen in solchen Situationen ein Problem damit, ist das eigentlich so gang und gäbe, dass man als Vorstand dann sagt, wir versuchen mal, etwas unter der Decke zu halten und sehen mal, wie weit wir damit kommen?
Poullain: Ich kann mich an meine Zeit erinnern, dass ich also, auch mit meinem, das hieß damals noch Verwaltungsrat, sehr offen gewesen bin. Es passieren ja immer Unglücke, auch in einem Geschäft, es geht ja nicht alles glatt, aber dies unmittelbar weiterzugeben, das habe ich für selbstverständlich gehalten, auch zu meinem eigenen Schutz und zum Schutz meiner Kollegen.
Klein: Hat sich dann, Ihrer Meinung nach, in den vergangenen 30 Jahren etwas geändert in der Unternehmenskultur, offenbar zum Schlechten?
Poullain: Aber ja. Ich habe das ja auch mal vor einigen Jahren mal, ich will nicht sagen, anzuprangern versucht, aber aufzuzeigen versucht, auch in dem Thema Banken und Ethos. Aber es betrifft ja nicht nur Bankvorstände, es betrifft ja die gesamte Gesellschaft, Industriegesellschaft bei uns, dass die Sitten, soll ich sagen, etwas lockerer geworden sind und dass vielleicht auch der Umgang miteinander auch nicht mehr so persönlich, so vertrauensvoll ist, wie das in den Aufbaujahren unserer Republik gewesen ist. Ich glaube, die Dinge sind etwas davongeschwommen, und man bewegt sich distanzierter, vielleicht auch misstrauischer, von Person zu Person und von Organ zu Organ. Und ehe man sich dann irgendeinem anvertraut und eine Sache offen legt, zu der ja auch dann das Vertrauen gehört, dass der Empfänger einer solchen Nachricht damit richtig umgeht, vorsichtig umgeht, nicht damit hausieren geht und nicht damit nach draußen geht. Und das habe ich an eigener Haut auch zu spüren bekommen, dass öffentlich-rechtliche Institute, also Institute, die in der Hand öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften sind, also, die es auch in den Aufsichtsorganen, in den weiteren Aufsichtsorganen mit Politikern zu tun haben, die leben ja von der Außenwirkung, von dem Umgang mit den Medien, die können nicht richtig klar unterscheiden, wo sie die Schnauze halten müssen und was sie sagen dürfen. Und deshalb, eine öffentlich-rechtliche Bank lebt ziemlich gefährlich. Wenn man, der Vorstand, einige Informationen weitergibt, dann muss er fast davon ausgehen, massiv davon ausgehen, dass die nicht unter der Decke bleiben. Das ist ein Wettbewerbsnachteil der Öffentlich-rechtlichen etwa gegenüber der Deutschen Bank. Dort herrscht absolutes dichtes Material.
Klein: Dichtes Material heißt was?
Poullain: Nach außen hin, ich meine nicht Informationen innerhalb des Hauses, aber wenn innerhalb des Hauses irgendetwas passiert, was also auch, zu deren Bereinigung die Geheimhaltung gehört, die WestLB hat in diesem Falle auch darunter gelitten, das habe ich dann so entnommen, was ich darüber gelesen habe und darüber gehört habe, dass die Schieflage in diesem Aktienspekulationsgeschäft bekannt geworden ist. Und dann kann die Konkurrenz dagegen agieren, nicht um der WestLB wehzutun, sondern auch, um daraus eigenen Nutzen zu ziehen, eigene Geschäfte zu machen, eigenen Gewinn zu erzielen. Dann ist diese Bank, die dann dabei ertappt worden ist, auf den Märkten den Operationen der anderen schutzlos ausgegeben.
Klein: Lassen Sie uns kurz beim Stichwort öffentlich-rechtlich bleiben. Eigentümer der WestLB sind die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen, das Land Nordrhein-Westfalen und kommunale Landschaftsverbände. Um es mal auf den Punkt zu bringen, was hat da eine Landesregierung eigentlich verloren in diesem Konstrukt?
Poullain: Gehen wir zurück auf die Konstruktionen nach dem Krieg: Die öffentlich-rechtliche Sektor lebte sehr, versorgte auch die öffentliche Hand mit Krediten, das war ja eigentlich seine Hauptaufgabe, und mehr und mehr sind ja die Sparkassen in die Geschäfte hineingeflossen. Sie sind also Teil des Marktes geworden. Und damit hat sich auch die Rolle der Länder eigentlich erübrigt.
Ich meine, ich bin ein Redner in die Wüste, ich bin ja fast ein Prophet da in der Sparkassenorganisation, da ich predige, oder die These habe, die habe ich von Karl Schiller gehört, ich war mal Präsident des Deutschen Sparkassenverbandes und habe die Sparkassenorganisation in dieses moderne Zeitalter hineingeführt. Und wir hatten damals eine Legitimation, den öffentlichen Auftrag, und der hatte auch einen Fundus, und dieser hieß, der öffentliche Auftrag lautet, dass die Sparkassen den Großbanken Konkurrenz zu machen haben, Wettbewerb zu machen haben. Das war das Kriterium. Und damals meine Frage an Schiller, und falls wir das Ziel mal erreicht haben sollten? Da gab es eine lange Pause, und dann sagte er, Poullain, da müssen Ihnen unglaubliche Dinge einfallen, die Sie als öffentlich-rechtliche Tugend für die Gesellschaft, wenn noch die Berechtigung da sein sollte, dass etwa eine Stadt eine Sparkasse betreibt.
Klein: Das heißt, das Modell ist ausgelaufen, wenn den Landesbanken nicht dieses Ungewöhnliche noch einfällt? Sehen Sie das?
Poullain: Auch den Sparkassen auch, ich meine, das ist ordnungspolitisch, ordnungspolitisch erste Klasse, deswegen habe ich auch die Kanzlerin nicht verstanden auf dem Sparkassentag.
Klein: Aber sehen Sie eine Begründung, die dafür dienen könnte, dass man weiterhin dieses Modell Beteiligung des Landes und öffentlicher Verbände in solchen Banken beibehält?
Poullain: Das ist alles so schön bequem. In der Sparkassenorganisation gibt es einen Slogan, der heißt also, uns geht es so gut, was sollen wir ändern? Und Ordnungspolitik findet in Berlin, in unserer Bundesregierung, seit Jahrzehnten nicht mehr statt, im Sinne Ordnungspolitik der Wirtschaftspolitik.
Klein: Was wäre jetzt an dieser Stelle sozusagen angesagt von Seiten der Politik nach Ihrem Wunsch?
Poullain: Ja, ich meine, hier ist ja eine, so oft wir über Brüssel schimpfen, die Ordnungspolitik hat sich nach Brüssel verlagert. Sehen Sie VW-Gesetz, Privatisierung, Postmonopol und, und, und. Die haben sich auch schon mit den Sparkassen beschäftigt, mit dem Fortfall der Gewährträgerhaftung, da haben sie die Sparkassen auf dem kalten Fuß erwischt, nicht drauf vorbereitet. Ich denke, die werden sich auch mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Sparkassen und der Landesbanken in der nächsten Zeit beschäftigen.
Klein: Und zu dem Ergebnis kommen, dass das Modell eigentlich nicht mehr taugt für die Zukunft?
Poullain: Ja. Das Modell für die Zukunft heißt eigentlich, warum eigentlich Öffentlich-Rechtliche, wenn, das ist jetzt das Kriterium, falls der Wettbewerb im Bankgewerbe funktioniert, hat die öffentliche Hand nichts darin zu suchen.
Klein: Dennoch, Herr Poullain, dass Vorstände, dass ein Management in die Krise gerät, weil geschlampt worden ist, weil Strategiefehler gemacht wurden oder sogar Betrug und Untreue dahinterstehen oftmals zu Lasten der Mitarbeiter, diese Fälle sorgen ja immer wieder für Schlagzeilen und zwar durchaus auch bei privat organisierten Unternehmen. Gibt es dennoch ein generelles oder ein strukturelles Problem, das all dem zugrunde liegt, aus Ihrer Sicht, auch wenn die öffentliche Hand nicht dabei ist?
Poullain: Ja, das ist immer so gewesen. Solange gehandelt wird mit Geld und mit Waren, waren die Betrüger immer dabei.
Klein: Das klingt, als müssten wir uns damit abfinden.
Poullain: Nein, nicht damit abfinden, sondern es gibt ja Mechanismen, gerade heute, in dieser technischen Welt, in der wir leben, ich sage mal einfach, computertechnische Dinge. Es gibt ja Dinge, dieses wunderbar zu überwachen, ganz genau zu überwachen, Geldströme.
Klein: Aber die Überwachung hat ja offensichtlich versagt.
Poullain: Ja, da hat was nicht funktioniert, eine Kontrolle.
Klein: Wo genau, denken Sie?
Poullain: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wo die Ebene ist, wo die Schnittstelle ist, wo sie nicht funktioniert. Das kann ein Außenstehender nicht sagen.
Klein: Sie haben auch gesagt, ein gewisses Risiko muss eingegangen werden beim Handel mit Wertpapieren zum Beispiel auf eigene Rechnung. Dennoch fragt sich der Laie am Ende, wie können solche Verluste entstehen, und wären die vielleicht doch vermeidbar gewesen?
Poullain: Ich denke ja, ich sagte eben, wenn das mit Augenmaß, mit Maß passiert, sagte ich zu Eingang des Gespräches, und damit meine ich, dass solche Geschäfte zu kontingentieren sind, das ist selbstverständlich, und zwar im Umfang nach der Geschäfte selber und auch des Risikopotenzials. Und ich habe auch so gelesen, als ob solche Regelungen in der WestLB bestanden hätten, und dass die verletzt worden sind, und dann haben die Mechanismen, die an sich ja eingebaut werden müssen, die Kontrollmechanismen, nicht funktioniert, wenn diese Grenzen überschritten worden sind.
Klein: Wie viele Probleme löst es dann jetzt, wenn ein Vorstand abgelöst wird?
Poullain: Ja, da komme ich darauf zurück auf den Eingang des Gesprächs, dass ich sage, das ist nicht das Geschäft, sondern dann ist irgendwo zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat das Vertrauen zerbrochen. Und wenn das nicht mehr da ist, dann hat es keinen Sinn, dass man miteinander arbeitet. Dann muss wer gehen. Dann müssen neue Menschen, andere Menschen her. Wenn das Vertrauensverhältnis in einem solchen Hause, das gilt auch für alle Gesellschaften, auch im Industriebereich, zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Aufsichtsrat kaputt ist, dann hat es keinen Sinn, daran zu flicken. Da kommt nichts mehr Gutes bei raus. Dann muss man die Konsequenzen ziehen und mit Anstand gehen.