Donnerstag, 28. März 2024

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Lockerung des Kooperationsverbotes
Große Erwartungen, viel Ungewissheit

Heute soll der Bundesrat einer Lockerung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in der Bildung zustimmen. Damit sind an den Hochschulen große Hoffnungen verbunden: Sie versprechen sich finanzielle Entlastung und eine Verbesserung der Lehre. Doch Bildungsministerin Johanna Wanka warnt vor Übermut.

Von Christiane Habermalz und Benedikt Schulz | 18.12.2014
    Ein Student der Universität Bonn in Talar und Barett / Doktorhut während der Abschlussfeier
    Seit Jahren klagen Studierende und Wissenschaftler gleichermaßen über die schlechten Lehr- und Lernbedingungen an den Hochschulen in Deutschland. (imago/Rainer Unkel)
    "Gerade zu Semesterbeginn hat man wirklich auch Vorlesungen, wo die Leute zu den Füßen vom Professor sitzen, wo die Leute auf den Gängen sitzen, wo man gar nicht mehr mit reinkommt."
    Jurastudent David Toenjann steht in einem Hörsaalgebäude der Universität Köln, einer sogenannten Exzellenz-Uni. Der graue Betonkomplex versprüht einen 70er-Jahre-Charme. Darin acht Hörsäle, mit Kapazitäten von bis zu 300 Studierenden pro Raum - theoretisch. Praktisch müssen oft mehr rein.
    "Dadurch leidet auch einfach das Studium und man muss halt auch sagen, dadurch leidet die Motivation auch ziemlich, überhaupt zu den Vorlesungen zu gehen. Ich glaube, das Problem wurde allgemein unterschätzt, nicht nur vonseiten der Hochschule, sondern vor allen Dingen vonseiten der Politik. Ich glaube niemand hat damit gerechnet, dass es so eine Inflation an Studierenden gibt. Und mittlerweile ist es wirklich einfach voll."
    Seit Jahren klagen Studierende und Wissenschaftler gleichermaßen über die schlechten Lehr- und Lernbedingungen an den Hochschulen in Deutschland. Die Studienanfängerzahlen sind seit 2006 um ein Drittel angewachsen. Doch die Grundfinanzierung der meisten Universitäten ist seit vielen Jahren konstant, zusätzliche Professoren wurden nicht eingestellt. Immer mehr Seminare werden von Lehrbeauftragen gestemmt, die prekär oder gar nicht bezahlt werden.
    "Das ist ein ewiges Mantra, dass man sagt, die Hochschulen haben zu wenig Geld und das ist einfach auch so und das muss man endlich zur Kenntnis nehmen."
    Peter Funke ist Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Althistoriker gehörte außerdem zu den Antragstellern, die sich 2006 erfolgreich um einen Exzellenzcluster an der Uni Münster beworben haben, ein fächerübergreifendes Wissenschaftsprojekt, finanziert aus den Mitteln der Exzellenzinitiative.
    "Wir haben einen großen Studentendurchfluss, es fehlt an Räumen, es fehlt an Investitionsmitteln um die entsprechenden Lehrmittel bereitzustellen. Es fehlt an Gebäuden, es fehlt eigentlich an allen Dingen, das ist auch völlig klar, wenn wir den Anteil der Studierenden an der jungen Generation betrachten und wir steigern diesen auf fast 50 Prozent, dann müssen die Hochschulen mit wachsen und das konnten sie nicht in den letzten zwei Jahrzehnten. Wir haben im Grunde nur Löcher gestopft."
    Länderhaushalte sind klamm, Bildungsausgaben steigen
    Das soll nun alles besser werden - wenn das sogenannte Kooperationsverbot fällt, das Bund und Ländern die Zusammenarbeit im Bildungsbereich verbietet. Nach langen schwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, Union und SPD wird es jetzt zumindest für den Hochschulbereich gelockert. Kaum eine Verfassungsnorm war in weiten Teilen der Bildungscommunity verhasster als der Artikel 91 b. Bei der Föderalismusreform 2006 war er auf Betreiben der Länder mit Zwei-Drittelmehrheit der damaligen Großen Koalition ins Grundgesetz geschrieben worden. Vor allem die CDU-geführten Länder wollten sich in ihr ureigenstes Hoheitsgebiet, die Bildung, nicht vom Bund hineinreden lassen, nach dem Motto: Wer mit bezahlt, der will auch mit bestimmen. Verfassungsrechtlich wurde festgelegt, dass der Bund Kitas, Schulen und Universitäten nicht dauerhaft finanziell fördern darf.
    Eine Sackgasse, wie sich bald herausstellte. Denn die Länderhaushalte sind klamm, die Bildungsausgaben steigen von Jahr zu Jahr. Aus eigener Kraft können selbst finanzstarke Länder die Finanzierung nicht stemmen, erst recht nicht angesichts der Schuldenbremse, die ihnen ab 2020 verbietet, neue Schulden aufzunehmen. Etwa der Aus- und Neubau von Hochschulen - bis 2006 eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern - ging mit dem Kooperationsverbot komplett auf die Länder über. Mit teils fatalen Konsequenzen, klagt Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Berliner Humboldt-Universität:
    "Wir haben ein solches Defizit im Baubereich, das uns auch richtig Geld kostet! Denn wir müssen hier an der Humboldt-Universität zehn Millionen jährlich für Mieten aufwenden, für ziemlich genau 30.000 Quadratmeter angemieteter Fläche, während wir genau eine solche Fläche, nämlich 30.000 Quadratmeter gesperrte Bauten haben, die uns gehören. Die sind aus Sicherheitsgründen gesperrt, baupolizeilich sozusagen. Und das ist doch der größte Unsinn, den man sich nur ausmalen kann!"
    Während der Bund außeruniversitäre Forschung auskömmlich finanzierte, waren Kooperationen zwischen Bund und Ländern zur Unterstützung der Universitäten nur noch über zeitlich befristete Programme und Pakte möglich. Aber: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hingewiesen: So viel Kooperation wie heute war nie.
    Tatsächlich kommt schon jetzt fast jeder fünfte Euro aus der öffentlichen Hochschulfinanzierung vom Bund. Dies geschieht vor allem im Rahmen des Hochschulpaktes, mit dem Bund und Länder seit 2007 gemeinsam den Zustrom an die Universitäten durch doppelte Abiturjahrgänge und den Wegfall der Wehrpflicht abzufedern versuchen. Doch weil der Zuwachs bis heute unvermindert anhält, geht der Pakt bereits in seine dritte Auflage. Insgesamt 38,6 Milliarden Euro werden Bund und Länder bis 2020 in den Hochschulpakt investiert haben. Der zweite große Pakt, an dem der Bund beteiligt ist, die Exzellenzinitiative, spült bis 2017 mehr als viereinhalb Milliarden Euro in die Forschung. 2011 kam noch der Qualitätspakt Lehre dazu, der bis 2019 rund zwei Milliarden Euro schwer ist. Der Nachteil: All diese Pakte sind zeitlich befristet und müssen alle paar Jahre zwischen Bund und Ländern mühsam neu ausgehandelt werden:
    "Dem Paket der Pakte fehlt es ganz klar an Nachhaltigkeit und an dauerhafter Verlässlichkeit, denn der Studierendenboom wird mindestens ein weiteres Jahrzehnt andauern, und mit Kurzfristpakten kann man keine dringenden Daueraufgaben wie Dauerstellen und die Grundfinanzierung der Hochschulen garantieren," kritisiert der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring. Etwa die Exzellenzinitiative: Die läuft nach drei Förderrunden 2017 aus. Zwar ist eine Wiederauflage geplant, doch was genau in Zukunft gefördert wird, ist ungewiss - die Betroffenen sind verunsichert. Schon jetzt kann die Humboldt-Uni für ihr als herausragend gefördertes Graduiertenprogramm keine neuen Doktoranden aufnehmen, beklagt Olbertz:
    "Mir geht's nicht darum, eine Garantie, ihr habt jetzt Geld gekriegt, ihr müsst immer Geld kriegen. Aber die Möglichkeit muss mit einem Nachfolgeprogramm gegeben sein, dass wir auch die Effekte verstetigen können, die damit verbunden waren."
    Wanka: "Keine Milliardengeschenke vom Bund"
    Und die Gelder aus dem Hochschulpakt, so notwendig sie auch sind, verstärken vielerorts die Probleme. Das Land Berlin etwa kompensiert fehlende eigene Haushaltsmittel für die Universitäten durch die Aufnahme von möglichst vielen Studienanfängern. Denn die werden ja vom Bund gefördert. Folge: Überfüllte Hörsäle, überforderte Professoren und immer mehr unterbezahlte Lehrbeauftragte.
    "Ich halte das im Prinzip für eine Fehlsteuerung. Wir müssen uns darauf einlassen, weil wir jede Geldquelle versuchen müssen, zu nutzen, angesichts der strukturellen Unterfinanzierung gerade der Berliner Universitäten. Wir spielen das Spiel zähneknirschend mit, aber wir machen uns große Sorgen, dass der Qualitätsanspruch hinter den Anspruch auf Quantität ins Hintertreffen gerät."
    Kurz: Das Kooperationsverbot gilt als eines der größten bildungspolitischen Hemmnisse der vergangenen Jahre, ein "in Verfassungsrecht gegossener Irrtum", wie SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil Anfang des Jahres betonte. Jetzt endlich soll der Fehler korrigiert werden. Der Bundestag hat sich bereits im November mit einer Zweidrittelmehrheit für eine Änderung des entsprechenden Paragrafen 91b im Grundgesetz ausgesprochen, jetzt fehlt noch die Zustimmung der Länder. Wenn der Bundesrat sein OK gibt, heißt es in Zukunft:
    Bund und Länder können aufgrund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken.
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU)
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
    Zwar bleibt dann immer noch die Zuständigkeit für das Hochschulwesen bei den Ländern. "Die föderale Grundordnung wird nicht berührt", heißt es im Gesetzestext. Doch fortan soll es dem Bund damit möglich sein, Hochschulen direkt und dauerhaft zu fördern, statt wie bisher nur über kurzfristige Programme. Wird dann alles gut? Die Erwartungen an den Bund sind jedenfalls hoch.
    Peter Funke: "Ich erhoffe mir von der Gesetzesänderung eine grundlegende strukturelle Veränderung der Hochschullandschaft mit dem dann hoffentlich auch verfügbaren Geld."
    Svenja Schulze: "Ein bisschen mehr Sicherheit, mehr verlässliche Perspektiven, dass ist es was ich mir wünsche."
    Jan-Hendrik Olbertz: "Dass man diese Möglichkeit zum Anlass nimmt, dass also, wenn Sie so wollen, das alte Modell der Bundesuniversität wieder erörtert wird."
    Andreas Speer (Wissenschaftler Uni Köln): "Insofern ist das für mich noch eine große Wundertüte, in der ich hoffe, dass da etwas für uns übrig bleibt."
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka spricht von einer historischen Stunde:
    "Die Grundgesetzänderung bedeutet, dass wir ganz neue Möglichkeiten haben, wie Bund und Länder kooperieren können, dass der Bund auch institutionell fördern kann, unbefristet, dass wir aber natürlich daran arbeiten, dass wir natürlich einvernehmliche Lösungen finden, Bund mit allen Ländern."
    Gleichzeitig warnt die CDU-Politikerin vor überhöhten Hoffnungen:
    "Die Erwartung, dass der Bund jetzt alles richten kann und Milliardengeschenke verteilen kann, die trifft nicht zu."
    Geht das Geld wirklich an die Hochschulen?
    Wanka hat guten Grund, sich vorerst zurückzuhalten. Punkt eins: Viel Geld für Wohltaten ist schlicht nicht da. Der Bund ist höher verschuldet als die Länder. Gerade erst haben Bund und Länder den Hochschulpakt bis 2020 verlängert. Weiteres Geld aus Wankas Haushalt ist gebunden für die Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Außerdem hat Wanka den Ländern ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung mit einer prallen Geldspritze versüßt. Ab Januar 2015 übernimmt der Bund die gesamten Kosten für das BAföG, die Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten, von dem bislang die Länder ein Drittel aufbringen mussten. 1,2 Milliarden Euro werden dadurch zusätzlich in den Ländern frei - Jahr für Jahr. Sie sollen, so die Übereinkunft, in Bildung, vorrangig in Hochschulen investiert werden.
    "Das hängt jetzt vom Agieren der Länder und auch der Hochschulen in den Ländern ab. Man kann natürlich das Geld dauerhaft an die Hochschulen geben in Form von Stellen, von unbefristeten Stellen, man kann auch in Form von Sondervermögen, wie es angedacht ist in Sachsen. Dass also dieses Geld sozusagen außerhalb des normalen Etats etatisiert wird, und auch in zwei drei Jahren klar ist: Das sind jetzt die BAföG-Mittel, die vom Bund zusätzlich kommen."
    Wanka sieht damit also erst einmal die Länder am Zuge. Nur: Eine Garantie dafür, dass das Geld auch tatsächlich an die Hochschulen geht, hat Wanka nicht. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat bereits angekündigt, mit dem BAföG-Geld zusätzliche Kita-Erzieherinnen zu finanzieren, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz will alles in die Schulen stecken - die Universitäten gehen leer aus. Punkt 2: Würde die Ministerin jetzt Bundesprogramme ankündigen, etwa zur Förderung des akademischen Nachwuchses, könnte das für die Länder einen zusätzlichen Anreiz bedeuten, eigene Mittel bei der Grundfinanzierung der Hochschulen einzusparen. Der bildungspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Albert Rupprecht, warnt vor dem "linke Tasche rein, rechte Tasche raus"-Prinzip.
    "Es kann nicht sein, dass der Bund über seine verfassungsmäßige Zuständigkeit hinaus immer mehr Bereiche übernimmt, und die Länder sich vom Acker machen. Es gibt einige Länder, die werden ihrer Verantwortung, die sie nach der Verfassung haben, in keinster Weise gerecht. Es gibt Länder, die machen das vorbildlich, aber ich sag schon auch: Wie sind nicht die Lückenbüßer und ersetzen die Länder."
    Die finanziellen Spielräume sind also begrenzt. Doch selbst wenn es Geld zu verteilen gäbe, so gibt es doch auch zwei Fallstricke im künftigen Artikel 91b, die schon jetzt eine gewisse Skepsis rechtfertigen. Der eine ist das Wörtchen "überregional". Der Bund soll nur Fälle von "überregionaler" Bedeutung fördern dürfen. Was aber genau überregionale, also nationale Bedeutung von Wissenschaft ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Für den Christdemokraten Rupprecht ist klar:
    "Also in jedem Fall ist internationale Sichtbarkeit, internationale Wettbewerbsfähigkeit ein Aspekt überregionaler Bedeutung. Und es ist ja völlig unstrittig, dass der Bund hier einen Beitrag leisten kann."
    Spitzen- oder Breitenforschung?
    Anders die Sozialdemokraten - sie sehen nationale Bedeutung auch im möglichst breiten Zugang zu universitärer Bildung - überall in den Regionen und für möglichst viele, betont Hubertus Heil, SPD-Fraktionsvize im Bundestag:
    "Für uns Sozialdemokraten ist wichtig, dass wir nicht nur über Leistung und Elite reden, das ist wichtig, sondern auch über breiten Zugang. Für uns sind Breite und Spitze gleich wichtig. Ohne breiten Zugang gibt's keine Spitzenleistung. Da gibt's in der Union immer noch eine Tendenz, auf das eine nur sich zu fokussieren."
    Das zweite Problem liegt im Wort "gemeinsam". Laut neuem Grundgesetzartikel müssen bei jedem Fördervorhaben für einzelne Hochschulen alle Bundesländer zustimmen. Bund und Länder sollen also gemeinsam festlegen, welche Fördervorhaben in den einzelnen Ländern von überregionaler Bedeutung sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sieht jedenfalls jetzt schon dem föderalen Kuhhandel Tür und Tor geöffnet, nach dem Motto, förderst du meins, förder ich deins. Für Olbertz, Präsident der Berliner Humboldt-Universität, eine Horrorvorstellung:
    "Exzellenz für alle wäre eine Parodie. Ich verfolge diese Diskussion schon ein bisschen beunruhigt, denn wenn wir am Ende nur political correctness wollen, werden wir am Ende nur mit der Gießkanne verteilen, uns aber nicht mehr zu Zentren der Spitzenforschung oder der Spitzenlehre bekennen."
    Jenseits von der Grundsatzfrage "Spitze oder Breite" kann nationale Bedeutung auch ganz anders definiert werden. Zum Beispiel der Erhalt sogenannter "Kleiner Fächer"? Wenn es bundesweit nur einen einzigen Lehrstuhl etwa für sumerische Sprachen gibt, könnte das eine Förderung durch den Bund rechtfertigen. NRW-Wissenschaftsministerin Schulze hat andere Ideen:
    "Wir haben die Fernuniversität Hagen, die sehr, sehr erfolgreich ist, die auf die 100.000 Studierenden zusteuert. Die Studierenden sind zu zwei Dritteln aber nicht in NRW, und hier eine Mitfinanzierung des Bundes zu ermöglichen, das wär wirklich eine Entlastung für dieses sehr erfolgreiche Modell des Studierens."
    Die Idee ist nicht neu - Wankas Vorgängerin im Bundesbildungsministerium, Annette Schavan, wollte Hagen einst in eine Bundesuniversität umwandeln. Doch Wanka hat dafür wenig Sympathien - überhaupt, stellt sie klar: Bundesuniversitäten wird es nicht geben. Was sie selber in petto hat, will sie noch nicht preisgeben. Nicht, bevor die Grundgesetzänderung im Bundesrat endgültig durch ist. Die Bildungspolitiker von Union und SPD im Bundestag sind da auskunftsfreudiger:
    "Also was ein gemeinsames Anliegen ist, das ist der wissenschaftliche Nachwuchs," verrät CSU-Bildungspolitiker Rupprecht. "Ich seh im Augenblick beim wissenschaftlichen Nachwuchs vor allem zwei sehr kritische Punkte. Das ist, dass es zu viele zeitlich befristete Verträge gibt. Das Befristungsunwesen werden wir genauer anschauen, und ich sag jetzt schon: Dort wo wir Geld geben, werden wir das nicht mehr auf Dauer akzeptieren."
    Hubertus Heil, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender kratzt sich die Unterlippe.
    Hubertus Heil, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender. (dpa / Bernd Settnik)
    Auch sein SPD-Kollege Heil sieht noch in der laufenden Wahlperiode Spielräume, um, wie er sagt, den "Flaschenhals" an den Universitäten zu erweitern:
    "Wir haben durch die Hochschulpakte politisch gewollt, eine massive Steigerung der Zahl der Graduierten, also derjenigen mit Abschluss an den Hochschulen, aber danach gibt's im Wissenschaftssystem zu wenig Möglichkeiten für verlässliche Karrierewege, 90 Prozent der Stellen im akademischen Mittelbau sind befristet in Deutschland, und zum anderen gibt es zu wenig Juniorprofessoren. Da könnte man ansetzen über den Weg des 91b, auch dauerhaft, zumindest für einen Zeitraum von zehn Jahren, durch so etwas wie einen vierten Pakt tatsächlich Bundesmittel auch mit zu mobilisieren, um an den Hochschulen voranzukommen."
    Heil: "Keine großartigen zusätzlichen Spielräume"
    Für Martin Breul und Birte Ruhardt wäre das ein Lichtstreifen am Horizont. Beide promovieren derzeit an der a.r.t.e.s. Graduate School, einem Doktorandenprogramm an der Uni Köln - finanziert aus Mitteln der Exzellenzinitiative. Breul denkt noch über eine Karriere in der Wissenschaft nach - große Hoffnungen macht er sich bislang nicht:
    "Die Befristung der Arbeitsverträge und die unsichere Situation, da man immer abhängig ist von Drittmittelgebern und Drittmittelprojekten, die meist nur zwei bis drei Jahre laufen. Und wahrscheinlich hat man mit Mitte 40 keine Lust mehr zu hoffen, dass der nächste Bescheid von der DFG positiv ist und sonst steht man auf der Straße."
    Birte Ruhardt hat schon jetzt die Konsequenzen gezogen - sie will nach ihrer Dissertation ein Jobangebot bei einer gemeinnützigen Stiftung annehmen:
    "Gerade deswegen hab ich mich auch dazu entschieden, aus der Wissenschaft rauszugehen, weil es eben so unsichere Perspektiven auf Dauer sind, da muss sich was ändern! Damit auch Deutschland die Wissenschaftler hier halten kann."
    Hier also könnten die neuen Spielräume des Bundes in der Hochschulfinanzierung neue Perspektiven eröffnen. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil macht allerdings deutlich:
    "Ich glaube nicht, dass es in dieser Legislaturperiode, über die Exzellenzinitiative und ein mögliches Programm für den akademischen Mittelbau dann noch großartige Spielräume zusätzlich gibt, in eine allgemeine Grundfinanzierung der Hochschulen einzusteigen, aber der Weg ist zumindest offen, auch für künftige Legislaturperioden."
    Für die SPD ist das Problem Kooperationsverbot ohnehin erst dann gelöst, wenn es nicht nur für die Hochschulen, sondern auch für die Schulen gefallen ist. Das aber bleibt Zukunftsmusik. Und auch im Wissenschaftsbereich gilt: Die Grundfinanzierung bleibt grundsätzlich Länderaufgabe, der Bund kann nur punktuell helfen. Ob sich die Situation an den Hochschulen bessert, wird also auch in Zukunft in erster Linie von den Ländern abhängen. Das bleibt auch dann so, wenn der Bundesrat an diesem Freitag der Lockerung des Kooperationsverbots im Hochschulbereich zustimmt.