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Löwenmaul und Irisschwert. Gartengeschichten

Die Literatur, das wissen wir, die treibt manch bunte Blüten. Die ein oder andere Scheinblüte mag auch drunter sein und Stilblüten, oh ja, die gibt es auch immer noch, mehr sogar als man denkt. Aber was, wenn es sich bei nämlichen um Epimedium rubrum, oder um Fritilaria meleagris oder gar Fritilaria persica handelt? Letztere wird immerhin 70 cm groß, entfaltet pflaumenfarbene Glöckchen und zeigt sich nur höchst selten. Wenn, dann allerdings bereits im März, was ihr erhabenes Durchsetzungsvermögen gegen die Unbilden des Wetters beweist, unter den Neuerscheinungen im Frühjahrsprogramm ist ihr mit dieser vorgezogenen Strategie viel Aufmerksamkeit gewiss. Nun werden Sie sagen, halt! Hier handelt es sich ja gar nicht um Literatur, hier geht es ja nur um Blumen. Aber da irren Sie gewaltig. Oder wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass Elfenblume, Schachbrettblume, Fingerkraut und Feenhandschuh, Türkenbund und Engelstrompete nach Gartencenter klingen?

Liane Dirks |
    Löwenmaul und Irisschwert heißt das neue Buch von Barbara Frischmuth, und ich räume ein, dass wir uns in einem Grenzgebiet bewegen, denn Barbara Frischmuth ist sowohl ein Schriftstellerin, die sich aufs Gärtnern versteht, als auch eine Gärtnerin, die schreibt. Und weil das so ist und sie beides verdammt ernst nimmt, hat sie an Literatur und Garten einen extrem hohen Anspruch: sie will überwältigt werden, jawohl! Sie will sich hingeben, sich opfern, sich überraschen lassen, sich ergehen, sie will sich selbst zurückstellen, den Erfordernissen der Stunde und des Augenblicks nachkommen, Enttäuschungen wegstecken und Fehler machen, sie will dankbar sein und staunen und sie ist bereit das alles immer wieder von vorne zu tun, immer wieder aufs Neue innezuhalten vor dem Samentütchen unbekannter Herkunft oder vor dem leeren Blatt. Das Tütchen birgt womöglich die so schwer aufzutreibende Iris elegantissima, und das leere Blatt den Anfang eines neuen Romans.

    Leidenschaft, Ausdauer, eine gute Beobachtungsgabe und zumindest ein Quäntchen Genie braucht man. Nicht umsonst gehen gerade Schriftsteller und Dichter die Liaison mit dem Garten so gerne ein, handelt es sich doch bei Literatur und Garten um zwei Lieben, die einander nicht ausschließen, sondern befruchten.

    Freilich lernt man bei Barbara Frischmuth obendrein noch viel. Der Literaturfreund, woher die Pflanzennamen kommen und der Gärtner, dass er nicht verzagen darf, wenn der Himalaya Scheinmohn nicht kommt und dass Igel Bier mögen, weshalb sie öfters sturzbesoffen neben Schneckenfallen schlafen.

    Es ist nur konsequent, dass Frischmuth ihrem neuen Gartenbuch zwei Erzählungen beigibt, die spielerisch den Übergang zeigen von der Gartenhandarbeit zur literarischen Kopfarbeit und wieder zurück. Schönheit ist vergänglich, lehrt uns der Garten und Vergänglichkeit ist schön. Literatur aber kann den Augenblick bannen, das Aufgehen der Madonnenlilie, den Duft des bescheidenen Veilchens. Nach "Fingerkraut und Feenhandschuh", ihrem ersten Gartentagebuch, ist dies Barbara Frischmuth erneut geglückt.

    "Genug ist nicht genug", hat sie sich wahrscheinlich gesagt, nein, diese Zeile ist nicht vom Altbarden Konstantin Wecker, sie ist von Conrad Ferdinand Meyer "genug kann nie und nimmer genügen" und deshalb duftet die rotweiß gestreift blühende Rose, die des Dichters Namen trägt, auch so verführerisch. Schnuppern sie mal dran, da wird man süchtig.