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Logistikbranche
Bundesregierung will Paketboten besser absichern

Viele Paketboten in Deutschland werden schlecht bezahlt und sind sozial kaum abgesichert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit einem Gesetz gegen Lohndumping und Sozialversicherungsbetrug vorgehen. Er nimmt vor allem die fünf großen Paketdienste hierzulande ins Visier.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 28.04.2019
Paketzusteller liefert Pakete auf einem vollbeladenen Karren aus.
Paketboten arbeiten unter großem Zeitdruck und für niedrige Löhne (imago)
Überarbeitet, schlecht bezahlt, kaum sozial abgesichert: Immer mehr Paketboten werden in Deutschland ausgebeutet. Timo Holm macht den Job seit über zwölf Jahren:
"Man ist froh, wenn man abends sich auf die Couch fallen lassen kann und alle vier von sich strecken kann, weil man einfach erledigt und kaputt ist. Sechs Tage durcharbeiten und das teilweise zehn Stunden am Tag", erzählte Holm vor kurzem im ZDF.
Arbeitsminister Heil will neues Gesetz vorlegen
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nennt Stundenlöhne von rund fünf Euro und 12- bis16-Stundentage. Wie unwürdig die Arbeitsbedingungen in der Branche sind, ist auch der Bundesregierung längst bekannt:
"Wir haben zum Teil skandalöse Zustände, was Subunternehmer betrifft. Da werden Arbeitsbedingungen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, missachtet", sagt Sozialdemokrat Hubertus Heil.
Deshalb kündigte der Arbeits- und Sozialminister bereits Anfang März an, gegen Lohndumping und Betrug vorzugehen:
"Vor allen Dingen haben wir auch den Tatbestand der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen. Das ist nicht akzeptabel, deshalb werde ich ein Gesetz vorlegen, dass das regelt."
Am Vorabend des 1. Mai will der Minister seinen Gesetzentwurf vorstellen. Er nimmt vor allem die fünf großen Paketdienste hierzulande ins Visier. Weil sich immer mehr Kunden – selbst mitten in der Innenstadt – ihre Schuhe, Bücher und ihren Supermarkteinkauf nach Hause liefern lassen, hat der Versandhandel rasant zugenommen.
Die Folge: Immer mehr klimaschädliche CO2-Emissionen, und eben steigender Zeitdruck für die Paketboten. Doch während die SPD dagegen vorgehen will, tritt der Bundeswirtschaftsminister auf die Bremse. Christdemokrat Peter Altmaier plädiert für mehr Zollkontrollen, lehnt aber strengere Auflagen für die Unternehmer ab. Erst einmal müsse die Wirtschaft wieder stärker wachsen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter reagiert ungehalten:
"Die ewige Ausrede, es ist zu bürokratisch, wenn ein Unternehmen dafür sorgt, dass seine Unternehmen, die er beauftragt, die Mitarbeiter anständig zu bezahlen, das kennen wir aus vielen Branchen."
Verdi-Chef spricht von "mafiösen Zuständen"
Ein besserer Arbeitnehmerschutz, wie ihn Hubertus Heil jetzt für die Paketboten plant, gilt bereits in der Bau- und Fleischwirtschaft – beide Branchen waren zuvor ebenfalls wegen prekärer Arbeitsverhältnisse in Verruf geraten. Auch DGB-Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann weist den Bürokratie-Vorwurf des Bundeswirtschaftsministers zurück:
"Das ist keine Bürokratie, sondern das ist einfach, dass wir Arbeits- und Sozialregelungen in diesem Land durchsetzen müssen. Und dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, das gerade in der Paketbranche gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen", sagte der DGB-Vorsitzende am Samstagabend im ARD-Fernsehen.
Verdi-Chef Frank Bsirske hatte zuvor bereits von "mafiösen Strukturen" in der Paketbranche gesprochen. Das weist der Vorstand des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik, Marten Bosselmann, im ZDF zurück:
"Für uns ist es enorm wichtig, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Und das gilt auch für unsere Vertragspartner. Wir dulden da keine Verstöße."
Branche beschäftigt immer mehr Subunternehmer
Weil der Versandhandel stetig wächst, beschäftigt die Branche immer mehr Subunternehmer. Sollten die in Zukunft beim Mindestlohn betrügen, würden die großen Paketdienste verpflichtet, die Sozialabgaben nachzuzahlen – das ist der Kern des neuen Gesetzentwurfes. Am morgigen Montag wollen der Arbeits- und der Finanzminister eine Zollkontrolle gegen Schwarzarbeit begleiten.
Am Freitag bereits ist der Gesetzentwurf zur Frühkoordinierung im Kanzleramt eingegangen. Die Auseinandersetzung in der Koalition beginnt damit erst.