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Lohngerechtigkeit
"Leider weniger als mehr"

Dass Kritiker das geplante Gesetz zur Lohngerechtigkeit als Bürokratiemonster abtun, sei ein Totschlagargument, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, im Deutschlandfunk. Sie sei hingegen enttäuscht davon, dass nach vielem "Herumwerkeln" so wenig herausgekommen sei.

Ulle Schauws im Gespräch mit Ute Meyer | 11.01.2017
    Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen
    Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen (Imago / CommonLens)
    Ute Meyer: Der Gesetzentwurf zur Entgeltgleichheit ist heute vom Bundeskabinett beschlossen worden und Familienministerin Schwesig hofft jetzt auf eine zügige Verabschiedung durch den Bundestag, wie sie sagt. Im Bundestag droht allerdings weiterer Streit über das Gesetz, denn den einen ist das alles viel zu bürokratisch, den anderen geht das Gesetz nicht weit genug.
    - Eine, der das Gesetz nicht weit genug geht, ist die Bundestagsabgeordnete der Grünen und frauenpolitische Sprecherin, Ulle Schauws. Sie ist jetzt bei mir am Telefon. Guten Abend, Frau Schauws.
    Ulle Schauws: Guten Abend, Frau Meyer!
    Meyer: Bevor wir die Kritik, die Sie an dem Gesetz haben, besprechen - ist es nicht erst mal eine gute Sache, dass es überhaupt ein Gesetz geben soll, das die Lohnungleichheit in Deutschland beseitigen will?
    Schauws: Das ist richtig, dass Lohnungleichheit beseitigt werden muss. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass das ungerecht ist. Und jetzt kommt dann ein Gesetz, da haben ganz viele drauf gewartet. Und dann ist dieses Gesetz leider weniger als mehr. Und ich würde sagen, es ist leider Gottes so, dass hier eine große Chance vertan wird, auch mit dem Gesetzentwurf, den wir noch nicht vorliegen haben, zu kommen, aber der sehr viel weniger enthält, als er ursprünglich angekündigt hat.
    Meyer: Das liegt vielleicht ein bisschen in der Natur der Sache. Familienministerin Schwesig musste Zugeständnisse machen an die Union. Aber es ist doch vielleicht besser als nichts?
    Schauws: Es ist sicherlich so, dass ich sagen würde, es ist ein erster Schritt. Aber dieser erste Schritt ist wirklich sehr klein. Und ich kann auch sagen, ich bin an dieser Stelle in den Diskussionen, die wir bis dato dazu geführt haben, ein wenig enttäuscht, dass wir schon mal auch wussten, was in dem Gesetzentwurf vorgesehen war. Und jetzt noch mal in dem Herumwerkeln und in dem Kompromiss noch mal weniger rausgekommen ist. Frau Ministerin Schwesig hat da sicherlich gekämpft, aber es ist in der Tat leider Gottes unterm Strich wichtig, was rauskommt für Frauen. Und das ist zu wenig. Da ist tatsächlich die Chance ein Stück weit vertan.
    Meyer: Inwiefern sind Sie enttäuscht?
    Schauws: Dieses Gesetz sieht - und das ist die dramatische Veränderung, die das genommen hat - eine Möglichkeit für ein individuelles Auskunftsrecht nur für Betriebe vor ab 200 Beschäftigte zum Beispiel. Ursprünglich war mal vorgesehen, dass es ab sechs Mitarbeiterinnen in Unternehmen oder in Firmen gelten soll. In kleinen und mittelständischen Unternehmen sind aber die allermeisten Frauen beschäftigt. Das heißt, es sind deutlich viel mehr Frauen und es sind viel weniger als die Hälfte der Frauen in diesem Land, die von diesem Gesetz profitieren. Und das ist einfach sehr enttäuschend.
    Meyer: Die Hälfte der Arbeitnehmerinnen wird durch dieses Gesetz erreicht, so heißt es.
    Schauws: Ich bestreite das.
    Meyer: Sie bestreiten das. Was sagen Sie?
    Schauws: Ich sage, es ist nicht die Hälfte der beschäftigten Frauen. Es sind 14 Millionen Beschäftigte. Ich glaube, das ist insgesamt von 43 Millionen. Ich glaube, es wird knapp die Hälfte immer gesagt von Ministerin Schwesig. Ich bezweifle, dass es die Hälfte oder knapp die Hälfte sind. Es werden weniger Frauen sein.
    Meyer: Nun nehme ich mal die Position des wirtschaftsnahen Flügels der CDU ein. Die sagen ja, Betriebe mit mehr als 200 Leuten, auch die sind noch überfordert. Das Ganze ist ein Bürokratiemonster. Dann sind die Geschäftsführungen nur noch damit beschäftigt, Auskünfte zu erteilen.
    "Bürokratiemonster ein Totschlagargument"
    Schauws: Ich glaube, dass sich die Kritik in Bezug auf ein Bürokratiemonster ja erkennen lässt - diese Kritik haben wir bei anderen Gesetzgebungsverfahren, wo es darum geht, mehr individuelle Rechte für Betroffene, in dem Fall jetzt auch Frauen herzustellen -, dass dieses Argument immer wieder angeführt wird, wenn man versucht, ein Todschlagargument zu finden. Ich muss mal ganz ehrlich sagen: Das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Das kann ich auch an dieser Stelle nicht durchgehen lassen, weil die Unternehmen ja konstant in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen haben, dass sich die Lohnungerechtigkeit verbessert. An dieser Stelle, glaube ich, ist das ein überschaubares Prozedere, um eine Transparenz herzustellen, wie hoch sind die Löhne. Das ist auf jeden Fall ein bewältigbares Auskunftsrecht. Ich glaube, dass die Betriebe und die Unternehmen, vor allen Dingen die größeren Unternehmen hier kein Problem haben werden.
    Meyer: Welche Verbesserungen fordern Sie konkret an dem Gesetzentwurf?
    Schauws: Es müssen deutlich mehr Frauen ein Auskunftsrecht bekommen können. Das heißt, es muss auch die Grenze von 200 gesenkt werden. Das, was ursprünglich vorgesehen war mit einer Größenordnung von sechs Mitarbeiterinnen, geht deutlich in die richtige Richtung. Es muss auch darum gehen, dass nicht nur die offensichtlichen Lohn- und Gehaltsunterschiede bei gleicher Arbeit, die man dann erkennen kann, überprüft werden können und erkannt werden können. Es müssen auch die Lohn- und Gehaltsunterschiede, die zum Beispiel dazu führen, dass in bestimmten sogenannten typischen Frauenberufen oder sogenannten typischen Männerberufen, dass da auch eine Angleichung der Löhne stattfinden kann. Ich sage mal das Beispiel, was wir immer diskutieren: die Altenpflegerin und der Bauarbeiter. Der Bauarbeiter bekommt eine Zulage für bestimmte Arbeiten, die mit schwerem Heben zusammenhängen. Die Altenpflegerin, die mindestens vielleicht die gleichen Gewichte hebt, wenn sie Menschen hebt und pflegt, hat diese Zuschläge nicht. Das heißt, wir brauchen einfach auch in den verschiedenen Berufsbranchen eine Angleichung und gerechte Ausgestaltung von Zuschlägen, die man einfach für schwere Arbeiten oder zum Beispiel Geräuschbelastungen hat. Und solche Dinge müssen dann natürlich auch im Rahmen dieses Gesetzes erreicht werden. Und was wir natürlich auch wollen, das ist der zentrale Punkt, wo ich auch ganz klar sagen muss, das ist unser Kritikpunkt als Grüne: Wenn man eine Lohnungerechtigkeit durch eine Auskunft, wenn eine Frau das in einem Unternehmen dann auch sehen kann, dass sie weniger verdient als die Kollegen, und dieses Recht durchsetzen will, dann muss sie an dieser Stelle bisher immer nur individuell für sich selber an dieser Stelle dafür kämpfen. Was wir hier brauchen ist eine Unterstützung durch das sogenannte Verbandsklagerecht, durch die Möglichkeit, dass die Frau auch Unterstützung bekommen kann. Wir müssten an dieser Stelle auch noch mal sehr konkret in dem parlamentarischen Verfahren gucken, wer könnte denn auch noch darüber hinaus in diese Beratung mit einbezogen werden und eine gute Ansprechstelle werden für die Möglichkeit, einfach auch Lohngerechtigkeit herzustellen. Unser Vorschlag wäre die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes, die hier beratend und auch vielleicht schlichtend zur Seite gestellt werden kann. Außerdem soll eine Beschwerdestelle zum Beispiel eingerichtet werden.
    Schauws: Danke schön! - Ulle Schauws war das, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.
    Schauws: Ich danke Ihnen, Frau Meyer.
    Meyer: Das Interview habe ich vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.