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Lokaljournalismus und AfD
Noch lange kein normales Verhältnis

Die Beziehung zwischen Medien und AfD gilt allgemein als schwierig. Lokalreporter stellt das manchmal vor besondere Herausforderungen - denen sie mit klassischem journalistischem Handwerkszeug begegnen.

Von Michael Meyer | 03.12.2018
    Helm mit Presse-Aufdruck. AfD Bundesparteitag 2018, am 30.06.2018 in Augsburg / M E S S E A U G S B U R G / Deutschland.
    Der Umgang mit der AfD vor Ort birgt Härten - zum Beispiel bei Kundgebungen, wo mancher Journalist inzwischen nur noch mit Helm berichtet. (imago stock&people)
    Simone Wendler ist Lokalreporterin mit langjähriger Erfahrung. Als Chefreporterin der "Lausitzer Rundschau" hatte sie unter anderem einen Baufilzskandal in Cottbus aufgedeckt, was ihr eine Vielzahl von Anfeindungen brachte, unter anderem wurde sie per Tele-Objektiv beobachtet und ihr Briefkasten beschmiert. Seit den neunziger Jahren recherchiert sie auch in der rechten Szene im Osten. Auf Demonstrationen hörte sie von Protestierenden schon mal "Die Wendler muss weg" – ihr Gesicht ist mittlerweile bekannt.
    Sachliche Auseinandersetzung mit den Inhalten
    Trotz dieser verbalen Aggressionen sagt Simone Wendler, dass wenn man die AfD mit radikaleren Organisationen und Gruppen vergleiche, oft auch sachliche, informative Gespräche mit den Funktionären möglich seien:
    "Man muss sich ansehen, wen man vor sich hat und man muss unterscheiden. Die AfD verhält sich anders als sich die noch vorhandenen Reste der NPD verhalten haben und auch noch verhalten. Und es ist auch ein Riesenunterschied zu Rechtsextremisten, die nicht parteigebunden sind. Die empfinde ich seit vielen Jahren bei uns in der Lausitz als die größte Gefahr. Die Leute, die ein AfD-Parteibuch haben, die sind, was das ganze Thema Gewalt, Bedrohung betrifft, sind die für mich kein Thema. Das ist eher eine Frage, wie schaffen wir es, über diese Partei qualifiziert und differenziert zu berichten, auch herunter bis ins Lokale."
    Wendler empfiehlt vor allem eine sachliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der Partei, die sich im Grunde gar nicht so sehr von der Berichterstattung über andere Parteien unterscheiden sollte, sagt die Lokalreporterin.
    Zu Veranstaltungen nicht eingeladen
    Und doch gibt es spezifische Herausforderungen im Umgang mit der AfD, meint Wolfgang Achnitz, Redakteur beim "Lahrer Anzeiger" im Schwarzwald. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Reporter bei vielen Veranstaltungen der AfD nicht mehr eingeladen würden, was eine echte Einschränkung der journalistischen Möglichkeiten sei:
    "Es ist oftmals nicht öffentlich, es wird auch keine Ankündigung in die Redaktionen geschick. Sondern das ist alles intern, läuft über interne und nicht zugängliche Verteiler, so dass die AfD versucht zu bestimmen, worüber berichtet werden darf und worüber nicht. Das macht es natürlich schwierig, wenn man weiß, da kommen Leute von der 'Identitären Bewegung' und stellen ihr Buch vor, in einem kleinen Dorf, man kommt aber nicht rein als Journalist."
    Auf Kundgebungen beschimpft und bedroht
    In dem Moment ist das Thema dann natürlich erledigt, sagt Wolfgang Achnitz. Der Umgang mit der AfD vor Ort birgt aber auch noch andere Härten, zum Beispiel bei Kundgebungen:
    "Man muss sich gefallen lassen, dass man selbst fotografiert wird, gefilmt wird. Ich habe erst einmal erlebt, dass ein Polizeiführer entsprechend eingeschritten ist. Da wurde ich aber auch als 'Linker Drecksjournalist' von Seiten der AfD beschimpft. Und das ist natürlich kein schönes Gefühl. Man erlebt dann auch bei Leuten, die jetzt nicht journalistisch tätig sind, sondern anders gegen die AfD agieren, wie die AfD denen auf die Pelle rückt, indem sie zum Beispiel private Briefkästen zuklebt mit entsprechenden Aufklebern. Das ist ja nichts anderes als die Drohkulisse: Wir wissen, wo Du wohnst."
    AfD-Sympathien in den Redaktionen
    In seltenen Fällen gehen die Sympathien für AfD-Positionen sogar bis in Redaktionen. Eine Lokalreporterin, die nicht genannt werden möchte, erzählte, dass ihre Zeitung sehr AfD-freundlich berichtet, und sich radikale Meinungen oft und ausführlich auf der Leserbriefseite wiederfinden.
    Innerhalb der Partei würden Radikalisierungstendenzen einen normalen Umgang oft noch immer unmöglich machen, stellten viele Journalisten fest. Stef Manzini ist Reporterin in der Lokalredaktion des "Südkuriers" in Überlingen am Bodensee. Dort hat die AfD-Vorsitzende Alice Weidel ihren Wahlkreis. Manzini sagt, sie sehe ebenfalls bislang kaum eine Normalisierung im Verhältnis zwischen der AfD und den Medien:
    "Da sie auf Rückfragen, kritische Fragen überhaupt nicht reagieren. Auf konkrete Nachfragen, die wir dann stellen, an den Pressesprecher, zum Beispiel von Alice Weidel, die sich auf die Spendenaffäre beziehen, erhalten wir keine Antworten. Oder dann die Antworten untergeordneter Personen, der Schatzmeisterin, die wir dann auch so abdrucken."
    Selbst kaum aussagekräftige Zitate gelangen so manchmal ins Blatt. Da auf absehbare Zeit sich an diesem Verhalten nichts ändern werde, empfehle sie Prinzipien, die auch auf alle anderen Themen zutreffen, sagt Stef Manzini: Gute Recherche, ein distanziertes Verhältnis und nicht zu viel Wertung in einem Bericht.
    "Also: Kommentare nur als Kommentare kennzeichnen, ansonsten versuchen, eine objektive Berichterstattung zu machen. Meiner Meinung nach der beste Weg. Die Partei entlarvt sich selbst."