Freitag, 26. April 2024

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Lokführer-Streik
"GDL gefährdet Betriebsfrieden"

Der Streik der Lokführer war völlig unnötig. Das sagte Achim Stauß, Sprecher der Deutschen Bahn, im Deutschlandfunk. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) gefährde den Betriebsfrieden. Stauß forderte die GDL auf, zurück an den Verhandlungstisch zu kommen.

Achim Stauß im Gespräch mit Christiane Kaess | 08.10.2014
    Die Anzeigetafel informiert am 07.10.2014 in Berlin Reisende am Ostbahnhof über Zugaufälle.
    Die Lokführer bei der Deutschen Bahn haben von gestern Abend bis heute früh gestreikt. (dpa / picture-alliance / Paul Zinken)
    Die GDL dürfe den Konflikt nicht weiter auf dem Rücken der Bahnkunden austragen, sagte Achim Stauß, Sprecher der Deutschen Bahn, im DLF. Der Betriebsfrieden im Unternehmen stehe auf dem Spiel. Stauß hält nichts vom Bestreben der GDL, Tarifverträge auch für andere Berufsgruppen als die Lokführer auszuhandeln. "Die GDL kann nur für die Lokführer sprechen", sagte Stauß.
    Die Bahn ist laut Stauß weiterhin für Verhandlungen offen und fordert die GDL-Vertreter dazu auf, wieder Gespräche mit der Unternehmensführung aufzunehmen. Ziel der Bahn sei nach wie vor ein Kooperationsabkommen mit allen ihren Gewerkschaften.

    Das Interview mit Achim Stauß in voller Länge:
    Christiane Kaess: Die Lokführer haben mit ihrem Streik einen Großteil des Zugverkehrs lahmgelegt. Am Telefon ist jetzt der Unternehmenssprecher der Deutschen Bahn, Achim Stauß. Guten Morgen, Herr Stauß!
    Achim Stauß: Guten Morgen!
    Kaess: Herr Stauß, wir haben gerade von unseren Korrespondenten gehört, wie die Lage in verschiedenen Bundesländern ist. Wie ist denn Ihre Bilanz des Streiks?
    Stauß: Die Bilanz ist erst mal, dass es ein völlig unnötiger Streik war, den die Lokführergewerkschaft GDL unseren Kunden zugemutet hat. Es hat doch massive Einschränkungen gegeben. Allein im Fernverkehr waren über 200 Züge gestern Abend betroffen, die normalerweise nach 21 Uhr noch fahren, und im Regionalverkehr, auch bei den S-Bahnen, vor allem in den Ballungsgebieten, hat es deutliche Einschränkungen gegeben.
    Wir können die Kunden nicht so informieren, wie wir das gerne möchten
    Kaess: Was hat denn die Bahn getan, um diese Streiks abzufangen? Wir haben gerade von unserer Nordrhein-Westfalen-Korrespondentin gehört, am Kölner Hauptbahnhof war zum Beispiel kein Service-Personal der Bahn zu sehen.
    Stauß: Wir hatten viel hundert Mitarbeiter zusätzlich im Einsatz an den Bahnhöfen, auch in den Leitzentralen, in den Dispositionsstellen und auch im telefonischen Service. Wir bitten um Nachsicht, dass wir nicht überall sein können. Das ist für uns auch eine schwierige Situation, weil uns die Gewerkschaft ja nicht vorher sagt, wo und in welchem Umfang gestreikt wird. Wir können unsere Kunden nicht so informieren, wie wir das gerne möchten. Ich habe aber persönlich den Eindruck gehabt, dass die Kunden auch mit sehr viel Verständnis für die Lage der Bahn hier unterwegs waren und es in der Regel ruhig geblieben ist.
    Kaess: Auf was stellen Sie sich in den kommenden Tagen ein?
    Stauß: Wir würden uns am liebsten auf neue Verhandlungen einstellen, und die Forderung ist auch die an die Lokführergewerkschaft, an die Spitze dieser Gewerkschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nur dort kann der Konflikt gelöst werden. Es geht ja um ein Gesamtpaket von insgesamt über 15 Prozent Erhöhungen, die gefordert werden. Das ist natürlich unrealistisch in der gegenwärtigen Lage, aber man kann über alles sprechen. Aber man muss sprechen. Dieser Konflikt darf nicht weiter auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen werden.
    An den Verhandlungstisch zurückkehren
    Kaess: Zeichnen sich denn neue Verhandlungen ab? Sehen Sie, dass man sich irgendwo aufeinander zubewegt?
    Stauß: Aufeinander zubewegen kann man sich nur, wenn man miteinander auch am Tisch sitzt. Das verweigert die GDL ja. Wir fordern sie auf, an den Verhandlungstisch, an dem wir sitzen, zurückzukehren, damit über die Forderungen gesprochen werden kann. Es darf vor allem auch nicht sein, dass hier versucht, die eine Gewerkschaft in die Spielhälfte der anderen Gewerkschaft einzudringen, um Mitglieder zu gewinnen. Das ist ein Kampf, der auf dem Rücken der Bahnkunden und auch vieler Mitarbeiter ausgetragen wird. Das darf nicht sein. Wir fordern Verhandlungen.
    Kaess: Da haben Sie ein Problem schon angesprochen. Es geht nicht nur um Geld und Arbeitszeitverkürzung, sondern die GDL will nicht mehr nur die Lokführer vertreten, sondern auch das restliche Bahnpersonal. Warum ist die Bahn eigentlich dagegen?
    Stauß: Weil wir sonst den Betriebsfrieden gefährdet sehen. Das würde die Belegschaft spalten, wenn es für ein und dieselbe Berufsgruppe unterschiedliche Tarifverträge gibt, unterschiedliche Arbeitszeiten, unterschiedliche Pausenregelungen, unterschiedliche Bezahlung. Das kann nicht sein. Wir möchten schon und wir bieten der Lokführergewerkschaft an, natürlich bei den Verhandlungen für Lokführer federführend zu sein und auch bei den Verhandlungen über die Tarifbedingungen für Zugbegleiter mit am Tisch zu sitzen. Das geht über das hinaus, was bisher die GDL an Einfluss hat. Aber dem verweigert sich die GDL. Sie möchte auch für Zugbegleiter separat verhandeln, und das würde die Belegschaft spalten. Das würde den Betriebsfrieden gefährden.
    Absurde Vorwürfe
    Kaess: Der GDL-Chef, Claus Weselsky, der wirft Ihnen vor, die Bahn treibe ein böses Spiel. So wird er zitiert. Die GDL werde genötigt, faktisch Selbstmord zu begehen, indem sie eine Kooperationsvereinbarung unterschreibt. So hat er das beschrieben und er fühle sich wie in einer „Bananenrepublik", wo Arbeitgeber wie Gutsherren mit Gewerkschaften verfahren, als wären sie deren Eigentum. Das sind heftige Vorwürfe an Ihre Seite.
    Stauß: Ja, das sind absurde Vorwürfe, denn wie gesagt: Wir wollen ja, dass die Gewerkschaft durchaus auch mehr Einfluss hat, eben nicht nur für die Lokführer, die sie ja mehrheitlich organisiert - daran kann es gar keinen Zweifel geben -, zuständig ist, sondern auch bei den Verhandlungen für Zugbegleiter, für Bordgastronomen, für Lok-Rangierführer mit am Tisch sitzt, dass das nicht allein das Spielfeld der EVG ist, der größeren Bahngewerkschaft. Wir setzen auf Kooperation, wie das in anderen Betrieben, in anderen Unternehmen in Deutschland auch möglich und üblich ist. Das muss es auch bei der DB geben und deswegen hoffen wir, dass hier Vernunft einkehrt und die Lokführergewerkschaft an den Verhandlungstisch zurückkehrt.
    Wir setzen auf Kooperation
    Kaess: Aber, Herr Stauß, die Bahn will ja warten, bis es ein Gesetz zur Tarifeinheit gibt, mit dem die Regierung gerade beschäftigt ist. Das erweckt doch ein bisschen den Anschein, als würden Sie die Verhandlungspartner wie die GDL nicht wirklich respektieren.
    Stauß: Wir respektieren die GDL und auch ihre Verhandlungsmacht für die Lokführer und wir rufen auch nicht nach der Politik. Natürlich beobachten wir sehr genau, was sich dort tut, ob sich gesetzliche Regelungen auftun. Aber wir haben immer gesagt, dass wir viel lieber als eine gesetzliche Regelung eine freiwillige Kooperation haben möchten mit beiden Gewerkschaften. Wir setzen auf Kooperation und nicht auf ein Gegeneinander und wir warten nicht auf die Politik.
    Kaess: Aber Sie warten auf dieses Gesetz.
    Stauß: Wir beobachten sehr genau, was sich dort gesetzlich tut. Die GDL selber hat es aber in der Hand, zusammen mit der EVG hier ein Kooperationsabkommen mit der DB ohne Blick auf die Politik zu schaffen, um zu einem vernünftigen Miteinander in einem so großen Betrieb wie der Deutschen Bahn zu kommen, und eben nicht zu warten, bis die Politik uns allen etwas vorschreibt.
    Kaess: Es ist ja auch ohnehin völlig unsicher, ob das Gesetz so kommt und wann. Wie lange will die Bahn ihre Haltung da noch aufrecht erhalten?
    Stauß: Wir würden lieber heute als morgen verhandeln, wie gesagt. Wir warten nicht auf die Politik. Wir erhoffen uns natürlich schon auch Schützenhilfe, aber wir würden viel lieber schnell mit beiden Gewerkschaften zu einem Kooperationsabkommen kommen, wie das ja auch bis Mitte des Jahres bestanden hat und wie das auch zum Betriebsfrieden beigetragen hat. Ich sage noch mal: Wir setzen auf Kooperation und wir möchten mit der GDL darüber verhandeln. Sie muss nur an den Verhandlungstisch zurückkehren.
    Kaess: ..., sagt Achim Stauß, Unternehmenssprecher der Deutschen Bahn. Danke für dieses Gespräch.
    Stauß: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.