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Londoner Bauprojekt
Was den Allianz-Konzern ins Londoner Abwasser treibt

Sechs Milliarden Euro soll er kosten: Der neue Überflutungstunnel, der künftig das Londoner Abwassersystem entlasten und die Themse sauberer machen soll. Geplanter Baubeginn ist 2016. Den Zuschlag hat nun die Bazalgette-Gruppe bekommen. Zu der gehört auch der deutsche Allianz-Konzern. Und der verspricht sich von dem Mammutprojekt ein lohnendes Geschäft.

Von Friedbert Meurer | 24.08.2015
    25 Kilometer lang soll er werden und tief unter der Themse von West nach Ost entlang laufen: Der geplante Abwasserkanal, der "super sewer" soll nächstes Jahr in Angriff genommen werden. Die Gesellschaft, die heute die Genehmigung erhielt, ist nach dem Chef-Ingenieur Londons aus viktorianischen Zeiten benannt: Sir Joseph William Bazalgette konstruierte nach 1860 die Kanalisation von London. 1858 waren Tausende Londoner wegen des verunreinigten Wassers an Cholera gestorben.
    Teuer, aber notwendig
    Zur Bazalgette-Gruppe gehört der Allianz-Konzern, der damit führend an einem der größten Infrastrukturprojekte Großbritanniens der kommenden Jahre beteiligt sein wird. Der Thames Tideway Tunnel – der Themse-Überflutungstunnel – soll 4,2 Milliarden Pfund kosten, umgerechnet fast sechs Milliarden Euro.
    Trotz der hohen Kosten zeigte sich der Chairman der Projektorganisation Neville Simms schon vor Bekanntgabe der Genehmigung für die Bazalgette-Gruppe überzeugt:
    "Der Abwassertunnel muss unbedingt gebaut werden. Wir verstoßen gegen die EU-Gesetzgebung, weil bei jeder Flut Unmengen an Abwässern in die Themse gepumpt werden. Das Problem ist alles zusammenzubringen: die technischen Dinge, die Wünsche der Regierung, die Privatisierung eines Großteils des Projekts. Wenn das Erfolg hat, kann es ein weltweites Modell sein."
    Enorme technische Anforderungen
    Die technischen Anforderungen sind enorm: Die Ingenieure planen den gigantischen Abwasserkanal 65 Meter tief unter der Themse von Acton im Westen Londons bis Abbey Mills im Osten. Die Röhren werden einen Durchmesser von rund sieben Metern haben. Das alte Abwassersystem aus dem 19. Jahrhundert sei technisch zwar noch einwandfrei, aber nur für zwei Millionen Londoner gebaut. Heute hat die Stadt 8 Millionen Einwohner. Chef-Ingenieur David Crawford:
    "Wir werden Sorge dafür tragen, dass bei Flut nicht mehr Unmengen an ungereinigtem Abwasser in die Themse fließen. 50 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser sind das im Moment, wir reduzieren es auf vier Millionen. Die Leute haben ein Anrecht auf einen sauberen Fluss, und dafür wollen wir sorgen."
    Die Bauarbeiten selbst werden auf mehrere Konsortien verteilt. Der Kanal verbleibt nach seiner vermutlichen Fertigstellung im Jahr 2022 in Privatbesitz mit Bazalgette als Eigentümer.
    Ein lohnendes Geschäft
    Aus Sicht der Allianz verspricht das Abwasserprojekt in London ein Investment mit sicheren Einnahmen zu werden - mit Renditen, die höher sein sollen als derzeit am Kapitalmarkt. Zur Bazalgette-Gruppe gehören weitere internationale Großfonds und Banken.
    Thames Water, der Wasserbetreiber in London, verspricht den Bewohnern der Hauptstadt, dass dank der Privatisierung ihre Wasserrechnungen ab 2020 nur um umgerechnet 30 Euro pro Jahr steigen, und nicht wie befürchtet um 100 Euro.
    Kritiker rügen, das Vergabeverfahren sei undurchsichtig gewesen. Umweltverbände halten das Projekt für überdimensioniert – würde man das Regenwasser ableiten und vom Abwasser trennen, sei ein so gewaltiger Abwasserkanal gar nicht nötig.